Jahresrückblick: deutsche Alben

Jahresrückblick 2021: Die zehn besten deutschen Alben

Es ist wieder Zeit für den Mostdope-Jahresrückblick. Jeden Adventssonntag blicken wir auf das Jahr 2021 zurück und stellen euch unsere Bestenlisten in verschiedenen Kategorien vor. Welche Künstler*innen haben das Jahr mit ihren Songs, EPs oder Alben am meisten geprägt für uns?

Zum 4. Advent stellen wir euch hier unsere Top 10 der deutschen Alben vor. Welche Alben aus diesem Jahr hat die Redaktion am meisten gefeiert?

Checkt auch die anderen Listen:
Top 10 internationale Singles 2021
Top 10 internationale Alben 2021
Top 10 deutsche Singles 2021

Honorable Mentions:

Bevor die vordersten zehn Plätze kommen, gibt es hier noch einmal eine Auswahl an Alben, die das Ranking nur ganz knapp verpasst haben. Unter den knapp 30 zur Auswahl stehenden Alben bei unserer Bestenliste haben es diese fünf Projekte zwar nicht ganz nach oben geschafft, aber unser Jahr 2021 ebenfalls stark geprägt.

Haze – »TagMond«
K.I.Z – »Rap über Hass«
Sierra Kidd – »Naosu«
Mädness – »Mäd Löve«
Shirin David – »Bitches brauchen Rap«


Platz 10: Die P – 3,14 (VÖ: 19.02.21)

Jahresrückblick: Deutsche Alben - Cover Die P
Cover via 365XX

In einer Zeit, wo Boom Bap für einige neuere Deutschrap-Hörer*innen vermutlich ein Fremdwort darstellt, stellt sich das Albumdebüt der Bonner Rapperin Die P kerzengerade gegen den Wind des Zeitgeistes. »3,14« kommt mit elf Tracks, die nicht mehr Kick und Snare haben könnten. Staubtrocken kicken die Instrumentals aus der Feder von Boom Bap-Producern wie Classic der Dicke oder Raz-One, während Die P die Hörer*innen über ihre »Hood 53«, ihr »Viertel« und ihren »Ganjaman« aufklärt.

Das Spotlight zu Die P findet ihr hier.

Platz 9: Danger Dan – Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt (VÖ: 30.04.21)

Jahresrückblick: Deutsche Alben - Cover Danger Dan
Cover via Antilopen Geldwäsche

Schon mit der Antilopen Gang hat Danger Dan Chart- und Mainstreamluft schnuppern dürfen, aber auf das, was mit diesem Album folgen sollte, darauf hat ihn wohl niemand vorbereiten können. Insbesondere der gleichnamige Titeltrack von »Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt« ging durch die Decke und handelte ihm Auftritte bei Böhmermann, eine geplante Konzertreihe durch die größten Hallen Deutschlands und vor allem jede Menge neue Fans aus allen Altersklassen ein.

Aber auch außerhalb dieses einen Songs ist sein neues Soloalbum eins der rundesten Projekte aus diesem Jahr. Als reines Klavieralbum konzipiert hat Dan seine ganzen Songwriter-Qualitäten gebündelt und unterhaltsame bis nachdenklich stimmende Lieder über seine alte Schule, Sextouristen in Bangkok und natürlich das allgegenwärtige Thema Liebe geschrieben.

Platz 8: Kalim – T.O.T.Y. (VÖ: 28.10.21)

Jahresrückblick: Deutsche Alben - Cover Kalim
Cover via KALIM / URBAN

Bei KALIM geht alles seinen gewohnten Gang. Seit langer Zeit released der Hamburger im alljährlichen Rhythmus und seit ebenso langer Zeit hat er sich dafür entscheiden, seine Alben mit genau 12 Tracks auszustatten. Die perfekte Länge, findet der Billstedter und man kann ihm da nur beipflichten, denn seine Alben kommen – trotz starkem Stilwechsel zwischendurch von Westcoast-Boom Bap zu Trap – jedes Mal aufs Neue ohne Füllmaterial, straight to the point und trotzdem ausreichend Erzählzeit daher.

So auch bei seinem neuesten Streich »T.O.T.Y.«. Der selbsternannte Trapper of the Year erfindet das Rad zwar nicht neu, aber schafft immer wieder das Kunststück, seinen vom Hustle geprägten Trapperalltag spannend und modern zu verpacken. Features von Größen wie Haftbefehl oder Luciano sorgen derweil für die nötige Abwechslung.

Platz 7: Cro – trip (VÖ: 29.04.21)

Jahresrückblick: Deutsche Alben - Cover Cro
Cover via truworks records / Universal Music

Vier Jahre nach »tru.« ist Cro zurückgekommen. Nachdem schon der Vorgänger seine künstlerische Entwicklung untermalt hat, ist »trip« noch einmal eine weitere Evolution in der Karriere des ehemaligen Pop-Rappers.

Als Doppelalbum kommt »trip« mit zwei Hälften, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Ist die erste Hälfte – »SOLO« betitelt – noch eine etwas radiofreundlichere Hälfte und nicht nur durch die Maske im Cover an manchen Stellen durch Daft Punk inspiriert, ist die zweite Hälfte »trip« genau das was, der Name vorgibt. Cro tauscht altbewährtes Formeldenken gegen ein reines Experimentieren aus und driftet in Richtungen ab, die psychedelischer nicht sein könnten. Ein Album für alle Musikverliebte, die sich gut in den Klängen verlieren können.

Platz 6: Gianni Suave – KETTEN (VÖ: 29.10.21)

Jahresrückblick: Deutsche Alben - Cover Gianni Suave
Cover via Don’t Mess With The Weather

Gianni Suaves »KETTEN«-EP umfasst lediglich sieben Tracks, aber trotz oder genau wegen des begrenzten Platzes zeichnet der Frankfurter ein vollumfassendes Bild von sich als einerseits zur Szene hinstrebenden und andererseits auf dem Boden bleibenden Rapper. Auf Produktionen von Jakepot oder Funkvater Frank gelingt es ihm wie schon auf »Butter« oder »Dope« ein unheimlich dichtes und zusammenhängendes Werk zu erstellen.

Einzig die Frage bleibt: Sind die titelgebenden Ketten eher als Fessel zu verstehen, aus denen der Rapper ausbrechen will oder doch eher als Statussymbol, das mit dem steigenden Erfolg einhergeht? Denn eins ist sicher: Bisher jedes Projekt von Gianni hat bewiesen, dass er locker mitmischen kann in dem großen Deutschrap-Potpourri und mehr noch, der Szene seinen ganz eigenen Stempel aufdrücken kann – ohne sich dafür irgendwo auch nur ansatzweise anbiedern zu müssen.

Platz 5: BHZ – halb:vier (VÖ: 18.06.21)

Jahresrückblick: Deutsche Alben - Cover BHZ
Cover via BHZ / Sony Music

BHZ sind lange weg von dem Status der Berliner Untergrund-Crew, die nur eine bestimmte Gruppe an Deutschrap-Fans anspricht. Mittlerweile spielen die Jungs Rooftop-Sessions über den Dächern der Stadt und haben sich ihren festen Platz am Deutschrap-Tisch erarbeitet.

Ihr 2021er-Album »halb:vier« unterstreicht den gegangenen Weg noch einmal eindrucksvoll und stellt sowohl das unverkrampfte Lebensgefühl einer ganzen Generation nachfühlbar vor, als dass es sich auch langsam aber sicher reflektierter über den Werdegang zeigt und damit neuen Einflüssen öffnet.

Platz 4: Haftbefehl – Das schwarze Album (VÖ: 29.04.21)

Jahresrückblick: Deutsche Alben - Cover Haftbefehl
Cover via Azzlackz / URBAN

Nach über einem halben Jahrzehnt Albumpause kehrte Haftbefehl im Sommer 2020 mit »Das weiße Album« zurück und lieferte dort schon u.a. mit der Fortsetzung seiner »1999«-Reihe oder einem überraschenden Shirin David-Feature ab. Nochmal sechs Jahre warten gab es diesmal aber nicht, denn nur zehn Monate später erschien mit »Das schwarze Album« das Zwillingsalbum dazu.

Und das hatte es in sich: Auf »DSA« wird Hafti im Vergleich zu seiner eh schon düsteren Diskographie noch einmal eine ganze Spur düsterer. Über die letzten Jahre hat sich der Offenbacher immer mehr seiner Schalen entledigt und rappt jetzt so offen und eindringlich wie vielleicht noch nie zuvor über seine Depressionen. Seine treibende Kompromisslosigkeit und dieses um jeden Preis immer Weitermachen fällt aber nie gänzlich hinten runter und lässt trotz aller aufgemalten Auswegslosigkeit immer ein wenig Hoffnung durchglimmen.

Den Soundcheck zu »Das schwarze Album« findet ihr hier.

Platz 3: Schmyt – Gift (VÖ: 02.04.21)

Jahresrückblick: Deutsche Alben - Cover Schmyt
Cover via DIVISION Entertainment

Die Leadsingle seiner EP ist bereits in unserer Top 10 der deutschen Singles zu finden gewesen, aber das gesamte Projekt hat an sich noch so viel mehr zu bieten gehabt. Schmyt hat sich nach einem ersten vorsichtigen Anklopfen in der Szene 2020 in diesem Jahr zu einem der gefragtesten Namen vorgearbeitet und seine Debüt-EP spielt einen großen Teil dabei.

Sechs Tracks umfasst das Projekt, einer melancholischer als der andere. Ob bei dem verzweifelten Versuch eine vergangene Liebe zu vergessen oder die Flucht in alle möglichen Gifte – Schmyt kippt sein Herz auf den Tracks aus. Dass die zu 4/6 von Haftbefehl-Producer Bazzazian kommen, fügt dem Ganzen die benötigte Sounddichte hinzu, denn wer untermalt diese Themen in Deutschland besser als er?

Den Soundcheck zu der »Gift«-EP findet ihr hier.

Platz 2: BRKN – Drama (VÖ: 23.04.21)

Jahresrückblick: Deutsche Alben - Cover BRKN
Cover via sweet / Groove Attack

Beinahe vier Jahre lagen zwischen BRKNs »Einzimmervilla« und seinem zweiten Album »Drama«. Und auch wenn es in der Vergangenheit schon mal hieß: “Arbeite wie ein Irrer an Zimmer Nr. 2” – sein Zweitling zieht ganz andere Saiten auf, als es sein Debüt 2017 noch tat. Gut, musikalisch flext der Multiinstrumentalist wie schon damals mit seinem Talent an Saxophon, Klavier und Mikrophon und seinem Gespür dafür, dass alles zu infektiösen Melodien und Harmonien zu verbinden.

Aber textlich ist »Drama« eben deutlich gereifter und vor allem melancholischer. Auch früher schon ließ er Themen wie Geldsorgen und verlorene Lieben in seine Texten einfließen, aber dort war das alles noch deutlich positiver. »Drama« stellt diese Seiten des Lebens deutlich nüchterner vor und lässt BRKN sich bis ins Detail mit Ängsten und Depressionen auseinandersetzen. Musikalisch ist sein Talent noch nie zu bezweifeln gewesen, aber die neu hinzugekommene Grundehrlichkeit macht »Drama« zu einem der stimmigsten Projekte überhaupt in diesem Jahr.

Platz 1: Disarstar – Deutscher Oktober (VÖ: 12.03.21)

Jahresrückblick: Deutsche Alben - Cover Disarstar
Cover via Warner Music Group

Unser Nummer 1-Album kommt 2021 aus Hamburg. Disarstar ist seit langer Zeit unermüdlich dabei und zwar nicht nur in seiner Arbeitsweise, sondern auch in seiner entschiedenen Art, Haltung zu zeigen. Das Aufzeigen von sozialen Missständen und unmissverständliche Ansagen gegen Rechts, Kapitalismus und Xenophobie gab es auf seinen frühen Tapes wie auch auf Alben wie »Minus x Minus = Plus« schon und haben sich quer durch seine gesamte Karriere gezogen. Nur so richtig die breite Masse erreicht hat er damit meist nie. Das hat sich mit seinem im März erschienenen fünften Album »Deutscher Oktober« (endlich) geändert.

Ohne sich auch nur einer seiner ihn ausmachenden Faktoren zu entledigen gelingt dem Rapper das Kunststück, seinen Sound noch einmal eine ganze Spur weiterzuentwickeln. Es klingt moderner, es klingt kohärenter und es klingt trotzdem genauso nach Disarstar, wie es seine Fans aus den ersten Stunden schon immer gewohnt waren. Mit Features von Nura oder engen Kollegen wie DAZZIT und ESO.ES geht der 27-Jährige mit Zeilen ohne Ende gegen das vor, was grundlegend falsch läuft. Kaum jemand zeichnet so Bilder vor dem Auge, wenn er ausgehend von seiner »Nachbarschaft« die Brücke zum großen Ganzen spannt, den Finger darauf legt, wo es wehtut und Missstände mit klarer Sprache und Kante seiner Zuhörerschaft darstellt.

“Vielleicht ist ihm damit endlich möglich, sich einer wirklich breiten Hörerschaft zu präsentieren” urteilte unser Autor Nico in seinem Soundcheck kurz nach Release des Albums – und es scheint ganz so, als ob es dazu gekommen wäre. Die hiesigen Jahresendlisten führen ihn in mehreren Kategorien auf, eine EP mit den Jugglerz ist angekündigt und ein noch namensloses Album ist für danach geplant. Disarstar hat es geschafft und dieses Album ist vielleicht der große Sprung, den es dafür gebraucht hat.

Den Soundcheck zu »Deutscher Oktober« findet ihr hier.