adventskalender

Mostdope Adventskalender

Bis Weihnachten dürft ihr euch täglich über einen kleinen Text zu redaktionsgepickten Highlights des Jahres 2021 freuen, die in den größeren Toplisten vermutlich nicht zu finden sein werden. 

Im Stile eines Adventskalenders wird hinter jedem „Türchen“ ein Song vorgestellt, der für je eine*n unserer Autor*innen aus verschiedensten Gründen besonders in Erinnerung geblieben ist. Am Ende findet ihr alle 24 Songs in unserer Adventskalender-Playlist auf Spotify.

Benzko – Blitzlichter (24.12.)

Bringen wir das Ganze mal zum Abschluss. Es wird Zeit, auch das letzte Türchen unseres Adventskalenders zu öffnen. Und wie bei einer Schiffstaufe, bei der der Schampus einmal volle Breitseite gegen den Bug gehämmert wird, möchte ich dieses Projekt mit einem Knall beenden.

Anstatt das besinnliche Beieinander mit einem Weihnachtstrack noch weiter in den Kitsch zu treiben, wird es jetzt nämlich laut.

Können wir mal über Benzko sprechen? Wer ihn noch nicht auf dem Schirm hat, geht bitte direkt mal auf Spotify und fügt mindestens »Kopf ist Pilot«, »Drama« oder »Blitzlichter« seiner Party-Banger-Playlist hinzu – die haben wir doch alle.

In einer Aboveground Session aus 2020, die Benzko ordentlich Fahrtwind gegeben hat, definierte der Newcomer aus dem MV nochmal neu was eigentlich Hunger bedeutet und marschierte über den Beat, als wenn es keinen Morgen gäbe.

Dieselbe Energie entlädt er auf dem Drill-Song »Blitzlichter«. Wäre es nicht so kalt, wäre das der Song zum Fenster-Runterkurbeln und Ellenbogen-Raushängen. Bis die Temperaturen das wieder zulassen, wird der Song jetzt erstmal unterm Weihnachtsbaum gepumpt, und sich auf die Festivalseason 2022 gefreut.

Leute, ich wünsche euch ein frohes Fest, eine gute Zeit, lasst die Korken knallen und tut mir einen Gefallen: Bleibt gesund!

– Krow

Harry Quintana, Blanko Malte – Lago Maggiore (23.12.)

Als Harry Quintana Mitte Februar aus dem Nichts sein neues Album »Blue Sky Szenario« veröffentlichte, gab es durchaus Hoffnung auf etwas Blau am Himmel. Die zweite Welle und der zum gefühlt 30sten Mal verlängerte Lockdown, von dem niemand mehr den aktuellen Namen wusste, waren zwar noch nicht überwunden, aber man verspürte allseits das Gefühl, dass sich vieles bald bessern würde.

Auf diesem Hoffnungsschimmer eines Albums fand sich dann auch ein Song, der meinen Sommer wie kaum ein anderer prägen sollte. »Lago Maggiore« ist nur auf den ersten Blick eine Ode an einen Urlaubsort. In der Zeit seines Releases wohnt Zeilen wie „Also fahr’ ich Richtung Lindau im schwarzen Coupé / Plötzlich macht alles Sinn, es ist alles okay“ eine Sehnsucht nach einfacheren Zeiten und Entspannung am Steg inne, die wohl alle nachfühlen konnten. Und trotz aller Schnulzigkeit schafft es Quintana dennoch, real zu bleiben, denn:

Gardasee is not okay

– Roman Zingel

Beyazz, Dante YN – Don’t cry (22.12.)

Passend zum Fahrstuhl-Type-Beat von JYDN steigt auch die Protagonistin zu Beginn des »Don’t Cry« Musikvideos in den Lift und eröffnet so einen stimmungsvollen Song, der perfekt zu diesem Sommer gepasst hat. Für die vierte Singleauskopplung aus seinem »Kara Tape 2« hat sich Beyazz den Wolfsburger Trapstar Dante YN dazu geholt.

Die beiden liefern zusammen den perfekten Trap Sound ab, der vielleicht nicht mit den längsten Reimketten oder den hochwertigsten Lyrics glänzen kann, dafür aber mit melodischen Vibes, die Lust auf entspannte Sommernächte mit »Shawty« machen, und einer Hook, die direkt ins Ohr geht. »Don’t Cry, wie du bist, bist du perfekt« war genau die Message, die ich gebraucht habe, um im Sommerurlaub vollkommen befreit am Strand zu liegen und die Gedanken abdriften zu lassen.

– Lene Daetweiler

Mac Miller – Yeah (21.12.)

Viel besser lässt sich eine Legacy von den Hinterbliebenen nicht handhaben. Was nach Mac Millers plötzlichem Tod im September 2018 eine riesige Lücke für die Musikwelt hinterließ, wurde durch seine Familie und Wegbegleiter*innen posthum so gut wie nur irgendwie möglich gefüllt – dieser Track ist eins der vielen Beweisstücke dafür.

Nachdem schon sein Album »Circles« aus dem Januar 2020 ein Geschenk an seine Fans war, wurde dieses Jahr im Oktober auch noch ein weiterer Wunsch erfüllt: Macs 2014er Mixtape »Faces« wurde offiziell zum Streaming freigegeben, auf Vinyl veröffentlicht und sogar mit einem kleinen Extra versehen. Als 25. Song des Tapes kam der bislang unveröffentlichte Bonustrack »Yeah« hinzu, der nochmal allzu deutlich machte, was für gute Musik Mac in seiner Lebenszeit geschaffen hat – und was noch alles gekommen wäre.

– Matthi

Schmyt & Majan – Universum regelt (20.12.)

Erst am Freitag erschien dieser Track, doch seither läuft er bei mir im Loop. Dabei kann ich an dieser Stelle nicht einmal genau sagen, was mich an »Universum regelt« nun eigentlich am meisten catcht.

Ist es mehr das harmonische Zusammenspiel beider Stimmen und Vibes von Schmyt und Majan? Sind es die in ihrer Form speziell intensiven Bars und Beats, die nachhaltig für Gänsehaut sorgen? Oder ist es die eingängige Message, dass das Universum das (eigene) Handeln zur Verantwortung trägt und das Leben in einer entsprechenden Bahn verlaufen lässt?

Sicherlich ist es eine Kombination aller Faktoren, sodass man sich der Dauerschleife nur schwer entziehen kann und ich das für meinen Teil auch gar nicht möchte.

Absolut nicht unerwähnt sollte an dieser Stelle die Spendenaktion von Artworker Mathias Fleck und Schmyt bleiben: Der Erlös des Verkaufs einer limitierten Stückzahl an Siebdrucken des Covers geht als Spende an den „Weißer Ring e.V.“.

Vivian Wegener

RAPK – Taxifahrt (19.12.)

Den Namen verkürzt, das musikalische Spektrum erweitert. So könnte man das Jahr 2021 für RAPK grob zusammenfassen. Beispielhaft für die Experimentierfreudigkeit von Tariq und Victor auf »GPS«, ihrem einzigen Tape-Release in diesem Jahr, ist der Track »Taxifahrt«, der weniger nach Berliner Untergrund und dafür stark nach 80s klingt.

Wie üblich produziert von MotB lässt die musikalische „Taxifahrt nach Afrika” hochfliegen und sanft fallen. Bouncende Disco-Drums und seichte Synthie-Melodien transportieren im Zusammenspiel mit der dezenten Verzerrung der Hook gerade so viel Nostalgie, um den Zeitgeist zu treffen.

»Taxifahrt« ist das musikalische Äquivalent zu einem Auto, das sich in Slow-Motion und 4:3 Retro-Optik gen Sonnenuntergang bewegt. Es ist der Soundtrack für im Urlaub barfuß vom Strand in die Wellen rennen und gleichzeitig melancholisch genug, um im Dezember den immer dunklen Heimweg aufzuwerten. RAPK liefert auf knapp drei Minuten die warme Symbiose aus Heimkommen und Fernweh, in der sich jeder ab und zu mal wiederfindet.

Wenn mich die Sehnsucht nach Sommer und Sonne packt, „dann hör ich wieder dieses Lied”.

Magnus Menzer

CONNY – Drake ist auch nicht glücklich (18.12.)

Im Februar schmiss sich CONNY zum ersten Mal in das knallig pinke Gewand des Manic Pixie Dream Boy, das weder Liberace noch Elton John hätten in Extravaganz übertreffen können. Die rosa Föhnfrisur war zu dem Zeitpunkt bereits etabliert und auffällig gestylte Haare waren ohnehin schon ein paar Tage länger ein Markenzeichen, das man mit CONNY in Verbindung brachte.
Nun startete aber ein neues Kapitel und obwohl auch die optische Veränderung eine wichtige Rolle hierbei spielt, steht sie nicht im Vordergrund dieser Reise.

Für die Arbeit am ersten Teil, der noch unvollständigen Trilogie, wurde eine eigene Welt erschaffen. Ausgehend vom visuellen Konzept ist diese bisher zwar noch etwas kryptisch und vielleicht sogar ein wenig verkünstelt, aber in der Rolle des MPDB schaffte es CONNY über die Spanne der letzten Monate durch jeden neu releasten Song seine Vision zunehmend mehr in Worte zu fassen. Jenes Spiel mit Worten ist es, was »Drake ist auch nicht glücklich« zu seinem meiner Meinung nach bisherigen Standout Track macht. Und obwohl sein Name fast schon clickbaithaft im Songtitel steht, wird der selbsternannte Champagne Papi schnell zum Requisit degradiert, um eine größere Botschaft zu vermitteln.

Sorry Aubrey, aber danke und mad respect CONNY.

Krow

Baby Keem, Kendrick Lamar – range brothers (17.12.)

Die Frage danach, was man auf ein gelungenes Album folgen lässt, beschäftigt Artists seit jeher. Kendrick Lamar steht gerade aber nicht nur vor der Aufgabe, einen Nachfolger für ein gutes Album, sondern darüber hinaus für einen Pulitzer-Preis liefern zu müssen. Für eine Ehrung solchen Ausmaßes gibt es bisher absolut kein Rezept und trotzdem scheint Kendrick großes Interesse daran zu haben, jegliche Regeln über den Haufen zu werfen.

»Range brothers« ist einer der merkwürdigsten Songs des Jahres. Nachdem Baby Keem und Kendrick schon auf »family ties« einige Fans überrascht hatten, lösen sie auf ihrem zweiten Kollabo-Track den Freifahrtschein ein, den das ungebrochene mediale Interesse ihnen mittlerweile beschert hat.

Auf drei beim ersten Hören völlig unvorhersehbaren Parts liefern sich die beiden ein Duell wahnwitziger Lines, die den Kopf erst zum Schütteln, dann aber immer mehr zum Nicken bringen. Dieses Hin und Her mündet mit Kendricks „Top o‘ the mornin‘“ in letzter Konsequenz in einem der größten Rap-Memes des letzten Jahres und lebt seitdem fröhlich in meinem Kopf weiter und verweigert mir die Mietzahlungen.

– Roman Zingel

Domani, D Smoke, DaVionne – I Know It’s Real (16.12.)

»I Know It’s Real« bildet den musikalischen Einstieg in Domanis neuestes Album »SKYDIVE«, welches trotz seines jungen Alters von gerade einmal 20 Jahren bereits sein fünftes Tape ist. Der Sohn des wohlbekannten Rappers T.I. hat sich für den von Gefühlen nur so triefenden Song zwei Gäste eingeladen. D Smoke, welcher dem ein oder anderen vielleicht noch eher ein Begriff ist, ist einer davon und für den zweiten lyrisch hochwertigen Part verantwortlich. Abgerundet wird »I Know It’s Real« von der 18-jährigen Sängerin DaVionne, welche mit ihren engelsgleichen Harmonien nicht nur den Chorus veredelt.

Die stimmungsvollen Klaviertöne zusammen mit einer eingängigen Bassline und gefühlvollen Harfenklängen sorgen dafür, dass »I Know It’s Real« eigentlich schon ein Muss in jeder »Bedroom Jams«-Playlist ist. Oder ihr schreibt gerade an eurer Bachelorarbeit – dann kann ich den Song auf Repeat auch nur empfehlen.

Lene Daetweiler

070 Shake, NLE Choppa – Lose my cool (15.12.)

Experimentierfreudig ist sie ja, aber das war trotzdem eine Kombo, mit der ich im Leben nicht gerechnet hätte: G.O.O.D. Music Signing 070 Shake hat sich für ihre im Dezember erschienene Single »Lose My Cool« mit Memphis-Rapper NLE Choppa zusammengetan. Der ist zwar normalerweise in ganz anderen Kreisen unterwegs als in den Alternative- bis Ambient-Genreausflügen von Shake, hat aber immer schon auch einen Hang zum Melodischen in seinen explosiven Tracks gehabt. 

Und irgendwie funktioniert das auf »Lose My Cool« richtig gut. NLE Choppa fügt sich in seinem Part gegen Ende des Tracks nahtlos in die synthieverhangenen Melodien ein und rappt so, als ob diese Art von Song schon immer genau sein Stil gewesen wäre. Auch 070 Shake bleibt sich nur darin treu, dass man nie weiß, was in ihrem Sound als nächstes konsequent umgeworfen wird und lässt große Vorfreude auf ihr mutmaßlich im nächsten Frühjahr erscheinendes neues Album aufkommen.

Matthi Hilge

Maeckes – Zu sensibel (14.12.)

Als 6. Singleauskopplung vor dem »Pool«-Release im Sommer hat mich dieser Track besonders gecatcht: Es ist diese Mischung aus Gesellschaftskritik und Wut, gepaart mit Sarkasmus und der nötigen Ernsthaftigkeit.

Punk Sounds und ein fast schreiender Maeckes unterstreichen diese Gefühlswelten, das Chaos und Gedankengänge weitaus besser als bisher gewohnte seichte Gitarrenklänge oder Hip-Hop Beats.

Viel zu vieles prasselt auf uns ein. Spricht man offen und (selbst-)reflektiert darüber, ist man in den Augen und Ohren derer, denen das nicht passt, ganz einfach „zu sensibel“ und wird plötzlich wie ein zerbrechliches rohes Ei behandelt.

Sei‘s drum. Ich bin lieber zu sensibel als zu sensibel zu sensibel zu sein. 💙

Vivian Wegener

Carlifornia, morten, Brown-Eyes White Boy & Torky Tork – 110 (13.12.)

Fühle mich wie morten, jedes Mal wenn ich release neue Level.

So beginnt Brown-Eyes White Boy gleichermaßen anerkennend wie selbstbewusst seinen Part auf »110« und lässt prompt Taten folgen. Melodiös und monetär mathematisch segnen morten und er mit Flows und Vergleichen den düster bouncenden Trap-Beat von Carlifornia und Torky Tork.

Eine mutige Kollabo, deren Formel in allen Punkten fehlerfrei aufgeht und aufs Neue beweist, wie brillant morten alte und neue Schule vereinen kann. Komplexe Reimstrukturen treffen auf New-Wave-Trap-Lingo, gestandene Künstler auf hungrige Youngsters – geschickt zusammengeschweißt durch ein für morten typisches Vocal Sample.

Wie der Berliner es nach wie vor schafft, bei konstant hoher Quantität, das Level der Qualität weiter zu steigern und sich dabei mehr und mehr wohlzufühlen in seinem Sound, hat mich auch 2021 wieder einige Male staunen lassen. Was das angeht, dürfen morten Fans wohl unbesorgt in die Zukunft blicken, denn in Moabit bleibt die Devise klar:

Stoppen ist keine Wahl wie die Hundertzehn.

– Magnus Menzer

Fergy53, Lélé – Chamonix (12.12.)

»Chamonix« ist Harmonie aus der Zukunft. Sphärischer Sound und Autotune auf einem melodischen Trap-Beat von Al Majeed und mistersir und die Reise kann beginnen.

Nach ihrer gemeinsamen EP »Slime« aus dem Jahr 2018 vereinigen Lélé und Fergy auf »Chamonix« ein weiteres Mal ihre Kräfte. Und was soll man sagen, es ist mal wieder ein Blockbuster auf 3 Minuten geworden. Keiner bringt diese Vibes so gut rüber und malt nur mit der Stimme neue Welten wie diese beiden Künstler.

Ein bisschen Botanik in das Paper, die Boxen auf Anschlag und sich treiben lassen. Für die ultimative Experience kann ich euch nur wärmstens ans Herz legen, sich das Musikvideo zu Gemüte zu führen. Es lohnt sich sehr.

– Fynn

Tubab, Rafiki PZK & DieZelle, vyno – HEX HEX (11.12.)

Die Jungs von PZK waren für mich persönlich die Entdeckung 2021. Allein DieZelle, dessen im August erschienenes Debütalbum »SAFT PUR« des Öfteren mal aus meinen Boxen schallte, hat meinen Algorithmus in diesem Jahr stark geprägt.

Das Frankfurter Kollektiv Pilzkultur, kurz PZK, besteht aber nicht nur aus einem sondern drei gleichermaßen talentierten Rappern, die sich auf »HEX HEX« für einen der unterhaltsamsten Songs der letzten 12 Monate zusammentun.

Meinen Flavour ist die Szene nicht wert / Darum bleib ich in der Regel leger

Abgerundet von vynos rumpelnden Beat und einem kreativen Video geben sich Tubab, Rafiki und DieZelle die Klinke in die Hand und zeigen, dass Rap manchmal auch einfach nur Spaß machen kann.

– Roman Zingel

Swindle, JNR Williams, Kojey Radical, Loyle Carner – LOST (10.12.)

Swindle zaubert mit »LOST« eines meiner Lieblingsprojekte des Jahres. Gekonnt verschmilzt er die verschiedensten Elemente — Hip-Hop trifft auf Elektro, Jazz auf Grime, dazu ein Hauch von R&B, unterstützt durch den Einsatz eindrucksvoller Blasinstrumente. 

Ebenso wie der Beat spielen auch die unterschiedlichen Künstler perfekt zusammen — Loyle Carner tänzelt in für ihn typischer britischer Understatement-Manier über den Beat, ab dem zweiten Verse unterstützt durch Kojey Radical. Die beiden sind so lässig in ihrem abwechselndem Wortspiel, dass der Eindruck entsteht, sie würden schon ewig zusammen Musik machen. Abgerundet wird der ganze Track durch den souligen Chorus von JNR Williams

Für mich ist »LOST« ein unglaublich smoother Song, der durch seinen fetten und vielseitigen Beat nicht nur den klassischen Hip-Hop Fan anspricht und damit auf diversen Playlists einen Platz finden kann.

– Hannah

Jan Delay – INTRO (29.01.)

Sieben Jahre Solopause. Jan Delay Fans mussten sich lange gedulden, bis neue Musik des Hamburgers kam, obwohl es 2016 mit dem Beginner-Comeback natürlich etwas Aufschub gab.

Im Frühjahr 2021 war es dann aber wieder so weit und Jan kam mit der ersten Single aus dem kommenden Album im Gepäck zurück, um zu zeigen, was er diesmal vorhatte. Ein Jan Delay-Projekt ist bekanntermaßen nie das gleiche wie das vergangene und auch diesmal hatte er sich neu ausprobiert. Vorbei die Rockzeiten, der Sound vom »INTRO« versprach nicht nur durch die Fiji-Kris-Produktion zeitgeistige Klänge mit tiefen Frequenzen. Die Texte aber, die sind wie immer geblieben: Wortspiele, Musik-Referenzen an jeder Ecke und ganz besonders viele positive Vibes – wie man es eben seit Jahrzehnten gewohnt ist und wie sie gerade in so einem Jahr ganz besonders wichtig waren.

Matthi Hilge

Goldy.mp3 – Karma (08.12.)

Das Frühjahr 2021 beginnt mit einem goldygen Knall. Im März released die Newcomerin Goldy.mp3 ihren Debüt-Track »Karma« und landet damit direkt einen Volltreffer. Die junge Bremerin, die unter anderem als Featuregast auf Tightills Album »Straßenpop« in Erscheinung tritt, kommt neu ins Game und stellt selbiges gleich mal auf den Kopf. Als hätte sie nie etwas anderes gemacht, fliegt sie mit engelsgleicher Stimme über den selbstproduzierten Beat und gibt einen F*** darauf, was andere über sie denken.

Egal was sie auch wollen, ich bleibe chill.

Frei nach dem Motto „Ignorance is bliss“.

Gerade in der aktuell stressigen Zeit ist »Karma« eine Übung in Gelassenheit und eine Rückbesinnung zu sich selbst. Einfach mal Kopf aus, Goldy auf die Ohren und ein bisschen Liebe statt Missgunst verteilen. Dann wird das Karma vielleicht auch deine Schwester sein.

– Fynn

Cro – Alice (07.12.)

Auch nach zehn Jahren im Rap-Geschehen verliert Cro weder Hunger noch kreativen Geist. 2021 löst er sich einmal mehr von alten Genre-Stempeln. Im Vergleich zu »tru.« ist »trip« zwar wieder mehr „Raop“, doch die Soundvielfalt in Carlos Repertoire übersteigt alles bisher Gehörte deutlich. Das große Highlight des Albums bleibt für mich ganz klar »alice«.

Alice wie LSD? Wie „Alice im Wunderland“? Man kann nur mutmaßen. Doch was sich öffnet, erstaunt auf wahrlich zauberhafte Weise. »Alice« ist eine musikalische Wunderwelt, die in Deutschland vergeblich ihresgleichen sucht. Eine Hymne, die in synästhetischen Zeilen auf einem sphärisch farbenfrohen Klangteppich zu einem dreiminütigen Trip entführt, zu einer schwebenden Reise durch Raum und Zeit, aus den 60ern auf das sommerliche Bali, von Insel zu Insel, durch Strudel und Kaninchenbauten hinein in Filme und Märchen. 

In welchem Zustand dieser Song entstanden ist, bleibt Cros Geheimnis. Welche Drogen da auch im Spiel gewesen sein sollten, sie werden obsolet in Anbetracht der Trance in die »alice« ihre Hörer*innen allein musikalisch versetzt.

Man sollte das gehört haben. Am besten mit guten Kopfhörern und geschlossenen Augen und ohne Angst davor vom Sog dieses Songs gänzlich eingenommen zu werden.

– Magnus Menzer

Yunus & beatmensch5000 – Todessüß (06.12.)

Ist es eigentlich selbstverliebt zu sagen, dass man sich selber todessüß findet? Ich würde sagen, Ansichtssache. Shindy würde sagen, Statements. Und Yunus sagt eben genau das:

Ich bin sugar für die Ohren – Diabetes/

Doch vor allem bin ich todessüß-todessüß.

Das Release der Single liegt zwar schon ein paar Monate zurück, aber die catchy Hook, der fast schon penetrant eingängige MIDI-Beat von beatmensch5000 und die absurd-bescheuerten Vergleiche, die Yunus in den 2:49 Minuten vom Stapel lässt, machen den Song zu einem Ohrwurm, der kleben bleibt wie – naja wie Zucker. 

Quotables en masse werden präsentiert und dürften auch dem härtesten Gangstarap-Fan zumindest ein kleines Schmunzeln entlocken.

Ich bin ein bildschönes Milchbrötchen/

mit der Poesie eines miesbösen Windstößchens.

Wavy und sweet wie ein Schildkrötchen/

Ey so beliebt wie ein Singvögelchen.

Scrollt man durch Yunus’ in schlumpfblau gefärbten Feed, stolpert man auch schon mal über einen Kommentar von einem gewissen Felix Lobrecht, von dem der ein oder andere evtl. mal gehört haben könnte. Ob Felix »Todessüß« heimlich beim Pumpen hört, wissen wir zwar leider nicht, aber eine klare Hörempfehlung können auch wir definitiv aussprechen.

– Krow

Money Boy – 50S 100S (05.12.)

Als wir Anfang Mai in einer der lustigsten Folgen von ON AIR Pimf zu Gast hatten, wünschte er sich für unsere Playlist den „Song des Jahres 2021, Stand heute“. Er erwies so niemand geringerem als Money Boy die Ehre eines ganz besonderen Picks und sollte damit durchaus Recht behalten. 

»50S 100S« ist ein Bollwerk des Swags. Wenn Money Boy begleitet von dem vielleicht merkwürdigsten Video des Jahres davon rappt, welchen Scheinen er genau hinterherjagt, wohnt dem Ganzen ein Hunger inne, den er wenn überhaupt nur zu seinen Hochzeiten bei Joiz TV und anderen Auftritten an den Tag legte. Denn auch wenn die Zahl an erinnerungswürdigen Interviews in den letzten Jahren etwas zurückgegangen ist, zweifelt wohl keiner daran, dass der Boy in bester Verfassung ist.

Roman Zingel

ENNY – Same Old (04.12.)

»Same Old« ist für mich der Song, den ich höre, wenn ich frustriert bin und das Gefühl habe, egal wie viel Arbeit man leistet, es werden einem immer nur neue Steine in den Weg gelegt. Es ist das Lied, das mir durch den Kopf geht, wenn ich mit meinen Mädels durch unsere Viertel in Hamburg laufe, mit dem Eindruck, dass wir uns unser Zuhause nicht mehr leisten können. Enny ist für mich eine Künstlerin die diese Frustration versteht und zusammen mit noch viel komplexeren Themen auf Ihrer EP »Under 25« verarbeitet. 

Das beeindruckende daran, ihre Musik zieht einen in keiner Weise runter — »Same Old« oder »I Want« sind Lieder, unterlegt von Soul geladenen Beats und einem Hauch von UK Garage, die in Kombi mit Ennys Flow ernst und humoristisch das Gefühl von Spätsommer in der Großstadt vermitteln. Gerade in Hamburg, wo es im Winter durchgehend grau und dunkel ist, wünsche ich mir zu Weihnachten am meisten den Sommer zurück.

– Hannah

Kanye West – No Child Left Behind (03.12.)

Dieses Spongebob-Meme, bei dem er mit Kopfhörern durch Raum und Zeit schwebt und einfach nur voll und ganz in der Musik aufgeht: Genau dieser beinahe transzendentale Zustand kann bei Kanye Wests »No Child Left Behind« erreicht werden.

Bei dem Riesenprojekt »Donda«, das mit beinahe 100 Min Spielzeit, Features links und rechts und überbordenden Produktionen schnell zu viel werden kann, sorgt dieser Song für eine dringend benötigte Erdung gegen Ende des Albums. Orgelklänge, wunderschöne Harmonien und Vorys engelsgleiche Vocals auf den knapp 3 Min Laufzeit lassen die Zeit dabei beinahe ein wenig stillstehen. Nicht umsonst wurde das de-facto Outro von »Donda« in den Listening Events vor Albumrelease so vorgestellt, dass Ye am Ende der Show an Seilen in die Luft gezogen wurde und in Richtung Himmel stieg. Man muss nicht einmal Christ sein, um sich bei diesem Track irgendwie so ein wenig spiritueller als sonst zu fühlen.

– Matthi Hilge

ALCATRAZ & Pashanim – amore çok (02.12.)

Als der Herbst schon von der Tür steht, lassen ALCATRAZ und Pashanim mit ihrem Song »amore çok« noch einmal sommerliche Gefühle hochkommen. Nach ihrer ersten Single »amore unlimited« erschien jener zweite Song der beiden Brüder Lenny und Aaron Altras am ersten Oktober unter ihrem Berliner Label Live From Earth, welches vielen seit der Zusammenarbeit mit Yung Hurn ein Begriff sein sollte.

Die Musik der beiden ist eine künstlerische Hommage an ihre ursprüngliche Heimat Italien. Ihren Sound beschreiben sie selbst als „Italo Electro“, der besonders eins in den Vordergrund hebt: Amore!
So auch bei »amore çok«. Der stimmliche Kontrast zwischen Pashanim und Lenny Altras macht den kulturellen Kontrast zwischen Berlin und Italien erfahrbar und zeigt zugleich, dass sie sich wunderbar ergänzen. Der Song nimmt den Hörer mit auf eine romantische Fahrt irgendwo zwischen Kreuzberg und Rom und stellt einmal mehr Pashas Unvorhersehbarkeit und künstlerische Vielfalt unter Beweis. Es lohnt sich reinzuhören!

– Fynn

BHZ – Halb Vier Interlude (01.12.)

Wäre Besinnlichkeit ein Rapsong aus diesem Jahr, für mich wäre sie ganz klar das »Halb Vier Interlude« vom gleichnamigen BHZ-Album. Zugegeben, manche Textstellen muss man überhören für das Maximum an weihnachtlicher Sorglosigkeit. Doch schafft man das, wird man wahrhaftig wärmstens in den Arm genommen vom friedlichen Akustik-Instrumental und der behütet melancholischen Stimmung. Angenehm unaufgeregt und harmonisch singen, summen und rappen Dead Dawg, Monk und Ion Miles ihre Parts auf einer sanften Gitarrenmelodie. So wird aus dem Interlude eine gemütliche Ballade, die man gut und gerne auch an einem kerzenbeleuchteten Familienabend anklingen lassen kann.

Statt Pint einen Tee oder Glühwein wärmend in beiden Händen, dazu ein bisschen Weihnachtsgebäck anstelle der besungen Tabletten, den Blick auf Schnee hoffend aus dem Fenster gerichtet, um dabei getragen von der besinnlichen Laidback-Dynamik nostalgisch in Erinnerungen an Kindheit oder wärmere Tage zu schwelgen. So kann BHZ euch kommende Wintertage verschönern, an denen es bereits nachmittags um halb vier dunkel sein wird.

– Magnus Menzer