Stadt ist heiß, Strand ist heiß, „Club ist heiß – die Inzidenz” scheint gerade keinen mehr zu interessieren und da kommt das neue $oho Bani Album wie bestellt zur richtigen Zeit. Während hierzulande die ersten Vorgeschmäcker der kommenden Klimakatastrophe spürbar werden, liefert der Rapper aus Berlin-Rehberge noch den Funken Extra-Hitze für Sommerplaylists und Live-Shows.
Auf elf Tracks lockt $oho Bani uns in eisige Winternächte und endlose Sommertage seiner Heimat – nach Berlin, ins Versteck. »KIDS AUS DEM VERSTECK« erzählt von »IDEE« bis »HAPPY END« die Erfolgsgeschichte des Berliner New-Wave-Stars, der mit 17 Jahren Rapper werden wollte und sich nun 5 Jahre später so zuverlässig und routiniert an verschiedensten Sounds ausprobiert, wie kaum ein anderer in Deutschland. Wummernde Techno-Bässe treffen verspielte Eurodance-Synthies, auf rotzige Riffs folgen locker gezupfte Melodien und auf sonnig-warme Pad-Sounds werden abgelöst von der düsteren Kälte berliner Raves. Wo Singles wie »VIRAL« oder »KIDS« ansetzten, spinnen »TRÄUME GROß« und »ICH WAR« seine musikalische Entwicklung nahtlos weiter. Eine Entwicklung der stets anzuhören war, dass $oho vor allem das macht, worauf er Lust hat und von einer scheinbar nimmermüden Kreativität getrieben Freitag für Freitag mit Überraschungen aufwarten kann.
Er schafft es, seinen Sound weder dem bloßen Erfolg noch den Ansprüchen der Day-Ones anzupassen, die sich den “alten $oho” zurückwünschen. Auf dem »SOHO SAM INTERLUDE« widmet er im Duett mit seinem Toursupport Sampagne dieser Attitude einige Zeilen mit viel Verachtung für die deutsche Rapszene.
Und Sam, ich sag’: „Deutsche Mukke, Dicka, ja, ich schäme mich“
Sie zeigen unsre Songs und sagen: „Bitte mach was ähnliches“ Wir und Die, Dicka, die Unterschiede wesentlich
$oho und Sampagne auf $oho und Sam Interlude
Dieser künstlerischen Eigensinnigkeit ist es zu verdanken, dass seine Musik das Rohe, Unverfälschte nicht verliert, das ihn seit Beginn seiner Karriere ausmacht und gleichzeitig in jeder Facette authentisch wirken lässt.
Da wäre beispielsweise »leise« zu nennen, auf dem der Berliner plötzlich begleitet von Longus Mongus und einer Ukulele seichte Lagerfeuermelodien anschlug – ein paar Singles später gefolgt von »INZIDANCE«, dem ultimativen Club-Banger. Der neben freshen Dancemoves und ambivalenten Statements zu chemischen Drogen übrigens auch mit der Information daher kam, dass alle Musikvideo-Einnahmen an den Corona-Nothilfe-Fonds der Berliner Charité gespendet werden würden. Denn bei aller Verantwortungslosigkeit in Exzess und Partynächten weiß $oho noch immer an den wichtigen Stellen authentisch und ungezwungen seiner Verantwortung gerecht zu werden.
Beispielhaft dafür ist »Twilight«, der wohl politischste Track der neuen Platte. Hier macht $oho den klischeehaften Investor, der sein Viertel für Profit gentrifizieren möchte, zum blutsaugenden Vampir – eine Analogie die nicht nur treffsicher das Problem verbildlicht sondern auch sehr gut ins generelle Motiv des Albums passt. Dracula gegenüber stehen nämlich die »KIDS aus dem Versteck«, sinnbildlich für eine Generation aus Großstadtkindern, die das Umfeld in dem sie aufgewachsen sind bedroht sehen. Die Stadt und die KIDS sind dem Vampir zu laut, doch indem er sie verstummen lässt, saugt er alles Leben heraus.
Konflikte wie diese scheinen spätestens seit »Nicht genug« zu $oho Banis Paradedisziplin geworden zu sein. Wie kein zweiter versteht er es, Sprachrohr seiner Generation zu sein und musikalisch wie textlich ein Einheitsgefühl zu erschaffen, das die Kraft eben jener KIDS bündelt, die nur gehört werden wollen, aber dafür zu laut sind.
Denn KIDS suchen Glück, Kid Cudi
$oho Bani auf KIDS
KIDS mit Zukunftsängsten, die sich auf der Flucht vor Vampiren in Raves flüchten und aufbegehren gegen Eltern, Staat und Polizei, gegen veraltete Denkstrukturen und gierige Investoren. Nur ein fader Beigeschmack mag dabei nicht recht verblassen. So progressiv sein Sound, so positiv seine Entwicklung sein mag, im Frauenbild seiner Texte hat sich ganz offensichtlich noch nicht genug getan. Denn wenngleich $OHO so einiges zurecht anprangert oder hinter sich vereint, meint er als KIDS am Ende doch zumeist eher die “Jungs”, wohingegen Frauen Platz finden in Zeilen wie “B*tch tanz”(»INZIDANCE«), “meine Zeit ist teuer, B*tch entschädige mein’ Aufwand”(»WELLEN«) oder “ich will sie **** und mehr nicht”(»VIRAL«). Mehr nicht.
Definitiv ist in der sinkenden Häufigkeit solcher Lines und und gerade im Vergleich zu älteren Songs eine Verbesserung zu erkennen und doch scheint er Geschlechterrollen noch immer in Mustern zu denken, die er auf zukünftigen Releases hoffentlich (endlich) gänzlich ablegen kann. (Verweise auf seinen Konsum chemischer Drogen hat er sich schließlich auf diesem Projekt (konträr zu früheren) auch vollständig gespart.)
Alles in allem hat $oho Banis Musik definitiv das Potenzial einiges zu bewegen. Egal ob es nun ein Publikum in Ekstase oder die deutsche (Rap-)Musiklandschaft ist. Wer bereits auf einem seiner Konzerte war, wird ersteres mehr als bestätigen können – wer das Geschehen im deutschen Rap der vergangenen und kommenden Jahre verfolgt, mit Sicherheit auch seinen musikalischen Einfluss auf letztgenannte. Doch der größte Mehrwert liegt schlussendlich darin, wie er den Nerv der Zeit und die Stimme einer Generation trifft.
Genau das ist es, worauf man nach einem ausufernden, exzessiven wie intensiven Festivalsommer voller Vorfreude eine Flasche Rémy Martin köpfen darf: Weitere $oho Bani Projekte, die unverwechselbar und vor allem Anti bleiben.