Soundcheck: BIBIZA - Wiener Schickeria
Foto via Amine Sabeur

Von »LVL UP« zu »b.a.d.« – Eli Preiss’ künstlerischer Neustart in blau

Exakt 315 Tage nach Eli Preiss’ (hier in unserem Interview) erstem Album »LVL UP« erschien am 21.4.2023 mit »b.a.d.« ihr zweites Studioalbum. In dieser kurzen Zeit macht sich ein facettenreicher Umbruch der Künstlerperson Eli Preiss bemerkbar. Die Großbuchstaben aus »LVL UP« weichen den Kleinbuchstaben auf »b.a.d.«, ihre Haare sind nun dunkelrot statt bisher blond und die farbliche Stimmung des Albumcovers hat sich ebenfalls geändert. Auf das knallig rote Cover folgt nun ein kühles Blau. Damit ihren neuen Sound zu versinnbildlichen ist gar nicht so abwegig. Denn das Projekt ist sensibler, distanzierter und melancholischer.

Von Vorne

Soundcheck: Eli Preiss - b.a.d. Cover
Cover via MOM I MADE IT REC

Die ersten Anzeichen von Eli Preiss‘ Weiterentwicklung: die erste Single-Auskopplung »wein in wien«. Das elegant betitelte Musikstück schreit zwar nicht ”NEUSTART”, ist aber mehr foreshadowing als man beim ersten Hören vermuten möchte. Dunkel wabernde Synthesizer, treibender Drum ‘n’ Bass und die erstmals leicht rötlichen Haare aus dem dazugehörigen Musikvideo lassen schon am 25. November mit einer sich im Umbruch befindenden Eli rechnen.

Du weißt, ich bin verrückt/
Nimm meine Hand, bring’ dich weg, wenn der Alltag drückt

wein in wien

Auch der Text macht ein für sie neues Fass auf. Er handelt von der Zuflucht in Ekstase. Zwei Gestalten tanzen durch die Nacht, trinken Alkohol, rauchen Weed, haben Spaß in ihrer Verdrängung. Eine Vorstufe der Erkenntnis könnte man vermuten, denn was dann folgt ist »flackerndes licht«.

Ich war doch nur naiv und vertieft in Momente/
Jetzt werd’ ich dafür brennen

flackerndes licht

Lauernd nähert sich der flimmernde Beat. Sie reflektiert, bereut und ist unruhig. Interpretationsspielraum inklusive. Adressiert sie hier eine verflossene Liebe? Oder ihr Gewissen? Der dazugehörige Visualizer steht dem Lied in Sachen Mystik in nichts nach. In den auf Island aufgenommenen Drohnenshots steht sie mit nun erstmals dunkelroten Haaren, Stärke ausstrahlend im Sonnenuntergang. Zack, Bumm. Spätestens hier merkt auch der*die Letzte: »b.a.d.« wird anders.

Zwei Wochen vor Veröffentlichung

Mit der dritten Vorab-Single »was ist der prei$$« läutete die Österreicherin die letzten Meter vor Veröffentlichung ihres Albums ein. Ein düsterer Vorbote mit schlechten Neuigkeiten und gutem Sound.

Habgier, Wolllust blenden unseren Weg/
aber Hauptsache wir sehn’ dabei gut aus

was ist der prei$$

In Memento-Mori-Manier prangert sie die Konsumgesellschaft an. Die Künstlerin fühlt den von Geld verursachten Schmerz, aber ist sich auch bewusst, dass sie mit Schmerz Geld macht. Matt Mendo liefert dazu einen schaurig dröhnenden Beat mit vielen Breaks und Kunstpausen um den Zeilen Elis mehr Raum zu geben.

Happy Release Day

Endlich ist der 21.4. da. »b.a.d.« erscheint über Nacht auf allen Streaming-Plattformen. »bewusstseinsaufbauende downs« eröffnet und überrascht tatsächlich nochmal auf musikalischer Ebene. Der Track, der dem Album seinen Namen gibt, erzeugt durch jazzige Klaviereinspielungen Matt Mendos eine Atmosphäre, die an Tyler, the Creator erinnert. Zuerst flüsternd, dann sanft singend, bereitet Preiss mit einem vorerst letzten Kuss die Hörenden auf das Folgende vor.

Verwirrt/
Verweint, ja/
Nicht hier/
Will nicht hier sein

Eli Preiss – bewusstseinsaufbauende downs

Dann der Übergang so behutsam wie hart in den bereits bekannten Song »was ist der prei$$«. Ab diesem Moment heißt es Abfahrt in die Untiefen ihrer Gedanken. Man merkt ihr durchgehend eine gesunde, aber schmerzhafte Distanz zu verletzenden Themen an. Sie tastet sich, auf der Suche nach Orientierung, zwischen dem Nebel der Clubs und Drogen hindurch und findet sie in einzelnen Personen wieder. Songs wie »konzentrier dich«, »gazelle« und »für ihm er« sind kleine Inseln, auf die sie sich flüchten möchte. Zu zweit allein, weg von all dem.

Fick auf die Party, Babe/
Hier suchen alle nur das/
Suchen alle nur das, was wir schon haben, Babe

Eli Preiss – konzentrier dich

Das gesamte Projekt wird von düsteren Club-Vibes begleitet. Stimmung und Mood von Elis Texte werden musikalisch aufgegriffen und widergespiegelt. Synthesizer aus verschiedenen Epochen gemischt mit tiefer gepitchten Klängen, mal schnellen, mal langsamen Hip-Hop- und Trap-Elementen und Breakbeats. Ein modernes Techno/Rap-Beat Crossover mit ihrem unverkennbaren R&B-Gesang erzeugen einen ganz eigenen Kosmos. Und das obwohl sechs unterschiedliche Producer*innen mitwirken. Viele Köche verderben also nicht immer den Brei. Matt Mendo, 2woEazy, prod.suki, Sirin, Tschickgott und Melik verschmelzen mit und unter der Regie von Eli Preiss zu einem einheitlichen Sound. Das muss man erst mal nachmachen. Dies wird von der Musikerin honoriert, indem sie die Producer*innen als vollwertige Artists direkt neben ihrem Namen auf Spotify und Co. listet. Ein viel zu seltener Move im deutschen Hip-Hop.

Selbstbestimmtheit und Orientierungslosigkeit

Zwar hat die Wienerin mit vielen Leuten am Album gearbeitet, Vocal-Features hat sie allerdings kaum. Das könnte auch an der Intimität des Album liegen. Einzig DONNA SAVAGE bekommt auf dem angriffslustigen Feministen-Track »uff, nein« einen Part zur Verfügung. Das Lied verkörpert die Attitude starker, selbstbestimmter Frauen. Mit Wortspielen, interessanten Flows und Disses hier und da bilden die beiden Wienerinnen ein Pendant zu ihren männlichen Kollegen.

Dein Hype, ist mir egal Alder/
sag deim’ Management die Zahlen sind nix wert wenn du klingst wie mein Fuß/
Hab keine Zeit, leb nur ein mal Alder/
Jungs wollen meine Jugend und mein Nerv, ich sag gib’ lieber meiner ”ah” einen Kuss

Eli Preiss – uff, nein (feat. DONNA SAVAGE)

Jeder Song bietet den Hörer*innen ein Highlight, für jeden ist etwas dabei. »gen z« bietet gleich einer ganzen Generation relatable Topics. Die namensgebende Altersgruppe bekommt ordentlich was zu verdauen und kriegt Begriffe wie unzufrieden, unzurechnungsfähig oder unzuverlässig um die Ohren gehauen. Auf den tanzbaren Technobeat, der nicht passender für Gen-Z sein könnte, bringt sie die Orientierungslosigkeit einer ganzen Generation auf den Punkt.

Aus Schmerz wurde Kunst

Auch wenn »b.a.d.« eher dunkel daher kommt, ist es ein strahlendes Projekt. Musikalisch hat sie sich in ein bisher unerforschtes Terrain aus R&B, Techno, Breakbeats und Hip-Hop vorgewagt und am immer weiter wachsenden Baum der deutschen Musiklandschaft einen neuen Zweig sprießen lassen.
Doch vor allem persönlich hat sie Riesenschritte gemacht. Der ehrliche Umgang mit Themen, die sie abfucken und verletzen, macht Mut sich nicht diesem Sumpf hinzugeben. Denn trotz all der belastenden Themen kommt nicht das Gefühl auf, dass sie sich darin verloren hat. Vielmehr bewahrt sie durch diese Liedersammlung ein Stück Realität um klar zu bleiben.

Genau wie Picasso durch seine blaue Periode ging um zur Rosa Periode zu finden, geht Eli Preiss mit »b.a.d.« durch eine ähnlich melancholische Phase um am Ende stärker, reifer und besser daraus hervorzutreten. Aus Schmerz wurde Kunst.

Tracklist: Eli Preis – b.a.d.

01. bewusstseinsaufbauende downs (mit Matt Mendo)
02. was ist der prei$$ (mit Matt Mendo)
03. konzentrier dich (mit 2woEazy)
04. wein in wien (mit prod.suki)
05. uff, nein (mit prod.suki, feat. DONNA SAVAGE)
06. fern von mir (mit Matt Mendo & Sirin)
07. gen z (mit Tschickgott)
08. phasen (mit Tschickgott)
09. gazelle (mit Tschickgott)
10. bad bitchez (mit Melik)
11. für ihm er (mit Tschickgott)
12. flackerndes licht (mit Melik & Tschickgott)