Apopsi (Άποψη) ist ein Wort aus dem Neugriechischen, welches sich mit Meinung und Perspektive übersetzen lässt. Ein Begriff, der vor allem in der heutigen Zeit stets zugegen ist. Durch die Omnipräsenz der sozialen Medien ist es fast jedem möglich, immer und überall seine Meinung kundzutun. Oft wirkt es fast schon so, als gehe es nur darum, irgendeine Position zu haben, anstatt sich diese fundiert zu bilden.
Der griechische Newcomer GXHAN hat sich auf seinem gleichnamigen Debütalbum »APOPSI« intensiv mit diesem Gedanken beschäftigt. Dabei setzt er seine eigene Vision im Konflikt mit den vorherrschenden Normen innerhalb des griechischen Hip-Hop durch und vereint auf internationalem Niveau Einflüsse aus Vergangenheit und Gegenwart.
Der 21-jährige Athener mit armenischen Wurzeln wuchs im Stadtteil Vyronas auf und stieß übers Breaken als Teenager zum Hip-Hop. Angefangen mit seinen ersten Releases 2021 gründete er 2023 zusammen mit anderen Artists das bereits im „Hip-Hop vom Mittelmeer“ – Artikel vorgestellte Kollektiv Wake & Bake. Ihr Ziel ist es “eine Blaupause für etwas Neues in der Musik zu sein” (Stolou) und den Fokus wieder auf Originalität zu setzen.
Stagnation und neue Maßstäbe
Genau das spielt sich auch auf »APOPSI« ab. Bereits im Intro »Wesley«, einem Song bestehend aus drei verschiedenen Beats, irgendwo zwischen Spoken Word, »Watch the Throne« und zeitgenössischem Trap, stellt GXHAN seine Agenda für das Album vor.
Τον πήχη ανεβάζει, τον βλάκα κατεβάζει / Ο Gxhan ποτέ δεν τραγουδάει / Στα tracks απλά μιλάει όπως τα περπατάει
GXHAN – Wesley
Übersetzung: Er hebt den Maßstab an und bringt den Idioten nach unten / Gxhan singt nie / In den Tracks redet er so, wie er auch geht.
Der angesprochene Maßstab wird auf dem Projekt stark thematisiert. Inmitten einer Vielzahl an verschiedenen Stilen – von Drum & Bass über G-Funk, 2000er Synth-based Club-Beats bis zum modernen amerikanischen Trap – stellt er die restliche griechische Szene an den Pranger. Er kritisiert sie dafür, vorzugeben jemand zu sein, die sie nicht ist und partout nichts Neues machen zu wollen. Er hingegen fühlt sich offenkundig wohl mit seiner Experimentierfreude und variiert z.B. oft die Gestaltung seiner Vocals.
Δε γουστάρω καν, πια, ραπάρω από ανάγκη
GXHAN – Jiggy
Übersetzung: „Ich mag es eigentlich gar nicht, sondern rappe mehr aus Notwendigkeit“
Überspitzt befindet er die Szene auf »Jiggy« als so stagnierend, dass er sich dazu gezwungen sieht, frischen Wind hereinzubringen. Dieser angestrebte Paradigmenwechsel findet jedoch nicht bei allen Anklang. Wenig überraschend treten hier Gemeinsamkeiten zum 1999 erschienen Album »Rima Gia Chrima« (Reime für Geld) des legendären griechischen Rappers Taki Tsan in Erscheinung.
GXHAN tritt in große Fußstapfen
Mit diesem Album, das manche als das Beste der griechischen Hip-Hop-Geschichte beschreiben, brachte Taki entgegen der öffentlichen Kritik und Missbilligung seinen eigenen musikalischen Stil nach Griechenland und blieb sich damit selbst treu.
In Bezug auf den in der kreativen Entwicklung größtenteils festgefahrenen griechischen Rap nahm sich GXHAN dieses Album nicht nur konzeptuell als Vorbild, sondern ließ sich auch in anderen Bereichen davon inspirieren. Sein Coverart ist eine direkte Hommage an das von »Rima Gia Chrima«. Es wurde ebenfalls vor dem Athineon Kino in Zografou, Athen aufgenommen.


Neben dem Sample von »Stin Athina« auf »Wesley« wurde auch ein bekanntes Interview von Taki Tsan mit dem Reporter Christos Ferentinos zum einen als Dialog auf dem Song benutzt. Zum anderen wurde der Beitrag als weitere Hommage 1:1 von GXHAN unter der kreativen Leitung von Saske nachgestellt. Bei ihm handelt es sich ebenso um einen bekannten griechischen Rapper, der auf dem Song »Blickies« auch als Feature vertreten ist.
Spongebob, Ratatouille und ein Pfandleihaus
Insgesamt wird das Album von einer Menge an Samples, Skits und Dialogen zusammengehalten. Vom Sample des Songs »000« von Alecc und Ggreco auf »Gara stin Athina« über einen Spongebob-Dialog auf »2 Assoi« bis zu einer Werbung des Pfandleihhaus Rihardos auf dem gleichnamigen Song »Rixardos«. Der treibende Gedanke dahinter stammt vom Produzenten Karus. Um das Vintage-Gefühl des Albums zu verstärken, riet er GXHAN Kultmomente aus Musik und Fernsehen in das Album einzupflegen, um unter anderem gewisse Erinnerungen bei den Zuhörer*innen hervorzurufen.
Dieser Retro-Flair ist einer der vielen Gründe, warum es GXHAN mit »APOPSI« gelungen ist, sowohl mit Witz als auch klassischer Rap-Attitüde eine Verschmelzung von Old- und Newschool Hip-Hop durchzuführen. Abgesehen von ein zwei Skips schaffen viele der Tracks, wie z.B. »Gara Stin Athina« und «Jiggy« eine so intensive Atmosphäre, dass die griechische Sprachbarriere für sie kein Hindernis mehr ist und sie damit problemlos auch im deutschen und internationalen Raum funktionieren würden. Infolgedessen bin ich sehr gespannt, wann bzw. wie schnell wir GXHAN auch auf einer deutschen Bühne zu Gesicht bekommen.