Cleo Sol bringt auf »Heaven« Ungläubige zum Staunen

Cleopatra Zvezdana Nikolic, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Cleo Sol gilt in UK schon lange als Geheimtipp von Topartists wie Stormzy oder Adele. Wie immer dauert es nur etwas länger, bis das Flüstern dann auch über den Kanal gelangt. Artists wie Little Simz haben das Geflüster schon vor uns allen gehört. Sol hat auch intensiv an Simz letzten Album »NO THANK YOU«  mitgearbeitet. Letzte Woche erschien ihr drittes Studioalbum »Heaven«, welches dem Titel absolut gerecht wird und ein wahrlich himmlisches Erlebnis für die Ohren ist. 

HEAVENLY MOTHER

Das Cleo Sol trotz ihrer berühmten Fans eher ein Untergrundtipp ist, liegt zum Teil auch an der Künstlerin selber. Cleopatra ist niemand, die sich selbst groß auf Instagram & Co in Szene stellt. Vielmehr lässt sie ihre Werke meist für sich selbst sprechen und sich damit umso sympathischer und mystischer wirken. Das letzte Album »Mother«, erschienen 2021, ist ein ergreifendes Werk, auf dem sich Cleo intensiv mit dem Mutterwerden auseinandersetzt. Quasi eine emotionale Studie zum Muttersein. Es gibt selten Alben, die einen so tief berühren, auch wenn die Thematik womöglich nicht einmal zum eigenen Lebensabschnitt passt. Wer noch an Cleo Sols Superkraft zweifelt, sollte sich anschauen wie tief Stormzy den Track »Don’t Let Me Fall« fühlt. Bei seinem Cover Shooting für das i-D Magazine wurde der Track laut gespielt und die Emotionen könnten die eigenen sein.

Spannend ist aber auch, dass Cleo Sol niemals versucht ein Mainstream Hit-Album zu machen. Es sind keine großen Radio Banger oder leichte Pop-Hymnen auf dem Album zu finden. Vielmehr erwarten einen ruhige aber raffinierte Beats, produziert von ihrem Langzeitproduzenten und Partner Inflo. Inflo ist schon Geheimwaffe von Künstler*innen wie Adele, Little Simz und Michael Kiwanuka gewesen – oftmals unterstützt von Cleo Sol. Irgendwo zwischen Jazz, Soul, R&B und weiteren Einflüssen geht ein Stern in Form von Sols Stimme auf.

Nun aber zum neuen Werk »Heaven«.

YOU WILL FIND YOU POWER LITTLE BIRD, WAIT

Die ersten Lieder erfüllen direkt die tiefe Sehnsucht, die wir seit »Mother« in uns tragen. Inflo zaubert hier wieder sehr ruhige Beats, denen es dennoch nicht an Tiefe fehlt. Als wenn man zufällig nachts an einem Studio vorbeigeht, in dem alteingesessenen Musiker*innen am Jammen sind.

»Self« eröffnet das Album, jazziges Piano trifft auf einen tiefen Bass und leichtes Rhythmus-Schlagzeug. Cleo Sol’s Stimme ist zugleich unglaublich zart und verliert sich trotzdem nicht zwischen den Instrumenten. Es wird eine hypnotische Harmonie erschaffen, auf die man sich voll und ganz einlassen sollte und es wird direkt klar: dies ist kein Album zum Nebenbeihören. Klar zu hören ist hier auch der Einfluss von Sault, dem Künstlerkollektiv von Inflo, dem auch Cleo Sol angehört.


Die nächsten beiden Songs sind nicht weniger intensiv. »Airplane« hat fast schon einen Country-Vibe. Beim Hören wünscht man sich fast unter klarem Sternenhimmel am offenen Feuer zu sitzen oder sich wenigstens mitsamt Plattenspieler an den Kamin kuscheln zu können. In dem Song singt Cleo Sol von der Wiederfindung der eigenen Stärke. Durch den Glauben an Gott, aber vor allem auch durch den Glauben an einen selbst. Themen, die wie ein roter Faden durch das ganze Album führen. Selbst für Nichtgläubige (wie mich selber) ist es aber kein Klischee-Album.

Cleo Sol predigt nicht. Beim Hören bekommen wir einen Einblick in ihren eigenen Glauben, über allem steht die Liebe an sich. Es geht um die eigene, innere Stärke. Cleo Sol beschreibt es auf Instagram (einem von drei aktuellen Posts, alle zum Album) selbst am besten: “I pour my heart and soul into the music and it is very sacred to me, we don’t play with music, it is a gift that I am grateful to God for.”

BUT I’M OKAY TO SAY THAT IT’S OVER

Der titelgebende Track »Heaven« ist ein Track, der beim Hören sofort Assoziationen zu D’Angelo & The Vanguard aufkommen lässt. Purer Soul für die Seele, der tief durch jede Körperzelle dringt und einen wohlig warm strahlen lässt. Absolutes Highlight ist der Track »Old Friends«. Denn friends can break your heart too und eine tiefe Freundschaft kann inniger sein als jede romantische Beziehung. Das ein Vertrauensbruch in einer Freundschaft auch wahnsinnig wehtun kann, besingt Cleo Sol hier so herzzerreißend, das es einem fast schon selber schmerzt.


MISS ROMANTIC

Die nächsten Tracks sind zwar nicht weniger ernst aber schaffen doch eine leichtere Atmosphäre. »Miss Romantic« erzählt die Geschichte von dieser einen Freundin, die gefühlt jede*r im Freundeskreis hat. Egal, wie offensichtlich die Zeichen sind, sie lässt sich nicht belehren, eine hoffnungslose Romantikerin. Cleo Sols Stimme ist klar und stark. Der Beat wunderbar verwoben mit leichten Hiyatus Kaiyote Gefühl aber eben in Inflos eigener Beatsprache. 

Richtig spannend für Vinyl-Nerds dürfte der Song »Nothing On Me« sein, Jazz aber nicht US-Jazz sondern wie Tony Allen schon sagte: “[…] I’m playing Jazz my way“ (sehr toll zu hören auf dem Track »No Confusion« von Ezra Collective). Es ist fast eher schon ein Instrumental Track mit wenige Worten von Sol der aber trotzdem extrem überzeugt. Etwas wehmütiger wird es dann wieder im Outro »Love Will Lead You There«. Der Song grenzt fast schon an Akustik-Kitsch, aber Cleo Sol klingt dabei so aufrichtig und glaubwürdig, dass man eher im Takt mitschwingt als ihr dafür böse zu sein. Selbst Zyniker*innen blüht da wieder etwas das Herz auf.

THEY’RE JUST JEALOUS `CAUSE YOU’RE KIND

Cleo Sol erschafft auf »Heaven« Musik, die tief in die Knochen dringt und die Seele berührt – selbst wenn man an sowas eigentlich gar nicht glaubt. Eine klare starke Stimme, aufrichtige Lyrics, die Cleo Sol wie eine alte Seele wirken lassen. Ein ganz eigener Sound. Das Album lebt in der Musikbubble, die auch Sault, Little Simz und Ezra Collective umfasst und lässt ein dann beim Auftauchen wundern, wieso nicht alle anderen genauso fasziniert und eingenommen davon sind. Gleichzeitig ist es aber auch ein Album für Liebhaber, das eben eine ganz bestimmte Nische anspielt. Man sollte dieser Nische und Cleo Sol im besonderem aber eine Chance geben und sich voll und ganz auf »Heaven« einlassen. Hoffentlich bringt es viele dann genauso zum Staunen. 

TRACKLIST: CLEO SOL – HEAVEN

01. Self
02. Airplane
03. Go Baby
04. Heaven
05. Old Friends
06. Miss Romantic
07. Golden Child (Jealous)
08. Nothing on Me
09. Love Will Lead You There