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Tuas »Eden«: Alles gut, alles klar beim König der Melancholie

Auf ziemlich genau den Tag vor fünf Jahren hat Tua sein letztes Album veröffentlicht, das er nach sich selbst benannte und in einen gewohnt farblosen und größtenteils mit melancholischer Grundstimmung verpackten Rahmen setzte. Nicht umsonst feilt der Reutlinger seit Anbeginn seiner Musikkarriere Mitte der 2000er emsig an seinem Ruf des zuweil verkopften Melancholikers, dem die Schwere sowohl lyrisch als auch musikalisch nicht fern liegt.

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So ist es auch beim letzten Märzalbum gewesen, auf dem Tua unter anderem den Tod seines Vaters oder das ziellose bis gewaltbereite Aufwachsen in der Vorstadt thematisierte, doch gravierender könnten die Unterschiede zum nun ebenfalls im März erschienen neuen Album nicht sein. Und auch wenn der Mann, der im Laufe seines Schaffens schon Ausflüge in Richtung Trip-Hop, Garage oder R’n’B gemacht hat, kein Unbekannter in Sachen Neuerfindung ist: »Eden« stellt alles auf den Kopf, für das Tua bisher irgendwie gestanden hat.

Das beginnt schon beim Titel des Albums, der ganz nach dem biblischen Sinne unweigerlich Assoziationen an das irdische Paradies aufkommen lässt. Wo in der Vergangenheit häufig die Grau-in-Grau Ästhetik – und das nicht nur in den Visuals – dominierte und schwermütige Thematiken den Grundton der Projekte angaben, ist jetzt eine grundlegende Veränderung zu sehen. Bereits mit der ersten Singleauskopplung »Weit und blau« aus dem Oktober letzten Jahres gab es gleich mehrere Erneuerungen. Die größte zuerst: Tua gibt es jetzt in Farbe! Das schwarz-weiß von »Tua« oder das titelgebende »Grau« von vor über zehn Jahren ist abgelöst worden von beinahe sommerlich anmutenden Visuals und einem neuen bestimmenden Farbton. Ein ganz weiches Gelb legt sich wie ein Film über das Video und färbt nicht nur die Welt ein, sondern auch die Grundatmosphäre, die nun bei ihm mitschwingt.

Auch eine leichte Veränderung im Klang

»Weit und blau«, das nicht nur erste Single sondern auch gleichzeitig Intro der Platte ist, hat aber nicht nur mit seiner Gelbzeichnung aufgezeigt, welchen anderen Ton er auf »Eden« anschlägt: Deutlich fröhlicher und auch deutlich poppiger ist der musikalische Unterbau, auf dem er die neue Ära einläutet und seine neu gefundene Leichtfüßigkeit feiert. “Genau so, wie’s gerade ist, ist gut” heißt es da oder auch “Gestern war dein letzter Tag da / Endlich Schluss mit all dem Drama” und bereits hier scheint seine neue Reise ganz klar zu sein. Wenn dann auch noch im Outro des Songs Alfred Hitchcock seine Definition vom Glücklich sein widergibt und dabei merklich ähnlich wie Tua von einem weiten, klaren Horizont spricht, dann ist der Weg zu seinem »Eden« endgültig vorgegeben.

Die nächsten Etappen auf diesem neu eingeschlagenen Weg führen Tua im Verlauf des Albums an unterschiedlichste Orte. Gegen Ende des Albums nach »Santa Cruz« beispielsweise, wo er in seinen Track-By-Track Ausführungen davon erzählt, wie dankbar er im Moment des Schreibens für die schöne Situation war, eine recht straightforward Zeile als Ausgangspunkt hatte und sich daraus ein ganzer Song entwickelt hat. Und auch wenn dieser Track soundtechnisch als Ambient-Experiment fungiert, wie von Tua gewohnt bis ins kleinste Detail ausproduziert ist und nichts dem Zufall überlassen wurde, so ist doch auch hier klar erkennbar, wie viel einfacher er es sich mittlerweile selber macht.

Ein anderer Halt auf der Reise führt in die »Südvorstadt« und damit doch wieder ein Stück in die Vergangenheit. Die Leichtfüßigkeit von den vorangegangenen Songs wie »Weit und Blau«, »Geld« oder »So gut es geht« hält hier für einen Moment inne und wird abgelöst von viel zu gut bekannten Gefühlen aus vergangener Zeit.

Und sag mir, bist du froh, dass du mich los bist?
Ich bin Katastrophe
Story of my life, immer gleich
Alles Gute ohne mich

Tua auf Südvorstadt

Diese Zeilen könnten so eins zu eins aus einem seiner früheren Werke stammen, werfen hier in diesem Kontext aber einen interessanten Kontrast zum Rest auf. Der Blick in die Vergangenheit ist nie ganz weg und selbst wenn der Weg eigentlich gerade tendenziell in Richtung Glück geht – ab und zu drängen sich alte Muster in den Gedanken auf. Auch »Herr Aber Aber« oder »Echte Leben« zeigen, dass der Weg zum Glück eben überhaupt nicht geradlinig ist und immer noch einen Schlenker mehr macht, als gedacht. Diese Gedanken sind Tua nun wirklich nicht fremd, was sich aber nun scheinst verändert hat: Es wird immer mehr akzeptiert, dass es so ist.

Auch bei den Features: Alles neu

Ein weiterer Stopp auf dem Weg nach »Eden« ist die »Niederlande«, auf dem sich mit Tarek K.I.Z eins von drei Features des Albums beteiligt und den Vibe des losgelösten, im Moment lebenden Grundtenors perfekt transportiert. Aber drei Features: Das sind ca. zwei mehr als der Durschnittswert eines sonstigen Tua-Albums, der sich sonst meist alleine abgekämpft hat. Nun aber gleich drei Artists, die einen Teil des Weges mitgehen und auf ihre ganz eigene Weise die über allem stehende Leichtfüßigkeit ergänzen: RIN auf »Geld« als bekanntlicher Experte für Fragen rund ums Geld, Tarek revanchiert sich auf »Niederlande« mit einem für seine Verhältnisse ungewöhnlich lebensfrohen Part für Tuas große Mithilfe an »Golem« und Nura liefert auf der zweiten Hälfte von »Mehr sein« einen der schönsten stimmlichen Beiträge ab, der so auch als eigener Song funktioniert hätte.

Auf »Mehr sein« passiert dazu auch etwas, das die Stimmigkeit des Albums perfekt darstellt: Wenn Tua im zweiten Part die Vergangenheit wieder einholt und er von Wettbüros und Polizei spricht, richtet sich sein Vergangenheits-Ich auch an die Zukunft: “Ich träume vom Paradies, nachmittags wenn es gelb ist”. Fast forward zu heute und Tua hat ein Album geschaffen, das nach dem Paradies benannt ist und ganz in gelb wie bei van Gogh getaucht ist – Full Circle Moment würde man dazu heutzutage wohl sagen. Ähnliche Querverweise gibt es auch beim Schlüsseltrack »Im Garten«, wo nicht nur die Fragestellung “Ob das alles war?” aus »So gut es geht« wiederaufgenommen wird sondern auch der Bezug von Outro zu Intro geschaffen wird und vom “weiten und blauen Himmel wie beim ersten Mal” gesprochen wird, der im nun gefundenen Paradies durch die Bäume schimmert.

Alles schön, alles klar, alles gut

Foto via Leon Wetzel

Ja, »Im Garten« ist nicht durch seinen an den Albumtitel angelehnten Songnamen der Track, der »Eden« sich endgültig fügen lässt. Der lange Weg hierhin, der vermutlich nicht erst seit dem Start der Albumarbeiten begonnen hat, hat sein Ziel gefunden, das Tua in gewohnt bildhaften Zeilen beschreibt. Das Aufwachsen des Kindes, die Pergola im Zuhause, der Friede in der Nachbarschaft, das eigene Familienglück. Er scheint angekommen zu sein, ob er jetzt konkret wusste wo er hin wollte oder nicht ist dabei ganz egal. Und trotzdem – es wäre nicht Tua, wenn nicht trotz aller Glückseligkeit auch immer noch ein mitschwirrendes Fragezeichen da ist. “Wenn alles schön und alles gut und alles klar ist – fragst dich höchstens ab und zu, ob das alles war” heißt es im letzten Satz des Albums und spiegelt damit genau wider, wie er durchs Leben geht.

Sein »Eden« sieht nach durch die Bäume fallendem Licht und weitem, blauen Himmel aus und genau diese Atmosphäre hat er auch klanglich eingefangen. »Eden« klingt unglaublich rund, hat trotz betonter einfacherer Herangehensweise nichts an Detailverliebtheit verloren und lädt von Anfang bis Ende mit auf eine von Abzweigungen geprägte Reise ein, die man sehr gerne mitgeht.

Fazit
»Eden« von Tua ist ein klanglich wie visuell anderes Album als man es von dem selbsternannten König der Melancholie kennt. Die neu gewonnene Leichtfüßigkeit steht über allem und steht dem Reutlinger unglaublich gut zu Gesicht.
0
9.5