Es war eine riesige Überraschung gestern Nacht: Apache 207 und Udo Lindenberg machen gemeinsame Sache und verbünden sich für einen gemeinsamen Song. Die beiden sind aber bei weitem nicht die erste ungewöhnliche Vermischung aus Deutschrap und Deutschrock. Welche anderen Kollaborationen zwischen Deutschrock-Legenden und deutschen Rappern es bereits gab, gibt es in dieser Auflistung (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) nachzulesen.
1. Sido, Bushido & Peter Maffay – Erwachsen sein (2011)
Die Kollaboration der Deutschrap-Zugpferde Bushido und Sido, die 2011 gemeinsame Sache unter dem Namen 23 machten, sollte natürlich nicht nur so daherplätschern und daher entschied man sich, einen der größten deutschen Namen für das Projekt anzufragen. Beide waren zu dem Zeitpunkt schon solche gestandenen Namen, die den deutschen Rap weit überschatteten, sodass auch ein Peter Maffay sich begeistern lassen konnte.
2. Sido & Marius Müller-Westernhagen – Grenzenlos (2013)
Diese Zusammenarbeit muss Sido derartig gefallen haben, dass er sich nur zwei Jahre später erneut Unterstützung eines gestandenen Altmeisters geholt hat. Für sein Album »30-11-80« holte der Berliner Rapper neben eher erwartbaren Namen wie Genetikk oder Marsimoto auch Features von dem damals aufkommenden Mark Forster, Helge Schneider und eben Westernhagen. Übrigens haben Sido und MMW ein Jahr später eine ganze gemeinsame Show gespielt, die in einer Art Clash of Cultures verschiedene Zielgruppen vereinen sollten. Unter dem Formatnamen “Musikhelden – Westernhagen vs. Sido” spielten beide die Songs des jeweils anderen.
3. Die Fantastischen Vier & Herbert Grönemeyer – Einfach Sein (2007)
Vielleicht einer der bekanntesten Songs aus dieser Liste. Fanta 4 haben als einer der ersten Mainstream-Acts, die aus dem deutschen Rap hervorkamen, von vornherein Luft im Musikbusiness Deutschlands geschnuppert und folglich ganz andere Connections zu den großen Namen gehabt. Herausgekommen ist dabei u.a. auch der Song »Einfach Sein« mit Herbert Grönemeyer, das sie für ihr 2007er Album »Fornika« aufgenommen haben. Auch wenn der Bochumer “nur” die eingänge Hook beisteuert, hinterlässt er mit seiner prägnanten Stimme doch einen bleibenden Eindruck und hat maßgeblich dafür gesorgt, dass »Einfach sein« zu einem der größeren Songs der Fanta-Songs geworden ist.
4. BRKN & Herbert Grönemeyer – Doppelherz / Iki Gönlum (2018)
Grönemeyer hat aber nicht nur mit den Fantastischen Vier zusammen gearbeitet. Etwas mehr als zehn Jahre später hat er gemeinsam mit dem Berliner Rapper BRKN die Doppelsingle »Doppelherz / Iki Gönlum« veröffentlicht, auf der die beiden über das Gefühl singen, mehr als eine Heimat zu haben. Diese Kollabo kam definitiv überraschender als die mit Fanta 4, hat aber durch die starke Message dahinter eine mindestens genauso große Relevanz. Bonuspunkte gibt es bei diesem Song dafür, dass Grönemeyer teilweise sogar auf türkisch singt.
5. Marteria & Campino – Die Nacht ist mit mir (2014)
Campino von den Toten Hosen ist bekanntermaßen eng mit der Antilopen Gang verbandelt, hat aber mit Marteria auch noch einen anderen Deutschrap-Namen in seiner Instagram-Enge-Freunde-Liste. Erst im vergangenen Jahr veröffentlichten sie die Doppelsingle »SCHEISS WESSIS« / »SCHEISS OSSIS«, doch die Zusammenarbeit geht schon einige Jahr zurück. Bei Marterias zweiter Ausgabe von »Zum Glück in die Zukunft« steuert Campino im Song »Die Nacht ist mit mir« die Hook über selbstzerstörerische alkoholgeschwängerte Tendenzen bei.
6. K.I.Z, Callejon, Mille (Kreator) & Sebastian Madsen – Porn From Spain 2 (2012)
Streng genommen sind K.I.Z hier selber nur Feature, aber das Aufgebot in diesem Song ist zu aufsehenserregend, als dass man es einfach so stehen lassen könnte. Die Metalcore Band Callejon ruft in der zweiten Ausgabe ihrer »Porn From Spain«-Reihe nicht nur die Berliner Rapper auf den Plan, sondern auch noch Mille von der 40 Jahre bestehenden Thrash-Metal Band Kreator sowie den Frontsänger der Band Madsen. Heraus kommt ein irrwitziges Zusammenspiel aus Rap, Screams und absurden Lyrics.
7. Swiss & Joachim Witt – Für dich kämpfen (2015)
Auch der goldene Reiter Joachim Witt hat sich bereits im Deutschrap verewigt. Auf Swiss’ 2015er Album »Grosse Freiheit« featured der mittlerweile 73-Jährige Sänger auf dem Song »Für dich kämpfen«. Die Verbindung liegt einigermaßen nahe: Beide sind Hamburger mit Herz und Blut und schon der Albumname legt nah, dass es sich auf dem Projekt um die Hansestadt dreht. Auf dem Track selber berichten beiden von einsamen Abenden an der Bar und den Einsatz von echten Freundschaften – eine Thematik, die sich problemlos aus der Perspektive beider Generationen erzählen lässt.
8. Fatoni & Dirk von Lowtzow (Tocotronic) – Alles zieht vorbei (2019)
Mit »Nie Wieder Krieg« veröffentlichte Tocotronic im letzten Jahr ein Album und vor allem einen Titelsong dessen Slogan im Zuge des Ukraine-Konflikts unfreiwillig an Aktualität gewann. Dass die Band auch über 25 Jahre nach Gründung kein Problem damit haben, relevant zu bleiben, bewiesen sie damit nicht das erste Mal. Auch auf gleich zwei Rap Kollaborationen 2019 konnte Dirk von Lotzow mit seiner Stimme und unverkennbaren Art zu texten die besondere Tocotronic-Aura in untypische Genre-Ausflügen entfalten.
So war es neben dem mahnenden »Dunkles Kapitel« an Seite von Max Herre, Megaloh und Sugar MMFK vor allem »Alles zieht vorbei« mit Fatoni, das vielfach schwärmend in Bestenlisten erwähnt wurde. Auf einem melancholisch wabernden Instrumental erlebt man den Sänger hier fast rappend.
9. Haftbefehl & Lindemann – Mathematik (2018)
Straßenrap-Härte trifft auf Industrial Rock-Härte. So verrückt wie die Kombo aus Till Lindemann, dem Rammstein-Frontmann, und Haftbefehl auf den ersten Blick auch scheinen mag, irgendwo ergibt sie auch nur Sinn. Gemeinsam nehmen sich die beiden der ungeliebten Thematik der Mathematik an und halten sich mit wüsten Beschimpfungen gegenüber der Disziplin nicht zurück – quasi ein Mathe-Disstrack.
Tipp-Ex auf Rammstein-Vertrag und gib mir einfach die Kopie
Haftbefehl – Saudi Arabi Money Rich (2014)
10. Casper & Blixa Bargeld (Einstürzende Neubauten) – Lang lebe der Tod (2016)
Dass Casper einen breitgefächerten Musikgeschmack hat und seine Inspirationen aus diversen Genres weit über Hip-Hop hinaus zieht, ist kein Geheimnis. Als er im Sommer 2016 nach längerer Schaffenspause sein Comeback quasi aus dem Nichts mit einer Hook von Blixa Bargeld höchstpersönlich einläutet, geht aber doch ein Paukenschlag durch die deutsche Musikszene. Für Casper, zu diesem Zeitpunkt bereits renommierter Künstler, geht, leicht starstruck, im Studio mit dem Frontmann der Einstürzenden Neubauten ein Traum in Erfüllung. Jener staunt nicht schlecht über die klare Vision des Rappers und leistet dessen Anweisungen Folge.
Schlussendlich geht die Mischung auf. Gemeinsam mit Dagobert und Sizarr schaffen Blixa Bargeld und Casper auf der düsteren Produktion von Markus Ganter ein mächtig atmosphärisches Intro, das bis heute definitiv der Standout Track des gleichnamigen Albums bleibt.
Honorable Mention:
Jan Delay & Udo Lindenberg – Im Arsch (2006)
In Anlehnung an den neuen Apache & Udo Lindenberg Song muss diese Auflistung natürlich auch wieder dort enden, wo sie aufgehört hat: Mit Udo. Für den Panikrocker ist es tatsächlich nicht das erste Intermezzo mit dem deutschen Hip-Hop. Neben Songs mit Freundeskreis und Moses Pelham stehen bereits auch mehrere Tracks mit Jan Delay zu Buche. Jan und er sind seit vielen Jahren gute Freunde und haben über die Zeit schon einige gemeinsame Tracks und Auftritte zustande gebracht. Insbesondere »Im Arsch« von Jan Delays 2006er Album »Mercedes Dance« ist dabei eine Unterbeweisstellung, wie gut die beiden zusammen funktionieren.