„Mein erstes Album. Meine Geschichte. Nur für uns.“ So kündigt Ansu Anfang des Jahres sein erstes Album »Soul über Ego« an. Für diejenigen, die den Hamburger seit seinen Anfängen verfolgen, gab es mit seinem ersten Mixtape »ASSOZIATIV« schon 2020 eine Art Debüt. Und auch wenn Ansu mittlerweile vielen bekannt sein dürfte, ist »Soul über Ego« ein Manifest für eine Karriere, deren Weg noch lange nicht festgeschrieben ist.
Auf 13 Tracks spielt Ansu seine Stärken voll aus. Auf Beats, die meistens aus der Feder von Cato stammen, setzt er seine unverwechselbare tiefe Stimme immer wieder gekonnt in Szene. Sei es auf düsteren Bangern wie »Sandmann«, Uptempo-Nummern wie »Zug« oder dem getragenen Stücken »Für immer« – Ansu hat ohne Zweifel seinen eigenen Stil gefunden, der sich genauso thematisch durch dieses Album zieht. Auch Produktionen von knd, 2Sick oder Aurorabeats, der »Vision« einen nostalgischen Sample-Beat verpasst, fügen sich gut ein ins Bild.
»Soul über Ego« deckt die gesamte Themenvielfalt des Hamburgers ab. Alltagsrassismus und Empowerment, die Ansu bereits auf früheren Tracks wie »Bomberjacken« behandelt hat, finden hier ebenfalls Einschlag, jedoch weniger als Fokusthema sondern als ständiger Begleiter in einer farblosen Welt.
Bullen drehen hier wie immer die Runden /
»Stell dir vor«
Keiner von uns fühlt sich mit denen verbunden
Für die Familie
An zentraler Stelle auf »Soul über Ego« steht die Familie. Auf dem Opener etwa sinniert Ansu über die Wichtigkeit von Selbstliebe, schreibt diese Aussage aber seiner Mutter zu und stellt sich selbst in den Hintergrund. Ebenso wie die »Traumfrau«, die sich selbst etwas aufbaut, werden die Frauen aus Ansus Leben zu den wichtigsten Figuren auf dem Album.
Passenderweise widmet Ansu seiner Familie den zentralen Track der Platte. »Es ist wie es ist« nimmt mit dem Titelzitat nicht nur das Mantra aus dem wunderschönen »Für immer« wieder auf, sondern liefert auch intime Einblicke in Ansus Innenleben. Auf einem stetig anschwellenden Instrumental verarbeitet er das Verlassenwerden durch den Vater und den Verlust seiner Tante und Oma.
In genau solchen Momenten wird deutlich, dass Ansu sich besonders auf deepen Tracks wohlfühlt und ihm diese laut eigener Aussage sogar im Schreibprozess leichter fallen. Auf der Soul-Hälfte des Albums bringt er ganz selbstverständlich eine Verletzlichkeit mit, die den meisten Artists im Deutschrap meistens fremd ist. So fügen sich die ersten acht Tracks zu einem einnehmenden Gesamtbild zusammen, das Ansu effektiv aus der breiten Masse heraushebt.
Auch der ständige Gedankenstrudel, den Ansu auf vielen Songs beschreibt, ist keine abgedroschene Figur, sondern wird durch Motive der Dankbarkeit und des Wunschs, etwas an zukünftige Generationen weiterzugeben, gut eingeordnet. So schafft es Ansu immer wieder, Lichtblicke in die scheinbare Ausweglosigkeit zu bringen und diese auch mit einem gesunden Selbstbewusstsein zu delivern:
Die letzten 5 Jahre mit Denken verbracht /
»Geduld«
Gib mir noch drei und ich lenk’ diese Stadt
Schluss mit Ego
Im Anschluss an das Centerpiece »Es ist wie es ist« folgt dann die bereits im Dezember releaste EP »Ego« in leicht angepasster Reihenfolge, sodass der Titeltrack dem Album einen runden Abschluss beschert, der sowohl den brachialen Sound der EP als auch die gedankenschwere Atmosphäre des Albums vereint.
Leider offenbart sich hier aber auch die größte Schwäche von »Soul über Ego«. Songs wie »Sandmann« und die unablässige hypnotische Hook von »Brauch ich nicht« funktionieren zwar ausgekoppelt und live gut, wirken aber im Gesamtbild des Albums wie ein Zusatz als wichtiger Teil der Platte. „Ich mach wie ich will / Ist nicht überall ‘ne Message drin“ bemerkt Ansu dazu treffend auf »Brauch ich nicht«. Auf kommenden Releases könnten Tracks wie diese aber noch nahtloser in den Hörverlauf eingefügt werden. Dass Ansu das Handwerk dazu beherrscht und auch die nötige Themenpalette mitbringt, beweist er auf »Soul über Ego« nämlich allemal.
Im Interview mit Ansu über sein Debütalbum, erfahrt ihr mehr über sein Verhältnis zwischen Ego und Soul, seine Initiative “Irgendwas muss sich verändern” und die Zusammenarbeit mit Loyle Carner.