Seit 10 Jahren ist Mine eine Instanz in der deutschen Musiklandschaft. Unbekümmert durchbohrt sie vermeintliche musikalische Grenzen und schlägt damit feste Wurzeln in den Herzen der Feuilletons. Doch die Tragweite ihrer Musik beschränkt sich keineswegs auf den Status als Kritikerliebling. Während ihr Stil am Stamm unverkennbar bleibt, ragt das Blattwerk in verschiedenste Klangwelten – von Pop über Indie, Jazz und Klassik bis zu Rap.
Nun hat sie ein neues Album an den Start gebracht. Wir durften mit ihr über dessen Entstehung sprechen. Warum Geduld einen neuen Stellenwert in ihrem Leben erhalten hat, was sie vom Status Quo in der Popmusik hält, welchen ihrer Songs sie fehlerfrei rückwärts singen kann und welcher ihr auf der neuen Platte am wenigsten gefällt, erfahrt ihr im Interview. Viel Spaß!
Hi Mine, du bist ja bekannt dafür, musikalisch mit einer gewissen Undefinierbarkeit zu spielen. Im Song »Spiegel« auf deinem neuen Album wirfst du nun selber die Frage auf, wo du eigentlich hingehörst. Ist das etwas, was dich musikalisch tatsächlich beschäftigt?
Nö, das beschäftigt mich überhaupt nicht – das ist mir auch egal irgendwie. Ich habe halt selber schon seit meiner Kindheit so viel unterschiedliche Musik gehört, dass ich mich da gar nicht festlegen möchte. Als Teenager war ich zum einen immer im JuZe (Jugendzentrum, Anm. d. Red.) und habe Rap gehört, zum anderen hatte ich aber auch eine Metal-Band und habe darüber hinaus noch klassische Musik gemacht. Deswegen denke ich mir, wenn da jemand einen Oberbegriff finden möchte, fühle ich mich mit fast jeder Schublade wohl. Außer vielleicht Rechtsrock oder so… (Beide lachen) Sonst ist mir das relativ egal. Jeder hört da etwas anderes drin und das ist auch fein für mich!
Und worauf bezieht sich der Song dann, wo konfrontierst du dich eher mit dieser Frage?
Ich kann mit dem Begriff „Heimat“ gar nichts anfangen. Den Ort, wo ich aufgewachsen bin, finde ich zum Beispiel ganz furchtbar und deswegen fühle ich mich da auch nicht wirklich zu Hause. Ich habe schon in ein paar Städten gewohnt, darunter seit 2017 in Berlin. Gerade habe ich aber total Bock, auch mal für eine Weile ins Ausland zu gehen. Ich habe einfach kein großes Zugehörigkeitsgefühl zu irgendeinem Ort. Abgesehen von meiner eigenen kleinen Familie. Ich bin aber einfach nicht so, dass ich mich auf einen Ort festlege und dann zementiere, mich dort niederzulassen.
Gleichzeitig ist dieses ganze Thema der Zugehörigkeit natürlich immer auch eine Identitätsfrage. Wenn jetzt jemand zu mir meint: „Hey, du bist ja Schwäbin.” Dann schreit wirklich alles in mir: „Nein, bin ich nicht!” Mein Vater kommt aus Italien, meine Mutter kam aus dem Osten Deutschlands – wenn mich irgendjemand nach meiner Identität fragen würde, könnte ich das gar nicht beantworten.
Du hast ja gerade schon deine kleine Familie erwähnt, daran möchte ich gern anknüpfen. In einem früheren Interview meintest du, es falle dir schwer in der Gegenwart zu leben, weil du eine sehr ungeduldige Person wärst, die mit den Gedanken immer schon in der Zukunft ist. Ist das etwas, was du neu lernen musstest, seit du Mutter bist?
Ja, auf jeden Fall, Alter. Geduld ist immer ein großes Thema für mich gewesen und ich habe mittlerweile definitiv gelernt, geduldig zu sein. Wenn man fünf Stunden mit Säuglingen im Bett liegt und übelst aufs Klo muss, sich aber nicht bewegen kann, weil man weiß, dass sonst jemand anfängt zu schreien, dann lernt man das. Aber auch, was das Schreiben angeht, hat sich etwas geändert. Sonst hatte ich eine sehr initiative Arbeitsweise, meine Ideen direkt umzusetzen und mit dem Flow zu gehen. Jetzt ist es so, dass ich versuchen muss, meine Ideen zu halten und nicht zu verlieren, bis ich ins Studio gehen kann. Das ist eine ganz andere Art zu arbeiten und dafür braucht man auf jeden Fall auch viel Geduld.
Aber wie behältst du Ideen dann? Hast du immer einen Notizblock dabei oder machst du dann eine schnelle Sprachaufnahme oder bleibt das alles nur im Kopf?
Also vieles schreibe ich auf, vor allem Textideen, das habe ich aber früher auch schon immer so gemacht. Manchmal habe ich aber auch weder Text- noch Melodieideen im Kopf, sondern so eine Soundvorstellung von einem Gesamtkonstrukt. Und die kann ich nicht einfach so festhalten. Ich habe manchmal schon spontan eingesungene Sachen in meinem Handy abgehört und nicht verstanden, was ich da gemacht habe. In dem Fall komme ich dann auch gar nicht wieder rein in die Idee. Oft versuche ich deshalb zu notieren, welcher Song die Idee in mir ausgelöst hat und dazu alles aufzuschreiben, was mir irgendwie einfällt, um die Erinnerung festzuhalten, aber trotzdem gelingt es nicht immer.
Hast du, abgesehen von den verlorenen Ideen, auch das Gefühl, dass das Dasein als Mutter dein Songwriting in irgendeiner Form bereichert oder neu inspiriert hat?
Ne.
(Beide lachen)
Das fragt mich irgendwie jeder. Also gar nicht im Interviewkontext, sondern vor allem aus meinem privaten Umfeld. Ich habe aber gar nicht das Gefühl, dass ich in irgendeiner Form anders arbeite als vorher. Ich glaube auch nicht, dass ich mich künstlerisch groß verändert habe. Ich habe auch kein Bedürfnis, Kindermusik zu schreiben oder generell darüber zu schreiben. Ein paar Gedanken und Gefühle zum Weltgeschehen haben sich auf jeden Fall geändert. Weil es einem irgendwie noch übler wird, wenn man an die Zukunft denkt, vor allem politisch. Aber was das Schreiben angeht, ist es nach meinem Empfinden recht gleich geblieben.
Was die Frage nach der Zukunft angeht: Auf dem Album identifizierst du dich ja als Realistin – würdest du dir gerade in Bezug auf die Zukunft manchmal eher wünschen, Optimistin zu sein? Woher kam die Identifikation als Realistin?
Also in dem Kontext, wo ich das Wort benutzt habe (»Staub«), war eigentlich die Frage, ob ich Atheist oder Realist sage. Da ging es ja um diese Glaubensfrage. Ich bin überhaupt nicht religiös, glaube nicht an Gott oder Leben und Tod. Ich bin auch nicht esoterisch und glaube nicht an Homöopathie. Aber ich finde trotzdem, dass das Wort Atheist suggeriert, man wüsste, dass da nichts ist. Und ich weiß es halt nicht. Ich setze mich halt total viel mit Physik auseinander. Ich bin großer Fan von Astrophysik, Quantenphysik und wissenschaftlichen Herangehensweisen an philosophische Themen. Und deshalb finde ich, die Beschreibung als Realist trifft meine Wahrnehmung mehr, weil man es ja am Ende nie zu 100% sagen kann, was wirklich wie ist. Das ganze Religionsthema macht für mich aber einfach mehr Sinn unter dem Aspekt, dass es eine menschgemachte Sache ist, weil es für mich so logischer klingt. Deswegen habe ich Realist gesagt.
Bei vielen Sachen bin ich aber auf jeden Fall sehr optimistisch, weswegen ich mich auch schnell mal überschätze. Dann mache ich Dinge, die ich eigentlich noch gar nicht kann.
Was zum Beispiel?
Zum Beispiel bei Orchesterprojekten. Manchmal bringt es natürlich auch voll viel. Wenn man etwas gar nicht kann und es einfach trotzdem macht, lernt man extrem viel in kurzer Zeit. Genau sowas treibt mich auch an. Aber manchmal bin ich dabei schon über meine Grenzen gegangen und habe danach bemerkt, dass es vielleicht schlauer gewesen wäre, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die es vielleicht besser können.
Ich kann mir total vorstellen, dass dieser Optimismus oder Mut für so einen kreativen Prozess extrem hilfreich sein kann – besser als wenn man sich aus Angst vor neuen Möglichkeiten verschließt.
Ja, voll! Es macht auch übelst viel Spaß, Dinge mit so einer kindlichen Herangehensweise zu machen. Und ich glaube, was sich voll oft verändert, wenn man erwachsen wird, ist, dass man dann Angst hat, Dinge zu machen, weil man denkt, man kann sie nicht. Als Kind denkst du darüber überhaupt nicht nach – da fragst du dich nicht „Kann ich den Ball fangen und kann ich ihn werfen?”, sondern du machst es einfach, weil es keine Rolle spielt. Weil da auch noch kein Leistungsdruck eingeimpft ist. Und genau diese Herangehensweise an Musik finde ich total wichtig und spannend. Das möchte ich mir auf jeden Fall lieber bewahren, auch wenn ich mal auf die Fresse falle, als es nicht zu machen.
Verspürst du gerade Leistungsdruck?
Ich habe das Gefühl, dass ich in einer Leistungsgesellschaft groß geworden bin und dass es deswegen sehr sehr schwer für mich war, die Entscheidung zu treffen, Musikerin zu werden. Oder besser gesagt, habe ich die Entscheidung nie getroffen – irgendwann ist es einfach passiert. Ich glaube schon, dass mein Leben sonst anders verlaufen wäre. Aber momentan verspüre ich keinen Leistungsdruck. Ich habe ja ein großes Privileg, indem ich Musik mache, die mir selbst gefällt. Niemand verlangt von mir irgendwas. Ich habe komplette künstlerische Freiheit. Und alle Leute, mit denen ich von der Business-Seite zusammenarbeite, lassen mich das auch alles machen. Deswegen habe ich gar keinen Druck.
Ich hatte beim Hören des neuen Albums das Gefühl, dass du deine Soundvielfalt und Unberechenbarkeit nochmal auf die Spitze getrieben hast. Man bekommt wirklich den Eindruck, als hättest du in der Produktion extrem viel Spaß gehabt. Spiegelt das den Entstehungsprozess wider? Gibt es Momente, die besonders viel Spaß gemacht haben?
Ja, ich hatte übelst viel Spaß (lacht). Das war so cool, so viel auszuprobieren und bei einigen Sachen habe ich echt krass Blut geleckt. Ich habe noch nie vorher mit klassischen Chören oder auch mit Hörnern zusammengearbeitet. Das wollte ich schon voll lange mal machen. Ich hatte manche Situationen, wo ich noch nicht so richtig wusste, ob das aufgeht oder nicht. Und es wurde immer besser, als ich es gedacht hatte. Das war einfach so eine krasse Spielwiese. Außerdem habe ich letztes Jahr so viel Geld verdient, dadurch, dass ich für das Danger Dan Album die Streicher gemacht habe. Das hat mir wahnsinnig viel GEMA eingebracht, weswegen ich mir gar keine Gedanken machen musste, ob ich mir etwas leisten kann oder nicht. Ich konnte einfach frei entscheiden, welche Instrumente, welche Instrumentalist*innen ich ins Studio einlade, dann Arrangements schreiben und die haben das einfach eingezockt. Das ist eine sehr sehr privilegierte Position. Ganz oft hat man Ideen, kann sie aber nicht umsetzen und muss sich dann etwas anderes einfallen lassen, weil es einfach viel zu teuer ist. Deswegen hat die Produktion diesmal auf jeden Fall besonders viel Spaß gemacht.
Für mich geht dieses freie und verspielte Arbeiten auch Hand in Hand mit den eingeflochtenen Intros und Reprisen auf der Platte – ein Stilmittel, das man in der Form zuvor noch nicht bei dir finden konnte. Wie kam es dazu?
Reprisen sind ja eigentlich nur Formteile in der Klassik. Das ist nur kein so gängiger Begriff in der Popmusik. Ich hatte diesmal ganz viele Snippets, die nicht so richtig in einem Song unterzukriegen waren, die ich aber trotzdem voll geil fand und nicht einfach wegwerfen wollte. Und dann habe ich mir gedacht, wieso soll ich die nicht einfach so kurz lassen und draufpacken – wer verbietet’s mir denn? Ich hab’s also einfach gemacht und finde es jetzt voll geil, weil diese Parts das ganze so unlangweilig machen.
Es bringt auch einfach Brücken in das Album, die das Gesamtkonzept nochmal songübergreifend vernetzen.
Ja genau, zum Beispiel bei »Baum« war das voll witzig. Das Hornstück auf der Baum-Reprise habe ich nur geschrieben, weil ich noch nie mit Hörnern gearbeitet hatte und mir dachte, wenn jetzt schon einmal vier Hörner vor mir sitzen, muss ich auch noch irgendein Hornstück schreiben. Dann habe ich einfach nachts vor der Session noch was geschrieben, nur um zu schauen, wie es klingt. Das wollte ich dann eigentlich gar nicht mit auf das Album packen, aber am Ende war mir der Sprung vom vorletzten (»Fesch«) zum letzten Song (»Weiter gerannt«) zu krass. Ich brauchte noch einen Part dazwischen zum Runterkommen und dann hat sich das perfekt angeboten, diese Reprise zu ergänzen. Deswegen hat es der Song dann ganz am Ende doch noch auf die Platte geschafft.
Also dein erstes Hornstück überhaupt hat es direkt auf die Platte geschafft?
Ja, es ist aber jetzt auch nicht so wahnsinnig komplex (lacht).
Aber ich check’ den Bruch, dass es dann zu abrupt gewesen wäre von »Fesch« zum Outro.
Ja total, vor allem weil mir »Weiter gerannt« auch so viel bedeutet. Ich glaube, das ist einer meiner Lieblingssongs auf der Platte.
Hast du sowas, also Lieblingssongs auf der Platte?
Eigentlich nicht. Es kommt einfach immer auf die Stimmung an, worauf man gerade mehr abgeht. Aber das Team und ich, wir machen immer so ein Spiel, wenn die Platte fertig ist. Dann muss jede*r sagen, welcher der schlechteste Song auf dem Album ist. Das macht immer voll viel Bock (lacht). Welcher Song gefällt dir denn am wenigsten?
Oh, das ist jetzt natürlich eine harte Frage, da muss ich nochmal kurz überlegen. Ich glaube, das zeigt sich erst so richtig, wenn man das Album öfter gehört hat. Nach drei Durchläufen ist so etwas schwer zu sagen. »Nichts ist umsonst« habe ich zum Beispiel am Anfang noch nicht so gecheckt und mittlerweile finde ich den mega catchy. Aber ich glaube, aktuell wäre es dann »Spiegel« für mich. Welcher ist es bei dir?
Ach krass! Interesting, den liebe ich ja auch so sehr. Ich finde »Fesch« am schlechtesten, glaube ich.
Ah, wieso?
Vielleicht weil es so schwer war, den zu schreiben. Irgendwie war der ein bisschen ein Problemkind. Ich mag den an sich voll. Der ist so drüber produziert und das gefällt mir sehr gut, aber wenn ich mich entscheiden muss, dann würde ich »Fesch« nehmen.
Du meintest in einem Interview auch mal „Geschmack ist Hörerfahrung”, was ich sehr treffend formuliert finde. Was hat denn im letzten Jahr deine Hörerfahrung geprägt?
Also ich bin immer noch davon überzeugt, dass es so ist. Gerade höre ich wieder extrem viel Musik – auch sehr Unterschiedliches. Ich habe zum Beispiel sehr viel klassische Chormusik gehört, aber auch sehr viel Hyperpop, international und national. Ich finde diese neue technoide Welle in der Popmusik total geil. Domiziana und Brutalismus 3000 mag ich zum Beispiel sehr. Und was ich zurzeit auch super gern mag, sind einige junge Künstlerinnen, die französischen Indiepop machen. Der Sound ist super progressiv und an vielen Stellen sehr viel mutiger als deutscher Pop, auch weil Popmusik in Frankreich besser subventioniert wird als in Deutschland. Die Subventionen in Deutschland gehen halt alle in die klassische Musik. Deswegen können die meisten hier nicht so mutig sein und richten sich viel stärker nach wirtschaftlichen Faktoren. Bei den Songwriting-Sessions geht es dann super oft darum, möglichst effizient zu arbeiten und Hits zu ballern. Und ich finde, das hört man der deutschen Popmusik auch sehr an. Dagegen gibt es in Frankreich mehr Künstler*innen, die wirklich Kunst machen.
Kannst du da ein paar Namen nennen?
Ja na sicher! Gaël Faye zum Beispiel oder ELOI, das ist eine junge Künstlerin, die so Techno-Zeug macht, das ist richtig geil. Oder auch Leonie Pernet, mit der ich jetzt zusammengearbeitet habe (»Schattig«). Da finde ich die letzte Platte auch richtig richtig crazy krass. Sie ist ja auch Drummerin und macht dazu noch geile Videos.
Aber da war die Story dann so: Du mochtest ihre Musik gerne, kanntest sie aber nicht persönlich und hast dann den Kontakt gesucht, weil du es gerade fühlst und auf deinem Album abgebildet haben wolltest?
Ja, genau, ich habe sie auf Instagram einfach gefragt, ob sie sich das vorstellen könnte und dann haben wir das per Dropbox gemacht.
Also habt ihr euch nie getroffen?
Nein, leider noch nicht. Aber ich hoffe, dass das in Bälde stattfindet.
Dann haben es also deine eigenen Vorlieben bezüglich der Chormusik (ffortissibros, Kieler Knabenchor) und des französischen Indie-Pop (Leonie Pernet) direkt in Form von Feature-Gästen auf das Album geschafft. Würdest du sagen, es finden sich auch Hyperpopeinflüsse auf der Platte wieder? Bei deinem Einstieg auf »Nicht ist umsonst« zum Beispiel meine ich, ein bisschen Domiziana rausgehört zu haben.
Ja, schon. Also gerade von der Vocal-Produktion, dass das alles sehr an den Rand komprimiert und hochgepitcht und mit Autotune versehen ist. Das ist auf jeden Fall so ein bisschen hyperpoppig. Ich hatte eigentlich vor, einen sehr progressiven Techno-Song zu machen, der ist es dann aber am Ende überhaupt nicht geworden. Es ist ja doch super fluffig irgendwie. Ich arbeite halt auch alleine und das hört man der Musik schon an. Ich könnte mir natürlich auch einen Techno-Produzenten holen und dann würde es ganz anders klingen. Aber am Ende produziere ich so wie ich produziere und deswegen ist es eben ein bisschen weicher geworden. Trotzdem ist das für mich gerade so ein Endgegner. Ich muss auf jeden Fall mal einen richtig krassen Dance-Track schreiben und ich will einen heftigen Techno-Track schreiben, der alles wegf*ckt.
Gibt es gerade schon einen Song, bei dem du dich besonders auf die Live-Premiere freust?
Ja, alle eigentlich. Ich freue mich witzigerweise richtig krass auf »Spiegel«. Der Song wird live ganz anders klingen als auf der Platte, weil ich da noch so viele Ideen habe, den zu verlängern und richtig auszurasten. Aber ich mag das insgesamt eigentlich total gern, weil ich mach’s ja insgesamt nicht so, dass ich versuche, die Songs so zu spielen, wie sie auf der Platte sind, weil ich es nicht so mag, mit Playbacks zu arbeiten und vieles live gespielt nicht so funktionieren würde wie beim Produzieren. Das heißt, ich brauche einen ganz anderen Plan. Ich habe auch keine Streicher und keine Bläser dabei. Deswegen muss ich ganz neu überlegen, wie ich das arrangiere und das mag ich voll gerne, weil die Songs nochmal in ein ganz neues Gewand gepackt werden. Man muss sich überlegen, wie man die Essenz des Songs auf den Punkt bringen kann, ohne Sachen vom Band abspielen zu lassen.
Du meintest mal, wenn du ein Album veröffentlichst, ist das nächste meistens schon fertig – wie ist da der Stand?
Leider ist da noch nichts fertig (lacht). Seit ich Mutter bin, habe ich einfach nicht mehr so viel Zeit. Es ist ein ganz anderes Arbeiten. Ich habe nur einen Song bereits angefangen zu produzieren, aber das ist eigentlich noch kein Song. An sich habe ich schon genug Ideen zusammen für das nächste Album, ich bräuchte nur Zeit, um es zu produzieren. Und das schaffe ich einfach gerade nicht. Auch weil ich noch mit den Musikvideos zu tun hatte. Ich schneide ja meine Musikvideos alle selber und das dauert immer so lang.
Was ist eigentlich von den bisherigen Singles dein Lieblingsmusikvideo?
Ich glaube, das Boxvideo mit Mauli.
Das dachte ich mir schon fast, aber das in der Schule sah auch spaßig aus.
Ja, das war auch witzig. Es war aber auch ein Brainfuck, weil ich eine Woche lang nichts anderes gemacht habe, als den Song (»Ich weiss es nicht«) rückwärts zu üben. Das war schon hart.
Also kannst du ihn jetzt immer noch rückwärts?
Ja, ich kann den Song rückwärts singen und wenn man ihn vorwärts abspielt, hört man den richtigen Song.
Verrückt!
Es ist echt crazy, dass das funktioniert, aber es hat auch wirklich lang gedauert.
Du machst ja wirklich viele Sachen selber. Wenn du je eine Sache wählen müsstest, von allen Sachen, die für dich mit dem Künstlerdasein zusammenhängen, was macht dir am meisten Spaß und was findest du am nervigsten?
Die zweite Sache ist am einfachsten, aber nimm’s bitte nicht persönlich: Ich hasse Interviews! (Lacht) Das liegt gar nicht an den Menschen – ich treffe immer sehr nette Menschen – es ist nur ein sehr einseitiges Gespräch und ich gehe so schlau raus, wie ich reingegangen bin. Gleichzeitig muss ich auch ganz oft über persönliche Sachen nachdenken und das fühlt sich dann teilweise wie eine Therapiestunde an, was einfach anstrengend ist auf Dauer. Danach brauche ich immer viel Ruhe und kann mich nur noch aufs Sofa legen und vor mich hin vegetieren. Was ich dafür am meisten mag, ist einfach im Studio zu sein und in Jogginghose Musik zu produzieren. Ich liebe das einfach so sehr. Das macht mich so glücklich. Aber auch Sessions zu machen, Chor-Sessions oder Streicher-Sessions und Live zu spielen natürlich auch. Ich mag einfach diese ganze Abwechslung.