Nach zwei Jahren Wartezeit: Shindy released endlich »In meiner Blüte«

Ganze vier Jahre ist es nun her, dass Shindy sein letztes Soloalbum »Drama« veröffentlicht hat. Danach entsprach die Realität Michael Schindlers augenscheinlich genau seinem letzten Albumtitel. Bereits im August 2021 hatte er mit »Im Schatten der Feigenbäume« die erste Single zu seinem neuen Album released. Diese konnte – auch wegen eines Rechtsstreits mit Disney – hohe Wellen schlagen. Die zweite Singleauskopplung »Mandarinen« konnte sich ganz ohne Video den ersten Platz der deutschen Singlecharts sichern. Bis dahin standen die Sterne also gut für das neue Album. Als Shindy dann im Oktober 2021 in einem Instagram Post bekannt gab, dass er sein Album verschieben muss, da er sich seit Beginn seiner Karriere „in mehr als fragwürdigen Vertragsverhältnissen“ befände, bekam das Tiffany Glas des Albumcovers die ersten Risse.

Darauf folgte eine gefühlt ewige Odyssee, die begleitet wurde von unzähligen Memes, nicht erscheinenden Interviews, überteuerten Feuerzeugen und Gerüchten über einen gepfändeten Bentley – aber ohne Albumrelease. Selbst Die-Hard-Fans, welche sich die Premiumbox für ganze 150€ gesichert hatten, verloren langsam die Geduld und auch die Tour-Ticketkäufer*innen wurden unruhig – auch wenn sich die zwischenzeitlich erschienenen Singles sich recht großer Beliebtheit erfreuten.

Nun, erschien am letzten Freitag – zwei Jahre nach angekündigtem Release – endlich das fünfte Studioalbum von Shindys Album »In meiner Blüte«, mit welchem er beweisen will, dass sich das Warten gelohnt hat.

Alles beim alten?

Der Opener »IN MEINER BLÜTE (PROLOG)« ist genau das, wofür man Shindy liebt: Absurd arrogante Lines und Sneak Disses über einen eleganten Vocal-Sample-Beat. Ebensolche Glanzpunkte findet man beispielsweise mit »OLD MONEY«, »KOSTA’S FREESTYLE« oder »JOHANNES DER TÄUFER FREESTYLE« öfter auf dem Album. Hinzu kommen einige soundtechnisch etwas finsterere und trappigere Songs wie der »BAYERN FREESTYLE«, auf welchem Shindy erzählt wie er sich in seiner Münchner Wahlheimat aufführt, als wäre er Trapattoni. Bei »GELD MACHEN JUNG« ist der Titel gleichzeitig der Inhalt und »GO TO CHURCH« stellt eines der Highlights der Platte dar. Etwas persönlicher wird Michael Schindler auf »OMA’S HÄNDE« und »MÄRCHEN SCHREIBT DIE ZEIT«, die durch ihre introspektiven Zeilen ebenfalls sehr starke Songs sind.

Guten Tag, Misses, dis’ mein »Dark Twisted«/
Ich bin so God-gifted, Replay-Value »Last Christmas«

Shindy – In meiner Blüte (Prolog)

Shindy mit Experimenten

All diese Songs dürften vor allem bei Fans der ersten Stunde große Glücksgefühle auslösen, allerdings hat das Album auch seine Schwächen. Shindys Gesangsversuche und halb englische, halb deutsche Passagen auf »ALL EYEZ ON ME« lassen teilweise regelrecht erschaudern. Das gleiche gilt für die vorab releaste Single »CENT’ANNI«. Auf »HOW COME?« findet sich eine Hook der verstorbenen Westcoast-Legende Nate Dogg. Zwar birgt dieses Feature einen gewissen Wow-Effekt, allerdings stellt sich die Frage, ob es wirklich nötig ist. Der absolute Tiefpunkt der Platte ist aber »CANDY RAIN«, auf welchem Shindy durchweg so klingt wie eine Telefonsexwerbung aus den frühen 2000er Jahren.

Du hast nichts mehr an, nur die Belly-Chain/
Streck die Zunge aus für mein’n Candy Rain.
Baby, du siehst aus wie mein Favorite Dish/
Nein, Baby, du siehst aus so wie „Make a wish“

Shindy auf Candy Rain

Der Sound des Albums

Nichtsdestotrotz ist die Qualität der Instrumentals durchweg fabelhaft. Dies ist kaum verwunderlich, wenn man sich die Liste der Produzenten anschaut. Unter anderem waren Shindys Hausproduzent OZ, welcher ansonsten für internationale Größen wie Drake oder Travis Scott produziert, Beatzarre und Djorkaeff, die schon zu Ersguterjunge-Zeiten mit Shindy gearbeitet haben und CAZ, der auch das Recording für »In meiner Blüte« übernommen hat, für die Beats verantwortlich. Der Sound der Platte ist abwechslungsreich aber dennoch stark an Künstler wie Drake angelehnt.

Alles in allem ist »In meiner Blüte« ein solides Album, das extrem starke Songs aufweisen kann, allerdings auch einige Tiefpunkte mit sich bringt. Shindy scheint sich in seiner künstlerischen Entwicklung stellenweise einfach verlaufen zu haben. Dies ist etwas enttäuschend, besonders wenn man die lange Wartezeit und die vorangegangene, wohl schlechteste Promophase der Deutschrapgeschichte dazu betrachtet. Der Fairness halber muss man allerdings auch erwähnen, dass die über 2 Jahre angehäuften Erwartungen unmöglich zu erfüllen waren.

Tracklist: Shindy – In meiner Blüte

01. IN MEINER BLÜTE (PROLOG)
02. BAYERN FREESTYLE
03. GELD MACHEN JUNG
04. CENT’ANNI
05. ALL EYEZ ON ME
06. CHRISTMAS AT HARRODS
07. SEPTEMBER
08. OLD MONEY
09. STEPS (feat. SANTOS)
10. KOSTA’S FREESTYLE
11. CANDY RAIN
12. GO TO CHURCH
13. OMA’S HÄNDE
14. JOHANNES DER TÄUFER FREESTYLE
15. HOW COME? (feat. Nate Dogg)
16. MÄRCHEN SCHREIBT DIE ZEIT