Soundcheck: Kanye West - Donda 2
Cover via G.O.O.D. Music/Def Jam

Kanye West – Donda 2 // REVIEW

Knapp ein halbes Jahr ist es nun her, dass Kanye West – oder Ye, wie er nun genannt werden will – sein Album »Donda« (hier zum Soundcheck) unter gewaltigem Medienrummel auf den Markt gebracht hat. Doch auch danach hielt sich der Hip-Hop Veteran wie gewohnt in den Schlagzeilen. Die Trennung von seiner Frau Kim Kardashian, der Streit mit seinem Protegé Kid Cudi und die Versöhnung mit seinem Kontrahenten Drake sorgten allesamt für große Aufmerksamkeit.

Nun wollte der Produzent und Rapper aus Chicago endlich wieder Musik für sich sprechen lassen. Ursprünglich für den 22.02.22 angekündigt, erschienen mit einem Tag Verzögerung jedoch erst einmal nur vier Songs. Darauf folgten dann am 24. Februar zwölf weitere Tracks – jedoch nicht in klassischer Form als physisches oder digitales Release. Stattdessen erschien das elfte Album von Kanye West exklusiv auf dem sogenannten Stem Player. Dieser macht es möglich, die einzelnen Spuren der Songs zu isolieren und zu manipulieren, sodass der Player quasi als kompakte Mixing Station dient. So kann jeder Fan seine ganz eigene Version des Albums basteln und sogar selbst Songs uploaden und modifizieren. Laut eigenen Aussagen hat Kanye bereits in den ersten 24 Stunden 6000 dieser Geräte verkauft. Bei einem Preis von 200$ ergibt das einen Umsatz von 1,2 Millionen Dollar. Damit dürfte sich das Album rein kommerziell bereits gelohnt haben – und das obwohl »Donda 2« allem Anschein nach nicht einmal vollendet ist.

Auch musikalisch sollte geklotzt, nicht gekleckert werden. So hat Kanye bei dieser Platte wieder einmal ein gigantisches Team um sich geschart. Insgesamt 13 Gäste, 38 Songschreiber*innen und 27 Producer sind an dem Projekt beteiligt. Gleich der Opener »True Love« sorgt für Gänsehaut. Zu hören ist der verstorbene XXXTentacion mit emotionalem Gesang und ein von der Sehnsucht nach seinen Kindern geplagter Kanye. Darauf folgt »Broken Roads«, auf dem er und Don Toliver versuchen sich auf einem »Yeezus«-esken Instrumental selbst zu finden. »Get Lost« wiederum ist ein emotionales, Vocoder-geschwängertes Acapella. Eben dieser exzessive Einsatz von Vocal-Effekten setzt sich auch auf dem Banger »Too Easy« fort. Leider ist der leiernde Kopfgesang von Kanye so gut wie nicht hörbar, auch wenn der Beat ein echtes Brett ist. Auf »Flowers« besingt Ye augenscheinlich die Vergangenheit mit seiner Ex-Frau Kim Kardashian. Besonders sticht dabei das Sample aus »Move Your Body« von Marshall Jefferson heraus.

Keep the flowers, send a hunnid thousand (Set me free)

Darauf folgt mit »Security« der wohl härteste Song des Albums. Auf einem stampfendem Instrumental verteilt er eine Kampfansage an Pete Davidson – dem neuen Lebensgefährten von Kim. Die siebte Anspielstation auf dem Album ist »Kid We Did It« zusammen mit Baby Keem und den Migos. Der Song ist eine wahre Hymne und beschäftigt sich mit dem harten Weg zum Erfolg, den die Protagonisten auf sich genommen haben – definitiv einer der Glanzpunkte der Platte. Direkt danach folgt der Trap-Banger »Pablo«. Als Gäste finden sich hier Travis Scott und Future im Team, die einzeln quasi schon Hitgaranten sind. Hier performen die beiden wie zu erwarten extrem stark. Kanye hingegen macht auf dem Song hingegen leider keine wirklich gute Figur. Insgesamt stehlen die sehr starken Features Ye ein wenig die Show. So auch Jack Harlow auf »Louis Bags«, dem Kanye erst vor kurzer Zeit bescheinigt hat, “einer der Top 5 Rapper zur Zeit zu sein“. Jack revanchiert sich prompt und liefert hier einen raptechnisch sehr starken, emotionsgeladenen Part ab und besticht wie immer durch sympathisches Auftreten. Mit »Happy« findet sich ein weiteres Brett und ein unglaublich starker Future-Part auf dem Album. Anschließend folgt »Sci Fi« gemeinsam mit dem Sänger Sean Leon. Auf diesem Song wird – wie auf fast dem gesamten Album – die Trennung von Kim Kardashian besungen. Im Intro ist eine Aufnahme von ihr zu hören.

I married the best rapper of all time. Not only that, he’s the richest Black man in America. A talented, legit genius who gave me four incredible kids.

Auf »Selfish« ist ein weiteres mal ein posthumer XXXTentacion zu hören. Er und Kanye besingen auf melancholische Art und Weise ihren eigenen Egoismus und Hang zum Materiellem auf einem atmosphärischen Instrumental, das fast ausschließlich aus Bass und Piano besteht. Auf diese Selbstgeißelung folgt mit »Lift Me Up« featuring Dream Chasers-Member Vory ein ergreifendes Bekenntnis zum christlichen Glauben und lässt damit Erinnerungen an das Vorgängeralbum aufkommen, auf dem Vory ebenfalls prominent gefeatured war. Der direkt danach platzierte Wachmacher »City Of Gods« mit Fivio Foreign und niemand geringerem als R’n’B Legende Alicia Keys kommt als Drill-Banger daher. Ursprünglich war der Song als Fivio’s Leadsingle für dessen kommendes Album (und von Ye executive produced) »B.I.B.L.E« geplant, landete dann aber doch auf »Donda 2«. Der letzte Gast des Albums ist Soulja Boy auf »First Time In A Long Time«, der eigentlich schon auf dem Vorgängeralbum sein sollte, aber in letzter Sekunde wieder von der Featureliste gestrichen wurde. Am Ende des Projektes findet sich noch eine Stadionversion von „True Love“.

Alles in allem ist »Donda 2« ein Projekt, das durchaus starke Momente aufweist – jedoch leider selten wegen des Hauptprotagonisten Kanye West. Des Weiteren ist das Album Gerüchten zufolge noch nicht fertig. Niemand weiß ob oder wie viele Songs noch für den Stem Player erscheinen werden. Außerdem wirken einzelne Songs noch unfertig oder machen gar den Anschein, dass ihnen ganze Strophen fehlen. Leider scheint sich Kanye wieder einmal zu wenig Zeit für ein stringentes Projekt genommen zu haben, denn einen roten Faden sucht man auf »Donda 2« vergebens.

Das Interessanteste am Projekt ist definitiv die Form des Releases. Der Stem Player dürfte viele junge Musikfans an die Grundlagen der Musikproduktion herführen und ist definitiv ein gelungenes Gimmick. Auch der Preis von 200$ klingt fast schon gerechtfertigt, wenn man bedenkt, dass man hier neben einem exklusivem Kanye West-Album noch einen portablen Sampler erhält.