Acidfrank – Ich bin jetzt endlich ich selbst

Mit einem kompromisslosen Sound inklusive übersteuerten E-Gitarren, Fashion Name-Droppings und Einflüssen von einem Ye der frühen 2010er läutet der gebürtige Viersener Rapper Acidfrank auf seinem neuen Tape »CHIEN BRILLANT« eine neue Ära seines Schaffens ein. Im Zuge dessen hat er uns ein paar Gedanken zu seinem jüngst erschienenen Projekt mitgeteilt.

Um genau zu sein, ist dieses Projekt bloß die Fortsetzung, der zwei im Laufe der letzten Monate erschienenen EPs »CHIEN COLORE« und »CHIEN ENSOLLEILLÉ«. Zusammen ergänzen die beiden sich zum vollständigen Mixtape »CHIEN BRILLANT«, was zusätzlich noch zwei zuvor unveröffentlichte Songs beinhaltet. Mithilfe dieser unkonventionellen Veröffentlichungsstrategie hat der Wahldüsseldorfer es geschafft, peu à peu mehreren der Tracks ihr eigenes Momentum zu verschaffen. 

Wir leben heutzutage leider in einer Zeit, in der, hätte ich einfach zehn Songs mit demselben Konzept auf einmal rausgehauen, wahrscheinlich nur drei davon ihre Beachtung bekommen hätten.

Acidfrank über aktuelles Konsumverhalten

Hinzu kommt, dass seine Hörerschaft im Rahmen der viermonatigen Release-Reise gewissermaßen dazu gezwungen war, sich für einen längeren Zeitraum mit Acidfranks Projekt und seinem Konzept dahinter auseinanderzusetzen. In Zeiten der Schnelllebigkeit entsteht dadurch ein tieferes sowie nachhaltigeres Verständnis für die Vision eines Künstlers. 

Was hat es mit dem Hund auf sich? 

Wie euch bereits aufgefallen sein sollte, werden die Titel der EPs und des Tapes durch das Wort „Chien“ zusammengehalten, dem französischen Begriff für Hund. Übersetzt erschien also zuerst „bunter Hund“, „sonniger Hund“ und zum Schluss „brillanter Hund“.

In einem Interview mit suono sagte Acidfrank, dass insbesondere hinter »CHIEN COLORE« der Gedanke steckt, „auf die lauteste Art, die[er] ausdrücken kann, die Perfektion in Imperfektion“ zu zelebrieren und genauso klingt das Tape auch. 

Auf den trap-basierten Beats, die mal mit Samples von »Sweater Weather« oder auch Three 6 Mafia kombiniert werden, huldigt Acidfrank seinen eigenen Ecken und Kanten und schildert mit entschlossener Attitüde die Struggles der vergangenen Jahre bis hin zu seinem heutigen, von Ambitionen und Zügellosigkeit geprägten Lebensstil.

Metallica meets Watch the Throne 

Viele seiner Inspirationen kommen aus früher Kindheit, in der er u.a. durch den MP3-Player seiner Schwester musikalisch sozialisiert wurde.

Die (übersteuerten) Rock-Gitarren, die sich auf vielen der Tracks, wie z.B. »Wellen« finden, kommen nicht von ungefähr. Durch seinen Vater hat er früh eine Liebe für instrumentale Musik und Metal und Hardrock-Bands wie Metallica, ACDC und Black Sabbath entwickelt.

Spätestens bei Lines wie „Ich trag buntes Polo, als wär ich Ye“ (»Garageband«), einem leisen „You are now watching the Throne“ Einwurf auf »POSTERBOY« und einem dermaßen einnehmenden Beat auf »Wales Bonner«, der stark an eine Mischung aus »Watch The Throne« und »Yeezus« erinnert, wird der Einfluss des in Ungnade gefallenen Rappers und Producers fka Kanye West deutlich. 

Nach seinem Vorbild hat Acidfrank bei »CHIEN BRILLANT« die Executive Production übernommen, wodurch die Songs im Vergleich zu seinen vorherigen Projekten deutlich runder klingen. Durch diverse Beat-Switches und wechselnde Dynamiken erzeugt er einen packenden Sound, bei dem sich die Frage stellt, ob er diese Stilrichtung in Zukunft weiterhin verfolgt und ob er es schafft, sie auf ein (möglicherweise) konzeptuelles Album zu übertragen. 

„Das Tape war auf jeden Fall das letzte, das wirklich noch signifikant viele Trap-Elemente hatte. Bei mir shiftet gerade alles mehr in deutlich instrumentalere Musik. Aber das sehen die Leute dann. Es ist zwar nicht weit von dem, was das »CHIEN BRILLANT« war, aber es beendet gleichzeitig auf jeden Fall einen Abschnitt.“ 

Acidfrank über zukünftige Pläne für seine Musik

Hugs per DM 

Ruhige Momente gibt es auf diesem Mixtape zweifelsohne auch: »HUGS« ist eine atmosphärische Erinnerung, trotz schlechter Phasen die positiven Aspekte nicht aus den Augen zu verlieren und an derartigen Tiefpunkten füreinander da zu sein. Der Feature-Part von Jie-Woo Kim kommt ursprünglich von dessen fast gleichnamigem Song »hugs.«, der für Acidfrank eine hohe persönliche Bedeutung innehält. 

Gleichzeitig gewährt er den Zuhörern auf dem zweiten Part von »FLEUR« einen Einblick in die Abgründe seiner Persönlichkeit und kommt auf dem Outro-Track »mich hat es nie gegeben«, trotz des zuvor demonstrierten Selbstbewusstsein, zu dem resignativen Schluss, dass er schlussendlich doch nichts besonderes sei. 

Inmitten derartig durchorchestrierter Tracks, bei denen man auch POSTERBOY« und »Bianca Chandôn« nicht vergessen sollte, wirken jedoch Songs wie der unangestrengte »Palma Freestyle« und »Viersen 2019« mit einem instrumental zusammenhanglos erscheinenden Beat-Switch eher wie Filler, die nicht mit den Highlights Schritt halten können.

Insgesamt legt Acidfrank bei diesem Projekt ein mitreißendes Pathos an den Tag, durch welches das Tape wie eine „Hier bin ich!“ Ansage klingt, die er bombenartig in die deutsche Szene geworfen, sich umgedreht hat und „Joker-like“ unbekümmert weggeht. Hiermit ist ihm erfolgreich ein stilistischer Neufang gelungen, der uns in gespannter Erwartung darüber hinterlässt, wo Acidfranks Reise in naher Zukunft noch hinführt. Das Potential, dieses Niveau auf Albumlänge fortzuführen, ist fraglos vorhanden.