Rap is back – Rapsody veröffentlicht ihr neues Album »Please Don’t Cry«

Es gibt im Hip-Hop schon länger diesen Zwist zwischen Fans, die sich mehr Rap mit Inhalt wünschen und denjenigen, die den Kommerz und den Hype lieben. Während die einen sich nach 2Pac, Biggie und Lauryn Hill sehnen, feiern die anderen Ice Spice, Drake und alle Young und Babys, die es überhaupt gibt. Kultur vs. Lifestyle, im Kern letztendlich auch das, was der Kendrick vs. Drake Beef war. Eine Person, welche die Kultur und Gemeinschaft im Hip-Hop schon immer über alles andere gestellt hat, ist Rapsody.

Die Künstlerin aus North Carolina vermittelt seit ihrem ersten Projekt die Kultur hinter Hip-Hop indem sie ein Licht auf alle Probleme, Ungerechtigkeiten und Held*innen der Szene gerichtet hält. Ihr neues Album »Please Don’t Cry« (PDC) macht da keine Ausnahme. Nur ist das Licht nun endlich direkt auf sie selbst gerichtet.

Pressefoto

Den ersten großen Bruch hat Rapsody gemacht, indem sie sich als Schwarze Frau im Rap-Geschäft von Anfang an auf ihr Talent und ihre lyrischen Fähigkeiten gestützt hat. In einer Szene in der Sex nach wie vor am meisten sellt ist das ein riskanter Move. Nicht nur weil es weniger Aufmerksamkeit bringt, sondern weil es auch der schwierigere Weg ist. Gleichzeitig hat Rapsody es aber auch geschafft, sich durch diese Haltung nicht über andere Künstlerinnen zu stellen. Vielmehr hat sie auf die Wurzel der Probleme gezeigt. Weshalb sind weibliche Künstlerinnen oft überhaupt gezwungen diesen “leichteren” Weg zu wählen?

Alle, die jetzt denken: “typische Emanzen Rapperin, die nur feministische Öko-Flunzen als Fans hat” könnten nicht weiter entfernt von der Realität sein. Auf Songs wie »The Man« hat sie 2014 schon die andere Seite beschrieben. Nämlich den extremen Stress und Druck, welchen Schwarze Männer in Amerika unterliegen. Damit schafft sie eine besondere Transparenz, alle Seiten werden beleuchtet und vor allem auch die Zusammenhänge, die wiederum alle Teil der Kultur sind. Eine Fähigkeit, die auch den verstorbenen Mac Miller (der sie mit auf Tour nahm) oder Charlamagne tha God (großer öffentlicher Fan und auch auf dem neuen Album zu hören) zu ihrem persönlichen Hype Team gemacht haben. Es sind vor allem aber genau diese Songs, auf denen sie am meisten überzeugt. Mit komplexen Reimen kann Rapsody Situationen malerisch lyrisch zum Leben erwecken.

Loved Ones

Eines was all ihre Fans wohl verbindet ist nicht nur die Liebe zu Rapsody sondern auch die Liebe zu Lyrics und die Liebe zur Hip-Hop Kultur. Umso passender, dass Rapsody ihre Fans wiederum „Loved Ones“ nennt. Ihre Fans sind auch einer der Hauptgründe, warum es die letzten fünf Jahre niemals ganz still wurde um Marlanna Evans. Sei es auf Twitter oder Instagram, die Frage, wo das neue Album bleibt, kam fast täglich. Das ging sogar so weit, dass Rapsody die lustigsten Tweets für ihr Album Rollout nutzte und auf riesige Billboards drucken ließ. Unter dem Hashtag #RapIsBack hat Rapsody damit eine der besten Werbekampagnen der letzten Jahre gehabt.

Who am I?

Fünf Jahre haben wir nun also auf das neue Album gewartet. Eine sehr lange Zeit in unserer heutigen, sehr schnelllebigen Welt. Vor allem eine lange Zeit, in der sich extrem hohe Erwartungen aufgebaut haben. Die erste offizielle Single »Asteroids« war die perfekte Eröffnung, eine klare Ansage. Rapsody ist zurück und stärker als je zuvor. Vor allem auch mental, die Zeit der Zurückhaltung ist vorbei. Sie ist hier und stellt ein für allemal klar: als Mann würde sich schon lange keiner mehr hinterfragen. Längst wäre sie schon Teil jeder G.O.A.T Debatte.

Das Album, das nun folgt, sollte der endgültige Beweis sein. Wie schon auf ihren vorherigen Projekten verfolgt sie ein bestimmtes Konzept. Anders als zuvor ist sie diesmal aber selbst das Konzept. Auf dem ersten zwei Tracks, dem Intro »She’s Expecting You« und dem ersten “richtigen“ Song »Marlanna« wird die zentrale Frage gestellt: “Who am I?“. Eine Frage, an der Rapsody die letzten fünf Jahre wohl ziemlich genagt hat. Wer bin ich, wenn der Erfolg und die äußere Maske wegfällt? Wer bin ich, wenn ich mich meinen Ängsten stelle? »Please Don’t Cry« liefert auf 22 Songs eine Antwort.

Marlanna

Die neuen Töne, die Rapsody auf diesem Album anschlägt, sind auch in der Produktion zu hören. Neben alten Vertrauten wie Producer Eric G werden Fans und Mitglieder der Bubble schnell die Klänge von BLK ODYSSY erkannt haben. Rapsody selbst war auf dessen letztem Album »DIAMONDS & FREAKS« zu hören. Die Chemie war da schon da und wurde auf PDC erwidert. An acht Tracks hat das Kollektiv mitgewirkt.

Auch wenn es wohl die Songs sind, die kommerziell am wenigsten Erfolg bringen werden, sind es aber auch die Songs, die am meisten überzeugen. Es sind die Tracks, auf denen Rapsody am meisten von vorherigen Projekten abweicht und dabei aber alles rausholt, was geht. »Look What You’ve Done« ist ein lyrischer Irrweg. Beim Hören begibt man sich wie Alice im Wunderland immer weiter den Hasenbau hinab. Im Kontrast dazu ist »DND (It’s not Personal)« die neue Hymne aller Introvertierten Menschen.

He Shot Me

Auf »He Shot Me« spinnt Rapsody dann wiederum eine Geschichte über Polizeigewalt. Sie erinnert an Breonna Taylor und die vielen Fälle, die seitdem dazugekommen sind. Im Chorus wird dann der Clou mit dem Bob Marley Sample: „I shot the Sheriff, but I did not shoot the deputy / He shot me / Nobody cares when these black bodies pile up in the street / They shot me.” Ein scheinbar ruhiger Track, der aber eine extrem große Wirkung zeigt.

Gut platziert lullen einen die BLK ODYSSY Tracks immer wieder ein: »A Ballad For Homegirls« ist genau das was wir hören wollen von Rap. Es sind die langen Monologe, die zwar ihre größte Stärke sind, aber eben auch Aufmerksamkeit verlangen. Ein Großteil der Songs sind Tracks bei denen man genau hinhören muss oder sie gehen unter. Es sind die kleinen Perlen, die Conscious Rap Fans lieben, aber von anderen auch zu viel abverlangen könnten (zur deren Verlust).

Black Popstar

Please Don’t Cry (Cover)

Alle, die jetzt das Album aufgegeben haben, können erleichtert aufatmen. Banger sind auf PDC auch zu finden. Ganz vorne ist natürlich der von Hit-Boy produzierte Track »Asteroids«. Daneben gibt es aber noch »Diary Of A Mad Bitch« mit der Berliner Künstlerin Bibi Bourelly und »Black Popstar« mit DIXSON. Beides Tracks, auf denen Rapsody erstmal ihre range zur Schau stellt. Egal was ihr vorgelegt wird, Rapsody wird schlagfertig und leichtfüßig über den Beat tänzeln.

Unsere Kuschelrock-Fans, die dann doch lieber eng umschlungen vorm Kamin die Vinyl abspielen, können einfach alles skippen und »3:AM« genießen. Rapsody kam hier mit einer ihrer absoluten Muse Erykah Badu zusammen. Erykah wird nicht nur immer wieder als großes Vorbild in den Lyrics erwähnt, die beiden haben auch ein gemeinsames Interview vor der Albumveröffentlichung geführt.

Ooh, baby, I like it raw

Bei einem Album, das einem selber so am Herzen liegt, fällt es besonders schwer, nicht auf jeden einzelnen Song einzugehen. Einer dieser Songs ist definitiv der feuchte Traum jedes Backpack Rap Fans: »Raw«. Rapsody holt sich hier Unterstützung von Lil Wayne. Der zwar leider nur einen sehr kurzen, aber dafür auch mal wieder sehr geilen Gast Verse liefert. Was eigentlich auch schon der perfekte Übergang ist zum nächsten Thema, ganz unverblümt ausgedrückt: Sex. Aber eben auf Rapsodys Art und nicht auf die der internationalen Musikindustrie. Ob eben roh, verführerisch auf »Lonely Women« oder problematisch auf »Stand Tall«. Teil der Auseinandersetzung mit eigenen Angstzuständen und Zweifel führt früher oder später meist auch zu der Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität. 

Eigentlich ein befreiendes Thema. Vor allem, wie Rapsody über ihren Körper rappt, der nun mal nicht retuschiert und tight bis zum geht nicht mehr ist, “Titten die hängen wie bei Rick Ross”. Das ist er, der rohestes Rap, der immer genau trifft. Leider gar nicht ins Ziel treffen die Fragen, welchen sich Rapsody schon seit Jahren stellen muss. Fragen, die sie im Intro zu »Stand Tall« anspricht: „So, speaking of authenticity. Are you into guys? Are you into girls? Are you into..?“ und die sie anschließend am besten selbst beantwortet.

Judgment’s on me, they wondering if I’m a “Eat the coochie” fan / All because I choose to style in sneakers and some baggy pants / Used to make me aggy, wanna black out like the Aggie fans / I suffer from anxiety / Doctors probably tired of me / Tryna meditate to calm my heart, racing like a ambulance / So I ain’t got no answers, you can beliеve what you choose / I’m tryna focus on sleeping at night without waking up panicking

Rapsody – Stand Tall

Please Don’t Cry

Wenn man sich die Zeit nimmt, die dieses Album und Rapsody mehr als verdient haben und sich »Please Don’t Cry« aufmerksam und in Ruhe anhört, versteht man ein wenig mehr, wer Rapsody ist. Hinter der sehr professionellen Maske steckt eine unglaublich starke Frau, die nach dieser Offenbarung noch mehr Respekt verdient hat als sie vorher eh schon von uns bekommen hatte.

Es ist ein Album, bei dem man enthusiastisch mit dem Kopf zum Beat nickt, der Gang etwas stolzer und gerader wird und man zwischen Pippi in den Augen und großem Grinsen auf den Lippen. Es ist ein Album das man als Fan schon jetzt als Anwärter auf eines der besten Alben des Jahres sieht. Alle nicht-Fans sollten mindestens von Rapsodys lyrischer Überlegenheit überzeugt sein. Vor allem ist es aber ein Album, das auch die eigenen inneren Dämonen anspricht, die täglich an uns nagen. Wir alle sollten uns idealerweise nach dem Album mit diesen Fragen beschäftigen. Wenn wir danach nur halb so stark hervorgehen wie Rapsody, dann sind wir alle um einiges gewachsen.

Who are you? Who are you in your rarest state? Who are you when you are joyful? When you are upset? When you’re frustrated? What makes you sad? Why do you cry? Oh but please don’t cry. But if you do, laugh til you cry. Yeah, do that. Always look to the light. May it be so bright Be, become, please except who you are. Because you, you are beautiful.

Phylicia Rashad – Please Don’t Cry Interlude
Fazit
Ein beeindruckendes Album, auf dem Rapsody abermals ihre lyrischen Fähigkeiten unter Beweis stellt. Obwohl die ruhigeren Momente teils etwas einlullen, sind auch sie gut ausproduziert und geschickt über das Album verteilt.
8.5