Olivia Dean, die uns bereits mit drei soliden EPs auf sich aufmerksam gemacht hat, hat mit ihrem Debütalbum »Messy« gekonnt ein eindrucksvolles Debüt hingelegt, das der Lebensfreude und Ehrlichkeit alle Ehre bereitet. Während wir uns bisher bereits an ihren frischen Pop-Sounds erfreuten, schielten wir dabei aber immer mit einem Auge auf den Release-Kalender. Letzte Woche war es dann endlich soweit und der Langspieler hat endlich den Weg zu uns gefunden.
Mit »Messy« präsentiert Olivia Dean eine Sammlung von Songs, die – unverblümt und authentisch – über das Erwachsenwerden, über Beziehungen und das unvermeidbare Durcheinander des Lebens philosophieren. Mit einer gekonnten Mischung aus souligem Pop, einem Hauch R’n’B und gefühlvollen Texten stellt sie unter Beweis, dass sie mehr kann als nur mit eingängigen Ohrwurm-Melodien zu glänzen.
Dean, die ihre musikalischen Wurzeln im Norden Londons hat, beeindruckt durch ihren zeitlosen Soul und außerordentliches Songwriting-Talent, das sie schon in jungen Jahren entwickelt hat. Inspiriert von Musikgrößen wie Amy Winehouse, Lauryn Hill und Aretha Franklin formte sie ihren eigenen Stil, der Elemente des R&B, Pop und Soul vereint. Der Titel »Messy« mag vielleicht auf ein Durcheinander hindeuten, doch es ist genau dieses kreative Chaos, das Deans Musik so besonders macht. Kein Durcheinander, sondern ein gekonnter Sprung ins Rampenlicht.
It’s an album about learning to love again, the fear that comes with it, finding independence within that still and being grateful for where you came from
Olivia Dean über »Messy« (via instagram)
Einblick in das musikalische Universum
Wir beginnen die Reise mit »UFO«, das klanglich zu einem interstellaren Ausflug einlädt. Eine Art musikalische Startrampe, die uns in die Schwerelosigkeit der Emotionen führt. Die eingängige Synthie-Melodie bildet dabei den perfekten Hintergrund für Deans präzise und gleichzeitig sanfte Stimme, die uns durch den Track leitet. Metaphorisch behandelt der Song den Beginn einer neuen Beziehung – dieses Gefühl der Fremdheit, das mit der Aufregung des Unbekannten einhergeht. Ein perfekte Intro, das gleichzeitig neugierig auf die noch vor uns liegenden Songs macht
»Dive« taucht in neue Tiefen und man kann sich des Eindrucks nicht verwehren, dass Olivia Dean einen verdammt guten Job gemacht hat, den Alltagsblues in eine schimmernde Pop-Hymne zu verwandeln. Ein Höhepunkt des Albums, der die schiere Vielfalt und künstlerische Versiertheit von Olivia Dean auf eindrucksvolle Weise zum Ausdruck bringt.
Oberflächlich und Tiefgründig
Wir bleiben nicht im Tiefen, denn mit »Ladies Room« und »No Man« gehen wir zurück ins Praktische, ins Alltägliche. Sie fungieren als Spiegel der Gesellschaft und zeigen uns das Leben einer modernen Frau – mit all ihren Herausforderungen, ungeschönt und ehrlich, aber dennoch voller Schönheit.
Die folgenden Tracks »No Man« und »Dangerously Easy« verdeutlichen erneut Olivia Dean’s Talent, eingängige Pop-Melodien zu kreieren. Dennoch bleiben sie in Bezug auf ihre thematische Tiefe eher seicht und mit einer Hand am Beckenrand. Hier setzt »Getting There« einen starken Kontrast. Das minimalistische Interlude bietet unseren Ohren einen schönen Pianomoment, während »Danger« durch ein vielleicht doch etwas zu gut gemeintes Schlagzeug geprägt ist, das die eigentlich sehr entspannte Melodie antreibt und sich beständig in den Vordergrund drängt.
»The Hardest Part« fährt dann die treibenden Schlagzeug-Rhythmen runter und lässt uns alleine mit Deans Stimm, die nun Center Stage einnimmt. Ein Stück, das den Herzschmerz feiert und uns zeigt, dass man auch in den leisen Momenten große Geschichten erzählen kann. Da sind keine überflüssigen Schnörkel, keine aufgesetzte Attitüde – nur pure Emotion. Wer Olivia Dean schon einmal live gesehen hat, weiß, dass es das ist was sie am besten kann.
Ein Gegenpol dazu bildet der schnell vergessene Song »I Could Be A Florist, der leider hinter den Erwartungen zurückfällt. Dean singt von Selbstverwirklichung und -entdeckung, verpackt das Ganze aber so unaufdringlich, dass es beinahe in Belanglosigkeit abdriftet. Der Song zeigt zwar kreative Ansätze, verliert sich jedoch in einer repetitiven Struktur und hinterlässt uns letztendlich unberührt. Obwohl das Potenzial durchaus erkennbar ist, wirkt »I Could Be A Florist« noch etwas unausgereift – eine klarer vermittelte musikalische Vision könnte Dean jedoch wieder zurück auf Kurs bringen.
Im Herzen des Chaos
Weiter geht es mit dem Track »Messy«, der die Wahrheit hinter dem Titel offenbart. Keine Auflistung von Chaos oder Durcheinander, wie der Name vermuten lässt, sondern vielmehr eine Art Momentaufnahme des menschlichen Daseins – die uns daran erinnert, dass das Leben nicht immer geradlinig und geordnet ist, sondern oft voller Unordnung und Unsicherheit. Der Song lehrt die wichtige Lektion: Es ist in Ordnung, das Leben nicht immer im Griff zu haben. Es ist in Ordnung, mal loszulassen. Es ist in Ordnung, sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen.
It goes if you let it/
Olivia Dean – Messy
Its okay to regret it/
I’m on your side/
Don’t need to be ready/
It’s okay if it’s messy/
I’m on your side
Das Album klingt sich mit »Everybody’s Crazy« und »Carmen« aus. Hier präsentiert sich Olivia Dean von ihrer verletzlichen Seite. Beide Songs setzen auf eingängige Pop-Melodien, aber auch hier fehlt es an einer gewissen Tiefe und Originalität, um sich von der Masse abzuheben. Obwohl solide und gut gesungen, fehlt es diesen Songs an der innovativen Note, die das Album insgesamt prägt. Dennoch sind sie angenehme Abschlüsse, die das Album in einem positiven Licht ausklingen lassen.
Der letzte Akkord
Mit »Messy« legt Olivia Dean ein beachtliches Debüt hin, das weit mehr ist als eine Ansammlung von Songs – es ist eine musikalische Visitenkarte, die zeigt, wer Olivia Dean ist und wofür sie steht. Sicher, es gibt ein paar Unebenheiten auf dem Weg – einige Songs könnten durchaus mehr Tiefe und Struktur vertragen, doch gerade diese Unebenheiten machen das Album aus. Es ist keine perfekte Popmusik – es ist echte Musik, Musik, die das Leben widerspiegelt: Ein bisschen chaotisch, ein bisschen unordentlich, aber am Ende immer schön.
Tracklist: Olivia Dean – Messy
01. UFO
02. Dive
03. Ladies Room
04. No Man
05. Dangerously Easy
06. Getting There – Interlude
07. Danger
08. The Hardest Part
09. I Could Be A Florist
10. Messy
11. Everybody’s Crazy
12. Carmen