„Aggression und Bildung schließen sich auf keinsten aus“. Was Pöbel MC schon 2020 auf seinem Song »Patchworkwendekids« anpreist, verdeutlicht der Wahlberliner auch auf seiner nagelneuen EP »Backpfeife auf Endlosschleife«. Das 7-gliedrige Projekt bildet die namentliche Fortsetzung seines ersten Tapes und besticht erwartungsgemäß durch die selbstverständliche Fusion von druckvoll eingerappten Punchlines und schnörkellosen politischen Aufklärungsversuchen.
Pöbel MC taucht 2015 im Dunstkreis der Rapcrew Waving The Guns auf, deren Debütalbum »Totschlagargument« er prompt mit zwei Featureparts versieht. Ihre Herkunftsstadt Rostock vereint ihn mit der vierköpfigen Clique, die schon damals auf Pöbels späterem Label Audiolith gesignt ist.
Sein erstes eigenes Tape ist im Folgenden schnell produziert und erblickt schon im Folgejahr das Licht der Welt. Auf »Backpfeife auf Dauerschleife« verteilt “Der Pöbler” 15 Minuten lang lyrische Schellen an die Rapszene und eine „Welt […] voller Opfer“. Beim Hören seiner ersten Veröffentlichung fällt Battlerap-Fans direkt auf, dass der Emcee bei seinen stramm durchgeflowten Punchlines auf jegliche Art der Diskriminierung verzichtet und sich dies auch auf die Fahne schreibt. Dieser markante Unterschied zwischen ihm und einem Großteil der restlichen Szene ist dabei allerdings keine Folge von zwanghaften Bemühungen um politische Korrektheit. „Jeder labert gern mal Kacke, aber es wird niemals passieren, dass ich solchen Dreck auf Tracks packe“, heißt es schon im ersten Song seines Debütreleases.
Zwei Jahre und ein Mixtape später verbündet sich Pöbel MC mit Milli Dance, einer der Stimmen hinter Waving The Guns, für das Kollabo-Album »Soli-Inkasso«. Die Concious-Rapper harmonieren style-technisch sowie inhaltlich und reißen dementsprechend auch bei gemeinsamen Liveshows ab. „Für manche zu prollig, für viele zu politisch“, lautet es schon im Intro ihrer Platte, womit sie den Nagel auf den Kopf treffen.
Pöbel MC macht, ob allein oder im Tagteam, atzigen Boombap-Rap auf deftigen Beats. Dabei finden neben belustigenden Punchlines auch mehr oder weniger offensichtliche politische Statements ihren Platz, wenn Pöbel die Toleranz gegenüber Rechts, normalisierten Sexismus oder das bloße Konzept des Kapitalismus ins Fadenkreuz nimmt.
Vor seinem ersten Soloalbum schiebt der Pöbler im Weiteren das »Pöbel Sports Tape« ein, um seine Hörerschaft bestens auf sein ganz eigenes LP-Debüt vorzubereiten. »Bildungsbürgerprolls« überzeugt im Frühjahr 2020 die Szeneinternen und erweitert gleichermaßen Pöbels Anhang. Erstmals lässt er dabei auch in sein Inneres blicken und berichtet über seine Jugend, wobei die ihm widerfahrene Patchwork-Sozialisierung im Rostock der Nachwendezeit genug Raum für Vertiefung bietet.
Musikalisch bleibt sich Pöbel MC bis hierhin immer treu. Boom-Bap Beats, reihenweise Flowwechsel und eine konsequente Delivery zeichnen seinen Sound aus und scheinen die Verlässlichkeit seines musikalischen Schaffens zu sein. Grund genug für ihn sich unter dem Alias Multilingual Mike anderweitig auszuleben. Zusammen mit einem seiner Stammproduzenten Dj Flexscheibe bringt er noch im Jahr seines Pöbel MC-Debütalbums die EP »Nass vom Bass« raus. Auf dieser versieht Multilingual Mike russische Hardbass-Beats mit deutschen, englischen sowie spanischen Lyrics und liefert damit einen ganz neuen Sound für die heimischen Dancefloors.
Nach der Rückbesinnung zu Pöbel droppt der Emcee weitere EPs. Nach »Stress & Raugln« im Jahr 2021 folgt vergangenen Freitag schlussendlich das aktuellste Release in Form von »Backpfeife auf Endlosschleife«. Die Namensgebung, die eine Fortsetzung des Debüttapes vermuten lässt, täuscht nicht, denn der Pöbler pöbelt weiter. Der MC hat in Querdenkern, toxischer Männlichkeit und „volkswagenfahrenden Scheinalternativen“ neue Ziele für seine wohlformulierten Verbalattacken gefunden und platziert diese gewohnt gekonnt in einer Reihe abwechslungsreicher Kopfnickertracks. Unbedingt abchecken!