Die Alben des Monats: März 2023

Die Alben des Monats | April 2023

Der Frühling hat endlich Einzug gehalten und mit ihm eine Fülle an neuen Alben. Die Redaktion hat sich durch die Flut an Releases gehört und präsentiert euch die Highlights des Monats April.

Den Anfang macht $oho Bani mit seinem Mixtape »Träum $oho«. Auf dem Tape zeigt sich der Berliner gewohnt hedonistisch und in Feierlaune, aber lässt auch neue, vielseitigere Facetten von sich durchschimmern. Eli Preiss‘ neues Album »b.a.d.« ist ein mutiger Schritt in eine neue kreative Richtung. Auf ihrem zweiten Studioalbum zeigt die Künstlerin eine stärker ausgeprägte Melancholie und Sensibilität in ihrer Musik, während sie gleichzeitig ihre elektronischen Einflüsse beibehält. Das dritte Album, das es in unsere Auswahl geschafft hat, kommt von Kaas. Mit »Flügelschlag« veröffentlicht der Rapper aus Stuttgart endlich sein erstes Soloalbum über Chimperator. Damit haben nun alle vier Mitglieder der Orsons in den letzten vier Jahren ein eigenes Album veröffentlicht, was die Hoffnung auf ein gemeinsames Album der Avengers des Hyperpops weckt.

Erfahrt hier mehr über die Alben des Monats April.

$oho Bani – Träum $oho (M)

Album des Monats: $oho Bani - Träum $oho
Cover via $OHO BANI / Vertigo Berlin

$oho Bani‘s Albumdebüt »KIDS AUS DEM VERSTECK« ist erst vier Monate alt gewesen und hat gerade noch den Festivalsommer maßgeblich geprägt, da folgten im Herbst 2022 schon wieder die ersten $oho Singles. »OLYMPIA« oder das später releaste »MR. MEYER« haben bereits da eine eindeutige Richtung vorgegeben – es soll angeknüpft werden an die liveerprobten Songs wie »INZIDANCE« oder »PLACEBO«. Hauptsache, es geht dumm, wie Bani sagen würde.

Jetzt, wo das gänzlich von Ericson produzierte Tape draußen ist, zeigt sich: Ja, der Trend geht weiterhin in Richtung Abgehen, Hedonismus ausleben und Eskalation – aber es mogeln sich auch zwischendrin immer wieder Tracks unter, die andere Klänge anschlagen. »Pamela« bspw. ist mit seinem auf Jack Johnson oder Jason Mraz angelehnten Gitarrensample und geflöteten Passagen eigentlich eher untypisch im Sound, macht durch $ohos ganz eigene Weise Storys zu erzählen erstaunlich viel her. Auch der nachfolgende Track »KEIN SCHÖNES LIED« vermag $oho in einem ungewohnt zurückhaltenden Licht dastehen zu lassen, der selber einsieht, dass er einer nicht näher definierten Person mit seiner Lebensweise wohl keine malerische Zukunft bieten kann.

»NAPOLEON« dagegen steuert, wenn auch lyricstechnisch wieder gewohnter, eine ganz andere Richtung an: Auf 80’s Synthies, “weil sie das mag”, und mit einem Gitarrensolo zum Ende hin lässt sich der Berliner über all die Menschen aus, die sich auf bestimmten Substanzen größer fühlen, als sie es eigentlich sind. »VODOO«, Opener und die letzte Singleauskopplung des Tapes, beginnt dagegen mit einem Gitarrenpart, der auch aus der Feder der Red Hot Chili Peppers stammen könnte, gewinnt dann aber im Verlauf des Songs immer weiter an Fahrt. Zehn Flaschen seines Lieblingsgetränks, dem Remy Martin, tun ihr Übriges dafür, dass alle Protagonisten des Tracks Voodoo gehen. Auch der folgende Track gibt eine ganz klare Richtung vor: »TANZ BIST DU STIRBST« ist das Motto, das sich durch das ganze Tape zieht.

Deswegen entlässt er uns zum Ende des Tapes mit »TANZBEIN« und dem zugehörigen »schepper-edit«, der erneut klarstellt: $oho Bani wird auch die nächste Festivalsaison mit seinem Sound zu seiner eigenen machen. Ob Heroes, Pangea oder Frauenfeld – $oho wird da sein und alle werden es merken.

– Matthi Hilge

Mehr über $oho Bani:

Eli Preiss – b.a.d. (A)

Soundcheck: Eli Preiss - b.a.d. Cover
Cover via MOM I MADE IT REC

Eli Preiss fühlt sich bad.

Nach verspielten Ausflügen in Gaming-Metaphern und vermehrt sex-positiven und liebestrunkenen Songinhalten auf ihrem Debütalbum durchschreitet sie auf »b.a.d.« nun neue, teils wirklich bedrückende Phasen.

Vor allem »fern von mir« erweckt den Eindruck, dass »b.a.d.« als Aufwachen vom Rausch aus »LVL UP« verstanden werden kann. Zwar wird die Ekstase zuvor auf »wein in wien« (dem offensichtlichen Hit der Platte) nochmals aufgegriffen, das schafft aber erst die gewisse Fallhöhe, in Abgründe, deren Aufarbeitung sich das restliche Album widmet. Hier legt Eli den Fokus ganz deutlich auf die Rückbesinnung zur eigenen Mitte. Sie sucht und findet ihre Energie. Selbstwert und Empowerment werden an dieser Stelle, anders als die Songtitel des Albums, großgeschrieben. Und dass neben mühelosen Flow- und Melodieswitches nicht zuletzt Texte die absolut keinen F*ck geben Elis große Stärke sind, sollte mittlerweile bekannt sein. Das Paradebeispiel hierfür ist wohl »uff, nein« mit Donna Savage, deren Part sich wie maßgeschneidert ins Albumkonzept einfügt.

Make-up clean, Seele dirty, hab’ schon viel gesehen/ Du bist flirty, aber uff, nein, ich hab’ keine Zeit für Boys

Eli Preiss auf »uff, nein«

Gleichzeitig gibt die Wienerin aber auch neue, tiefere Einblicke in ihre Seelenwelt. Emotional passiert auf dem Tape eine ganze Menge. Doch egal ob Flex oder Zweifel, Aufbegehren oder Reflektieren – alle Facetten werden mit unverkennbarer Eli-Attitüde getragen, was »b.a.d.« im Zwiespalt aus Schwäche und Power schlussendlich seinen roten Faden verleiht.

Eli Preiss bringt ihre Emotionen auf den Tisch, verarbeitet, was sie umtreibt und bewegt sich dabei musikalisch völlig frei im düsteren Raum minimalistischer Instrumentals.

– Magnus Menzer

Mehr über Eli Preiss:

Kaas – Flügelschlag (A)

Album des Monats: Kaas - Flügelschlag
Cover via Chimperator

“Meinem Vater Janusz Michalczy gewidmet” steht auf dem Inlay von Kaas seinem neuen Album »Flügelschlag«. Sein drittes Studioalbum ist das erste nach dem Tod seines Vaters. Wie es sich anhört, ein solches Ereignis zu bewältigen, davon hat jede*r ihre/seine eigene Vorstellung. Kaas selbst natürlich auch. Wer den Künstler kennt, weiß um seine Art. In seiner Präsenz und Performance eher etwas lauter und außergewöhnlicher – textlich sehr bildhaft und bunt.

Die Song-Palette des Albums reicht von “Mach den Club kaputt/ mach den Club kap-” bis zu “Ich begreife, alles was ich brauch’ ist hier/ Glücksgefühle explodieren“.

Der Leitfaden des Ganzen ist klar. Doch natürlich gibt es auch Lieder darauf, die nicht unter das Thema der Trauerbewältigung fallen und von anderen Erlebnissen aus Kaas’ Leben erzählen. Wie zum Beispiel »ICH HASS MEIN JOB«. Hier wollte der Stuttgarter einen Track bauen, der das Kriterium “Ein Song der mich auf dem Weg zur Arbeit pusht” erfüllt. Das Lied dröhnt wie die S-Bahn, in der man zur Arbeit fährt. Der Rapper brüllt “Ich hass mein’ Job/ Oh mein Gott hab ich kein bock” und spricht damit das aus, was wohl jeder schon mal gefühlt hat.

So hält es sich auch mit dem Album. Mit jedem der 13 Lieder kann man auf die eine oder andere Art relaten und sympathisieren. Flügelschlag ist eingepackt in eine vielfältige und moderne Produktion, deren Herz neben Kaas auch Kemelion ist. Grime-808’s, sanfte Klavierschläge und Latino-Drums finden sich auf dem Album wieder. Alles, was der jeweiligen Stimmung dient, wird benutzt. Zusammengenäht werden die einzelnen Lieder durch Übergänge. Bei »WITCHER« schwingen die Worte “sag jetzt nichts” zum Ende hin aus, nur um in genau diesem Song zu münden: »SAG JETZT NICHTS«, an dessen Ende wiederum eine Radiostimme den Song abmoderiert.

In der Findungsphase zum Cover erklärt Kaas auf Instagram, dass er in einem Buch gelesen habe, das sich jeder Mensch ein Symbol suchen sollte, welches ihn an die Wunder und Unendlichkeit des Universums erinnert. Er wählte die Spatzen. Diese schafften es in Form von einem Flügelgebilde auf das Cover und stehen gleichzeitig sinnbildlich für die Engelsflügel seines Vaters. Thronend und drohend schweben sie über Kaas. Das düstere, von Andreas Marshall illustrierte Cover ist das Centerpiece des gesamten Projekts und ist eine Verbildlichung von »CRY ME A MAYBACH«. Es zeigt den Moment in Kaas’ Leben, bevor er in seinen Maybach einsteigt um zu seinem Vater zu fahren. Der Moment bevor sich alles ändert. Die fahrt in ein neues Leben.
Diesen und viele andere Momente aus machen das Album multiplex, persönlich und einzigartig.

– Tim Mahler