Producer-Alben sind heutzutage keine Seltenheit mehr. Hierzulande wagen sich seit einigen Jahren immer mehr Producer wie KITSCHKRIEG und oddworld an eigenständige Projekte, die aber oftmals auf den deutsch- und englischsprachigen Raum begrenzt sind. Ende Januar erschien mit »KONTRABAND« ein Independent-Projekt des Untergrund-Producers RadioTrash., auf dem er zwanzig Artists versammelt hat, um zusammen neun Tracks mit jeweils einem deutschen und griechischen Part zu schaffen. Wir haben ihm im Zuge dessen ein paar Fragen zu seinem Projekt gestellt. Doch wer genau ist eigentlich RadioTrash., warum hat er sich genau für die Kombination aus Griechenland und Deutschland entschieden und was verbindet die Künstler*innen auf dem Tape?
Wer ist RadioTrash.?

RadioTrash. ist ein belgischer Produzent, dessen musikalische Wurzeln im Punk liegen. Nachdem er in seiner Jugend selbst in Punkbands gespielt hat, fing er an, allein Musik zu machen und kam über Dub, Reggae und Trip-Hop schließlich zum Rap. Nach kurzer Zeit stellte er aber fest, dass er es trotz der unabhängigen Arbeit eines Producers vermisst, seine Musik mit anderen Leuten zu teilen und begann mit Freunden wie dem Münchner Rapper FreakinFreddy wieder an vollständigen Projekten zu arbeiten.
Besagter Freddy stellte ihn mehreren Personen aus der deutschen Untergrundszene wie LeoLex, ZORA und LaLucia089 vor, woraus immer öfter Zusammenarbeiten entstanden, wie z.B. die Alben »Hellwach« von ZORA und »Yung & Freaky« von FreakinFreddy und YUNG ULLRICH, bis er eine Zeitlang nur noch mit deutschen Artists kollaborierte.
Umzug nach Griechenland
2016 zog RadioTrash. nach Athen und begann seine Fühler in der griechischen Hip-Hop Welt auszustrecken. Die Idee für das »KONTRABAND«-Projekt entsprang schließlich seinem Wunsch, seine beiden Lebensrealitäten – München und Athen – zu kombinieren und die verschiedenen Szenen und Menschen zu verbinden.
Schmuggelware und geschlossene Augen
„Kontraband“ bedeutet so viel wie Schmuggel und bezieht sich laut Aussage von RadioTrash. auf den Aspekt, dass Güter zwischen Grenzen bewegt werden. Ein Symbol für die geschaffene musikalische Verbindung zwischen Deutschland und Griechenland. Die damit einhergehende untergründige Stimmung trifft ebenfalls auf die Artists des Projekts zu.
Die Assoziation mit der Fluchtroute durch das Mittelmeer ist nicht explizit gewollt, passt aber ins Bild, da Songs wie »SIDE BY SIDE« und insbesondere »MATIA KLEISTA« (dt. geschlossene Augen) die Menschenrechtsverletzungen durch sowohl nationale als auch internationale Küstenwachen prägnant thematisieren. Insgesamt beschäftigen sich die Texte des Projektes viel mit gesellschaftskritischen Themen. Immer wieder werden Wut über die Politik und leere Versprechen, Angst vorm Rechtsruck, Gewalt durch die Exekutive und Aufrufe zur Solidarität spürbar. All das sind Punkte, bei denen die Künstler*innen auf einen gemeinsamen Nenner kommen.
Es ist nicht eine Sache des Projekts, sondern die Werte, die ich schätze, per Definition also die Umgebung, in der ich mich bewege und all diese Leute in Deutschland und Griechenland getroffen habe. In dem Sinne ist es also auch diese Umgebung, in der das Projekt entstanden ist. Die spezifischen Themen der Tracks haben aber die Leute selbst entschieden.
RadioTrash. über die politische Ausrichtung des Tapes
Düstere Beats in düsteren Zeiten
Der bereits erwähnte Untergrund-Vibe findet sich ebenfalls in den Instrumentals wieder. RadioTrash. versorgt die Rapper*innen mit bedrückenden Loops und ausgefallenen Percussions, die auf halb gesungene Hooks und packende Flows mit einem spürbaren Wunsch nach Ausdruck treffen. Besonders »SIDE BY SIDE« sticht hierbei mit seinem hypnotischen Flötensample a la »Praise The Lord« und einem beeindruckenden Doubletime-Part von Risko heraus.
Subkultur im Fokus

Untergrund ist außerdem eine treffende Beschreibung für die Künstler*innen. Bis auf die zwei Griechinnen 0-100 seirene und Aeon haben die meisten der Artists eine sehr kleine Reichweite bzw. mit ihrem Part auf »KONTRABAND« sogar ihren ersten Song releast. Während solchen Artists in Deutschland aktuell wenig Beachtung geschenkt wird, erfährt der Untergrund in Griechenland laut Aussage von RadioTrash. jedoch mehr Aufmerksamkeit. Die Szene sei zudem aufgeladener und politisch radikaler als hierzulande.
Ich habe das Gefühl, dass diese Musik eine Art von Aufmerksamkeit und Bandbreite an Möglichkeiten, die Leute anzusprechen bekommt, die größer ist als in anderen Ländern, die ich kenne.
RadioTrash. über Untergrund-Rap in Griechenland
Das Projekt kann also auch als Appell verstanden werden, sich in Zeiten, in denen kleine Künstler*innen von Streamingrößen wie Spotify regelrecht ausgebeutet werden, wieder mehr dem Untergrund zuzuwenden.
Die Entscheidung, »KONTRABAND« nicht als EP, sondern als Sammlung einzelner Tracks zu veröffentlichen, dient ebenfalls diesem Zweck. Dadurch haben alle Beteiligten zwar ihren eigenen Track, jedoch nicht das ganze Projekt auf der eigenen Spotify-Page. Wer »KONTRABAND« vollständig hören möchte, kann das entweder über den Bandcamp-Account von RadioTrash. oder über folgende Playlist tun:
In der Musikwelt ist der musikalische Kosmos, oft auf die Realität des eigenen Landes begrenzt bzw. endet er dann bei internationalen Größen wie den USA, UK und Frankreich. Mit »KONTRABAND« ist es Radiotrash gelungen, sowohl den Untergrund zu stärken, als auch seiner Hörerschaft einen Einblick in die Realität sowie den Schreib- und Rapstil eines anderen Landes zu ermöglichen. Wer weiß, was für Kollaborationen in Zukunft noch zwischen Deutschland und Griechenland entstehen werden.