Spotlight: DK.Dando
Foto via @flexpeters

Dk.dando – Jugendstil aus Klein Paris 

Dk.dando aus Leipzig schaffen, woran viele Künstler*innen sich gar nicht erst versuchen oder scheitern. Sie bleiben ehrlich, authentisch und ungezwungen kritisch in der Auseinandersetzung mit ihrer ostdeutschen Herkunft. Darüber hinaus verpacken sie ihre Inhalte in einem ansprechend ungeschliffenem Untergrund-Soundbild.

Einen Dk.dando-Track als solchen zu identifizieren dauert nicht lange. Schon die ersten Klänge eines zurückhaltenden und doch atmosphärischen Melodie-Samples wären als Indiz beinahe ausreichend. Kommt nach wenigen Takten dann ein minimalistischer und dennoch drückender Drum-Loop hinzu, beginnt der Kopf schon zu nicken und spätestens mit dem Stimmeinsatz ist die Sache klar.

Produktion und Harmonie

Der Wiedererkennungswert ihres Sounds ist immens. Nicht nur wegen der textlichen Besonderheiten (auf die später noch eingegangen werden soll), sondern auch weil Dk.dando ein eingespieltes Duo mit jahrelanger geteilter Erfahrung und unverfälschter Freude am eigenen Handwerk ist.

Seit sie 19 sind, bilden die beiden Leipziger eine klassische Formation aus Produzent (D.K.denz) und Rapper (Ritter Dando).

Die meist düsteren Produktionen von D.K.denz koppeln hypnotische Ambient-Klänge an modern interpretierten Boom-Bap. So entstehen einnehmende, knisternde Beats mit großem Lo-Fi-Charme, deren atmosphärestiftende Präsenz erst auffällt, wenn man explizit darauf achtet. Denn erstens drängen sich die Instrumentals nie in den Vordergrund und zweitens bieten die darüber performten Texte stetig genug Ablenkung. Dando rappt nämlich, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Was er sagt, plätschert nie einfach nur als bloße Füllmasse daher. Seine druckvolle Betonung und der wiederkehrende Einsatz bestimmter Stilmittel erschaffen beim Hören eine konstante Erwartungshaltung nach neuen Highlights. Punchlines, Wortwitze, Vergleiche und eingewobene Floskeln sorgen regelmäßig für Lacher oder Schmunzler. Die thematischen Schwerpunkte sind Fußball und der regionale Bezug zu Leipzig samt Umland (»Kolonnaden«). 

Mein Trainer sagte: Sauf so, dass du morgen wieder laufen kannst. Mit Tinnitus im Minibus nach Morgenröthe-Rautenkranz.

Dk.dando – »Schwimmstadion«

Identifikation und Glaubwürdigkeit

An dieser Stelle muss der Text ungewohnt persönlich werden. Denn wenn man nun, wie ich, seit der Kindheit Fußball spielt, in Sachsen aufgewachsen und zum Studium ausgerechnet nach Leipzig gezogen ist, kommt die Begeisterung über Zeilen wie diese selbstverständlich nicht von ungefähr. Auch ohne Kreisligasozialisierung und ostdeutsche Herkunft kann man Freude am authentischen Sound der beiden Leipziger haben, aber der Gänsehautfaktor steigt ungemein, je mehr man sich mit dem Gesagten identifizieren kann.

Als Kind Ostdeutschlands ist es nicht unbedingt leicht, musikalische Identifikationspunkte zu finden, die den eigenen Bezug zur Heimat glaubhaft repräsentieren. Zu oft wird die Opferrolle ausgeschlachtet, sich mit lächerlich überzogenem Lokalpatriotismus auf unangenehmste Art und Weise abgegrenzt oder bewusste Distanz zur eigenen Herkunft gewahrt. 

Bei Dk.dando ist das anders. Das sind zwei Jungs Mitte 20, die in Leipzig geboren und aufgewachsen sind, im Privaten ihrer Arbeit nachgehen und ohne große Allüren hin und wieder Musik veröffentlichen, weil sie Lust darauf haben. Wenn Dando dann hier und da seinen Dialekt einfließen lässt, geschieht das sicher bewusst, aber nicht, um für ein paar fremde Lacher einem Stereotyp zu entsprechen oder irgendeinen Gesinnungskampf zu führen, sondern weil es tatsächlich Teil seiner Identität ist.

Wer Deutschland nicht liebt, hat Sachsen gesehen. Kommt drauf an, ich war mit hundert Litern Schnaps unterwegs. (…) Die Träume die ich leb’, hat der im neunten Stock doch och gehabt. Jedes zweite Kindeskind im Plattenbau ist hochbegabt.

Dk.dando – »Kurz vor Ohnewitz«

Bei Dk.dando steht der sächsische Sprachgebrauch in einem ganz anderen Kontext als in der gängigen Wahrnehmung der breiten Öffentlichkeit. Er erfährt keine krampfhaft alberne Überspitzung, sondern wird geschickt eingesetzt und authentisch verkörpert. Man merkt, dass Dando weiß, wovon er rappt. Wer die gleiche Sozialisierung teilt, kann sich beim Hören leicht darin wiedererkennen, verstanden fühlen oder auch über das Gesagte amüsieren. Dadurch erzielen die eingebauten Vokabeln, Redewendungen oder Betonungen eine ganz natürliche identitätsstiftende Wirkung.

Ebenso verhält es sich mit den getätigten Beobachtungen. Ohne plakativ zu werden, verpackt Dando Kritik an den rechten Parolen der eigenen Nachbarn (»Telefon im Spind«) ebenso wie Verdruss über die von fremden Investoren befeuerte Gentrifizierung (»Lindex«). Zwischen den verschiedenen Echokammern seiner Stadt, den Eigenheiten einzelner Bezirke und dem latenten Kontrast aus Stillstand und rasender Veränderung bleibt Dando sich selber treu. Er inszeniert sich nicht in einer aufgesetzten Rolle, sondern tritt lediglich als kritischer Beobachter auf, der sich seiner sozialen Eingebundenheit bewusst ist und nie den Humor verliert.

Keine Lust auf Hits zu denen du tanzen wirst. Bin irgendein Franz aus dem rassistischen Randbezirk.

Dk.dando – »Bürgerpflicht«

Das Abbild von Leipzig und „dem Osten”, das in Dk.dando-Songs gezeichnet wird, ist schließlich deshalb so präzise und authentisch, weil es versöhnlich ist, ohne Augenwischerei zu betreiben.

Passend dazu fahren die beiden im jüngsten Musikvideo zu »Weinbandpralinen« gemeinsam mit Featuregast Azudemsk durch typische Leipziger Randbezirke. Der Himmel ist dabei so blau, die Blätter so grün und die Sonne so hell, dass die eigentlich eintönige Wohngegend in schönstes Licht gerückt ist und man beim Zuschauen selber entscheiden muss, ob das nun Plattenbau-Tristesse oder Plattenbau-Charme ist und ob das gezeigte DDR-Interieur als behaglich oder deprimierend verstanden werden will.

Und wenn es in der Hook schließlich „als Zeichen der Liebe (…) für Sabine” wieder nur „7 kleine Weinbrandpralinen” statt einer ersehnten Urlaubsreise gibt, ist das weder eine Romantisierung der Situation noch Wehleidigkeit, sondern schlichtweg ein realistisches Abbild davon, wie sich mit gewissen Lebensumständen arrangiert wird.

Neues Album und Releasekonzert

Das neue Album »Jugendstil« hält noch weitere solcher Bilder, viele treffende Beobachtungen und unterhaltsame Lines parat. Neben AzudemSK gibt sich mit doz9 auch eine weitere Leipziger Rap-Ikone die Ehre. Dk.dando präsentieren sich ausgereifter und vielfältiger als zuvor und liefern vor allem zum Ende der Platte wieder echte Gänsehautmomente. Manchmal auch ganz wholesome:

Gibt es kein’ Applaus, versuch’ es da draußen mal mit was Gutem und geh’ mit nem Zwanni zu Blume2000 und dann zu Mama. Frag’ sie, wie bei ihr das Wetter war, wie’s ihr generell so geht. Ich hab dich lieb et cetera.

Dk.dando – »10 Jahre Reagan«

Wer jetzt schon oder nach dem Reinhören auf den Geschmack gekommen ist, kann die Jungs noch an diesem Freitag, dem 20.10., im Leipziger Conne Island auf ihrem Releasekonzert live erleben!