Odd John – Im Duell mit sich selbst

Wer hoch fliegt, fällt – zumindest einem alten Sprichwort zufolge – tief. Diesem Fall vorbeugend stapelt Odd John lieber direkt niedrig, bevor er zu hohe Erwartungen erzeugt. Vom Teilen seiner Musik mit befreundeten Produzent*innen und Rapper*innen bis zum davon inspirierten Albumtitel »Schlecht«. Lieber nicht zu viel versprechen, lieber schlecht nennen und gut liefern als andersrum. Das Zweifeln könnte er sich locker sparen, doch es zieht sich wie ein roter Faden durch seine noch junge Diskographie. 

Dagegen kann eben jene völlig zweifelsfrei überzeugen. Mit schmerzhaft ehrlichen Texten zieht unser heutiger Next-Up-Artist seine Hörer*innen hinein in vom Duell zwischen Hate und Love, gut und schlecht und weiteren frustrierenden Gegensätzen geprägte schlaflose Nächte. Dabei findet er mehr neue Fragen als Antworten und muss im Fazit auf »Nights« selbst Ahzumjot Widerspruch leisten.

Und ein Mann, den ich sehr mag, sagte ‚alles wird gut in der Nacht’, doch es wird nie gut in der Nacht.

Diesem oftmals pessimistischen Grundton, der sich bereits in vielen seiner Songtitel niederschlägt, stellt Odd John auf »Schlecht/Anders«, dem Intro seines Debütalbums, direkt eine starke konträre Haltung entgegen. „Du kannst das“, heißt es hier und „nicht gut, nicht schlecht, nur anders“ klingt als Motivationsplädoyer für freie, unangepasste Kunst aus der selbstbewusst energischen Hook. Man weiß nicht, ob er zur Musikszene im Allgemeinen, zu Künstler*innen aus seinem Umfeld oder zu seinem Spiegelbild spricht. Das Empowerment, welches aus diesen Zeilen spricht, ist jedoch unmissverständlich. Sofort wird klar, hier brennt Odd John etwas auf der Seele und das nicht erst seit kurzer Zeit.

Jedoch genügt ein Song allein wenig überraschend nicht, um die eigenen Dämonen zu besiegen. Auch nach diesem Intro handeln seine Texte zumeist weiterhin von Zweifel, Depression und Sucht – dem endlosen Kampf gegen sich selbst. Auf Twitter teilt Odd John eine Vielzahl seiner Gedanken und lässt am Chaos in seinem Kopf teilhaben. Schnell erfährt man, neben der Musik findet er im Schachspielen einen Weg zur Ordnung dessen. 

Und auch wenn er des Spiels noch gar nicht so lange mächtig ist, es fügt sich als Identitäts-Puzzleteil perfekt ein in das Bild des in sich gekehrten Überdenkers, das er mit seiner Musik erzeugt. Schach lade dazu ein, „die Fehler erstmal bei sich selbst zu suchen”, meint er in einem Tweet. Eine Devise, die Odd John selbst womöglich etwas zu konsequent befolgt.

In seinen Songs bleibt er Spieler und Gegner zugleich, lässt uns an stetigen Lernprozessen teilhaben und hält dabei nicht nur sich selbst den Spiegel vor. Auf treibende (»Dystopie«, »Lost«) oder hypnotisierend zurückhaltende (»Self Love«, »Hate/Love«), elektronische Instrumentals bettet Odd John seine Gedankenwelt und vermittelt dabei nicht selten wichtige Botschaften:

Nimm all die Liebe die du hast und mach sie zu Geduld.

Innere Monologe und offene Ansprachen verpackt er unter gekonntem Einsatz von Autotune in organische Melodien und einfache Sprache, die mal ganz ohne Umwege, mal verpackt in Bildern, Emotionen greifbar macht. Regelmäßig findet man darunter zeitgeistige Weisheiten mit großem Quotable-Potenzial:

Leb’ so, dass Friends in der Therapie Session, wenn schon dann positiv über dich sprechen.

Sowohl auf musikalischer als auch auf inhaltlicher Ebene bietet sein Output also definitiv einiges zu entdecken. 

Odd John liefert zeitgemäßen Rap, gehüllt in elektronischen R&B-Sound, der von einem Gespür für Melodie und Schmerz getragen wird, das viele Attribute verdient hat, eins aber garantiert nicht: »Schlecht«.