Die Eventreihe Unreleased Berlin sollte mittlerweile jedem ein Begriff sein: Auftritte von Größen des deutschen Hip-Hops wie Nina Chuba oder Marvin Game bis zu Newcomern wie maïa oder moé, nach wenigen Minuten ausverkaufte Shows und ein Sammelpunkt der Berliner Szene. Warum aber sind die Karten so heiß begehrt, was ist das genaue Konzept hinter der Veranstaltung und wie ist diese entstanden?
Nach dem Ende der Covid-19 Pandemie wurde den drei Künstlern Frustra, FEDE 404 und Rei Moura schlagartig bewusst, dass in Berlin mittlerweile die konkreten Anlaufstellen für Veranstaltungen auf denen Rap-Musik gehört, gespielt und performt wird, fehlen.
Frühere Klassiker wie Royal Bunker und Rap am Mittwoch wurden mit der Zeit entweder abgesetzt oder entsprechen nicht mehr den aktuellen Standards, wodurch in einer Stadt, die den größten künstlerischen Ballungsraum Deutschlands darstellt, eine klaffende Lücke entstanden ist, die die drei Freunde mit ihrer Eventreihe Unreleased Berlin zu füllen versuchen und damit zeitgemäßem Rap und Musik wieder einen Platz geben.
Safespace für Artists und Besucher*innen
Neben dem ausgeklügelten Awareness Konzept, unter anderem bestehend aus einem Awareness Team und wiederholter Betonung der Intoleranz jeglicher Form von Diskriminierung bei jeder Show, legt Unreleased einen großen Wert darauf, dass sich auch die Künstler*innen wohlfühlen. Ihr besonderes Merkmal ist nämlich, dass bei ihren Konzerten, abgesehen von der eigens engagierten Produktionsfirma, keinerlei Aufnahmen oder Mitschnitte der Performances erlaubt sind. Dadurch entsteht ein Safespace für die Artists, in dem es ihnen möglich ist, unveröffentlichte Aufnahmen zu testen und dabei in Echtzeit die Reaktion des Publikums einzufangen, um herauszufinden, ob sie einen Song veröffentlichen sollten.
Um Leaks dieser Songs zu verhindern, werden nach dem Vorbild der Technoszene am Einlass die Handys der Gäste abgeklebt, eine Aktion, die auf Vertrauen basiert, denn natürlich kann man diesen Sticker leicht wieder entfernen. Nach eigenen Angaben kam es jedoch nur vereinzelt zu derartigen Vorfällen, bei denen noch bei der Veranstaltung die Aufnahmen nach Mahnung des Teams wieder gelöscht wurden.
Obwohl das Abkleben von Handys in Zeiten von Social Media und Daueraufnahmen von Konzerten recht antizyklisch ist, findet es großen Anklang bei Artists und Besucher*innen. Auch Souly, der schon bei Unreleased aufgetreten ist, folgte diesem Konzept auf seiner Tour zu »Ich wünschte es würd‘ mich kümmern« Anfang dieses Jahres und erzeugte damit eine energetische Atmosphäre, in der alle den Moment genießen konnten.
Aufbau und Konzept
Die monatlichen Veranstaltungen folgen stets dem gleichen Aufbau: Ein geheimes Lineup von circa 10 Artists, wobei auf eine 50:50 Verteilung von männlichen und FLINTA* Acts geachtet wird. Jeder von ihnen spielt ein kurzes Set von zwei bis drei Songs, von denen mindestens einer unreleased sein muss.
Der Fokus der Veranstalter liegt jedoch nicht auf den großen Namen, sondern viel mehr darauf, Newcomern eine Bühne zu geben, die im Zweifelsfall weder gesigned noch zuvor schon einmal aufgetreten sind, wodurch sie sich inzwischen als Tastemaker neben Formaten wie ColorsxStudios etablieren konnten.
Bei der Veranstaltung im Mai hatte zum Beispiel Jassin, der noch gar keine Musik veröffentlicht hat, seinen ersten Auftritt und konnte dabei das Publikum für sich begeistern.
Nichtsdestotrotz treten bei jeder Show drei bis vier bekannte Acts auf. In der Vergangenheit durften bereits Trettmann, Nura, Max Herre & Joy Denalane und der Brite Aitch als erster internationaler Act das Publikum überraschen. In einem kürzlich erschienenen Interview mit Aria Nejati lobte Trettmann die Veranstaltungsreihe insbesondere dafür, dass sie es geschafft haben, den Überraschungsfaktor in Zeiten von fast identischen Festival Line-Ups wiederherzustellen.
Die gute Vernetzung der Schöpfer von Unreleased ist einer der Gründe der hochkarätigen Line-Ups jeden Monat und ist wohl auch auf den Podcast resumæ zurückzuführen, in dem Frustra und Credibil bis Mitte 2022 neue Releases besprochen und regelmäßig Gäste aus dem deutschen Hip-Hop Kosmos eingeladen haben.
Kann Unreleaseds Philosophie mit der hohen Nachfrage mithalten?
Angefangen in der Monarch Bar am Kottbusser Tor im Juni 2023, wechselten sie schnell ins Lido und vor kurzem in den Festsaal Kreuzberg, der eine Kapazität von 1500 Personen hat. Der hohen Nachfrage werden sie damit jedoch längst nicht gerecht, denn die Karten sind immer noch innerhalb von Minuten ausverkauft. Dieses Problem ist jedoch nur schwer zu lösen, wenn die intime Atmosphäre, die Unreleased so besonders macht, erhalten bleiben soll. Zudem wird es dann schwieriger, Videoaufnahmen zu verhindern. Ob Unreleased auch in Zukunft den Spagat zwischen einem größeren Publikum und ihrem einzigartigen Konzept schaffen, bleibt abzusehen. Man kann hoffen, dass es erstmal eine exklusive Veranstaltung bleibt für Liebhaber*innen, Stammgäste und alle, die schnell genug an Tickets gekommen sind.
Es lohnt sich definitiv, die Veranstaltung im Auge zu behalten und ihr im besten Fall auch selbst einen Besuch abzustatten. Das ist dieses Jahr auch auf dem Splash! Festival möglich, da Unreleased Berlin einen eigenen Slot auf der Backyard Stage bekommen hat. Vorbeischauen lohnt sich.