Next Up: Paula Hartmann
Foto via instagram.com/claud.iaa

Paula Hartmann – nie verliebt in Berlin

Schwarz-Weiß-Aufnahme, tanzende Menschen die sich wie hypnotisiert wummernden Bässen hingeben, verspielte Scheinwerfer beleuchten die diffuse Menge spärlich, im Takt schwingende und drinkhaltende Hände, pure Ekstase oder Flucht vor der Einsamkeit – dann ein sanfter Fade – aus drückendem Technosound wird ein düster verträumtes Houseinstrumental, die Tanzbewegungen verlangsamen sich stetig und Paula Hartmann singt erst rau und kraftvoll, später glockenklar: “Ich war noch nie verliebt”.

Zack. Fertig ist das beinahe klischeehafte Abbild einer durchzechten Nacht in Berlin. Nun existiert diese Szene so gar nicht, wer einmal Paula Hartmanns »Nie Verliebt« gehört hat, wird sie ungeachtet dessen so oder so ähnlich dennoch erleben. Denn unsere heutige Next Up Künstlerin erzeugt unweigerlich und völlig mühelos Filme im Kopf ihrer Hörer*innen. Was etwas ironisch, vielleicht aber auch logisch ist, kennt man ihren Background. 

Paula Hartmann ist 20 Jahre alt und hat mit 15 Jahren Schauspielerfahrung schon in genug sehr erfolgreichen Kino- und Fernsehfilmen mitgespielt, um über einen eigenen Wikipedia Artikel zu verfügen. Es wäre nicht übertrieben, sie einen deutschen Schauspielstar zu nennen. Doch musikalisch ist sie eine Newcomerin. Eine junge Künstlerin mit klarer Vision, einer spürbaren Hip-Hop-Affinität und einem starken Gespür für Szenen.

Verlassen wir nun gemeinsam die Übersteuerung der anfänglichen Clubszenerie, um uns nach draußen zu begeben, in kalte Berliner Straßen. Zwischen Laternen, S-Bahn und Plattenbauten landen wir in »Truman Show Boot«, Paulas zweiter Single. Bedrückend und ehrlich fängt sie hier ein Gefühl von Verlorenheit und Ziellosigkeit ein, das sie machtlos lässt, auf dem Weg durch die Nacht, auf der Suche nach Antworten: 

Wo fällt die Liebe hin? Wo muss ich stehen, um sie zu fangen? Und selbst wenn ich richtig steh’, dann war sie von Anfang an zu groß für meine Hand.

Komplettiert wird diese Vertonung von Schlaf- und Ratlosigkeit durch ein fesselndes Musikvideo, das man als Fortsetzung von »Nie verliebt« verstehen darf und Paula erneut als Regisseurin und Hauptdarstellerin glänzen lässt. Ihre Mimik, ihre Dance-Moves, die Stadtaufnahmen und die detailverliebten Szenerien, wie Bild und Ton sich ergänzen, all das macht es unmöglich, den Blick vom Bildschirm zu lösen. Man bleibt sprachlos zurück.

Aus der Ich-Perspektive projiziert sie „all [ihre] Gedanken und Wünsche und Sorgen” auf dystopische Stadtbeobachtungen, die von expressionistischer Metaphorik bis zu bitter ernsten Psychoanalysen eine solche lyrische Bandbreite zu bieten haben, dass ein Deutsch Leistungskurs dankbar wäre, sie im Abi interpretieren zu dürfen. 

Vernachlässigen sollte man dabei auch die wie für sie maßgeschneiderten Instrumentals nicht. Mit Biztram hat Paula einen Produzenten an ihrer Seite, der schon Musik veröffentlicht hat, bevor sie überhaupt geboren ist und seither unter anderem mit Prinz Pi und Casper, aber auch mit Lukas Graham und mit Lea zusammengearbeitet hat. 

Es bleibt nun abzuwarten, ob Paula das Niveau der ersten Singles in kommenden Releases halten kann, ob sie der Melancholie und ihrem aktuellen Stil treu bleibt oder Mut zur Abwechslung beweist und ob ihr Sound ebenso auf Albumlänge funktioniert. Vielversprechend ist ihr bisheriger Output ohne Frage. Paula Hartmann ist eine Sängerin, auf die Deutschrap gewartet hat und besitzt das Potenzial zu einer Künstlerin von Popstarformat zu werden.

Und ja, vielleicht ist das am Ende etwas viel Pop für ein Hip-Hop-Magazin. Aber wenn selbst Haftbefehl seine Empfehlung ausspricht, kann man das wohl kaum zum Vorwurf machen.

Am Freitag erscheint ihre dritte Single. Wer weiß, ob die Kinos bis dahin schließen, aber diesen Film sollte man sich keinesfalls entgehen lassen.