Soundcheck: Black Thought & El Michels Affair - Glorious Game
Foto via Big Crown Records

Black Thought spielt ein »Glorious Game« auf neuem Album mit El Michels Affair

Über Black Thought müssen wir an dieser Stelle nicht mehr viel schreiben, er ist einer der versiertesten Lyriker der Hip-Hop Szene. Obwohl bei Black Thought Stil grundsätzlich groß geschrieben wird, ist er dennoch kein Show Rapper, der dringend im Vordergrund stehen muss. Grundsätzlich eine sehr respektable Einstellung. Leider ist es aber auch einer der Gründe, wieso er meist nur innerhalb der Hip-Hop Blase ein großer Name ist, für alle außerhalb ist Black Thought als Solo-Künstler unverdienter Weise meistens kein Begriff. Mit seinem neuen Album »Glorious Game«, das er gemeinsam mit Leon Michels und dessen Soul-Kollektiv El Michels Affair veröffentlicht hat, könnte sich das ändern.

The Renaissance

Cover via Big Crown Records

Spätestens seit dem Kollabo Album »Cheat Codes« mit Danger Mouse, welches letztes Jahr erschien (zum Soundcheck geht es hier), hat Black Thought nochmal ganz deutlich gezeigt, wieso er einen Platz an vorderster Front des Hip Hop-Universums – auch außerhalb von The Roots – verdient hat. Musik-Journalist Marcus J. Moore beschreibt diesen neuen kreativen Schub erst bei »Cheat Codes« und nun »Glorious Game« als Black Thought‘s »Renaissance«. Es ist keine vollständige Neuerfindung von sich selbst, sondern eher eine Manifestation seiner bereits vorhandenen Fähigkeiten. Genre-unabhängig zeigt Black Thought, dass er im Hip Hop mit Live-Instrumenten nun mal einer der besten im Game ist.

Black Thoughts Renaissance passt vor allem auch, wenn man bedenkt, wie die beiden Alben entstanden. Wie so viele musikalische post-Covid-Projekte haben Thought und Leon Michels an dem Album während des Lockdowns gearbeitet. Besonders unter den Umständen fühlt es sich nochmal besonders nach einem Neuanfang an. Beide Künstler zeigen, wie trotz Corona-Misere und Kulturstillstand, Musik (überraschend) das richtige Ventil sein kann. Aber nicht nur Black Thought schreitet neue Wege auf »Glorious Game«, auch Michels experimentierte mit seinem typischen Sound. Er arbeitet im Gegensatz zu vorherigen Projekten mehr mit Samples, welche er mit Live-Instrumenten ergänzt. Die meisten Lieder sind allerdings eine Art neu Interpretation von eigenen älteren Stücken. Für Black Thought überarbeitete er diese nochmals komplett, loopte deutlich mehr und legt damit den perfekten musikalischen Grundstein. Für Black Thought entsteht eine musikalische Spielwiese, auf welcher er sich lyrisch frei austoben kann.

Leon Michels und Black Thought kennen sich bereits seit längerer Zeit. Er arbeitete hinter den Kulissen als Produzent von Aloe Blacc‘s »Good Things«, »Flowers« von TOBi und anderen Projekte mit Dan Auerbach. Mit seinem Orchesterprojekt El Michels Affair erschafft er soulgeladene cineastische Werke, welche durch die große Bandbreite an Live-Instrumenten wie Soundtracks zu noch ungeschriebenen Filmen wirken. Neben seinen Tätigkeiten als Produzent und Musiker ist Michels auch Mitbegründer des Labels Big Crown Records, welches sich seit 2016 einen Namen in der Soul- und Jazzszene macht. Drei Bandmitglieder aus seinem früheren Kollektiv Menahan Street Band sind mittlerweile fester Teil von The Roots. Nun der Full-Circle-Moment: Das gemeinsame Album »Glorious Game« erscheint nun bei Michels Label Big Crown Records. Es fühlt sich also so an, als ob nun endlich alle Puzzleteile zusammenkommen.

Grateful for the Glory Days

Der neue Titel des Albums ist Programm: »Glorious Game« ist nicht nur der titelgebende Track, sondern kann auch interpretiert werden als eine Art Liebeserklärung an das eigene Leben, Höhen und Tiefen, von der Kindheit bis zum Erfolg. Bereits der Intro-Track »Grateful« erzeugt das Gefühl von der guten alten Zeit. Zum einen durch die Musik selbst – das Sample von Shabba Ranks »Ting-A-Ling« erzeugt eine Musiklandschaft, in der 70s-Crime-Fighter-Serie auf Baz Luhrmann‘s The Get Down trifft. Passend dazu philosophiert Black Thought über die “warriors who bit the dust before me, kid. Be grateful“.

»Grateful« liefert den perfekten Einstieg in die Gedankenwelt, die auf »Glorious Game« präsentiert wird. Auf dem titelgebenden Track präsentiert uns Black Thought eine Seite, die wir so zuvor nur selten zu hören bekommen haben. Hier reflektiert er wesentlich ruhiger und nachdenklicher – untermalt von El Michels Affairs Traumlandschaften – über sein Leben. Die daraus teilweise entstandene Melancholie wird auch auf dem dritten Track »I’m Still Somehow« deutlich. Nach »Grateful« und »Glorious Game« wird man als Hörer*in hier noch einmal etwas tiefer in die Materie gezogen.

Black Thought unterstreicht das Motiv der Dankbarkeit und illustriert, warum sein Erfolg trotz aller Umstände nach wie vor etwas Besonderes ist. Eine weitere Lebenslektion gibt es auf »Hollow Way«, auf dem Black Thought darstellt, welche Folgen der bedeutungslose Weg innehält. Großartig auf diesem Track ist auch die Produktion von Leon Michels. Es fängt an mit dem sehr eindrucksvollen Sample, auf dem dann als drastischer Bruch diese musikalisch gedämpfte depressive Atmosphäre folgt. Nur um dann um Minute 1:30 nochmal abrupt einen Cut zu machen und das Tempo wieder aufzubauen. Damit wird auch perfekt der Nervenkitzel und der Sog des falschen Wegs untermalt. Nett ist auch, dass der Titel des Tracks als kleines Easter Egg für Insider neben der wörtlichen Bedeutung auch auf den Künstler Eddie Holloway anspielt.

And then they switched routes / Cause when it all spiral out of control / No mistake, you gotta shake, break, rattle, and roll / And when the snake stick his fake head out of the hole / he gettin’ clipped when the state says he not on parole.

Black Thought – Hollow Way

The Protocol is overhaul

Nach dem Ernst geht es zumindest musikalisch deutlich leichter und scheinbar fröhlich weiter. Auf dem Song »Protocol« bewegt sich Black Thought in Sun Ra‘s Fußstapfen und schlägt damit lyrisch schon fast in afrofuturistische Sphären ein, ohne dabei an inhaltlicher Stärke zu verlieren.

Yo, I′m from another planet, though currently I’m stranded here / Where I see people clearly takin′ everything for granted / Where every time I lift my ship up off the ground it’s landin’ / To my disadvantage, though, maybe I am but a gambit / In hell to another standard, if I′m completely candid / I fell in love with the language like a hopeless romantic / I just play the dynamics, or play and pray it′s organic / This has been my reality, maybe I’m schizophrenic

Black Thought – Protocol

Der Song wird im Refrain unterstützt von dem Singer-Songwriter und Produzenten Son Little, der sich musikalisch perfekt in den Song einfügt. Kein Wunder, da Son und Black Thought sich bereits durch Kollaborationen mit The Roots kennen. Der Song ebnet den perfekten Übergang zu »The Weather«. Auf den intergalaktischen Einstieg folgt ein Track, der wenn vielleicht auch ungeplant, einer der Herzstücke des Albums bildet. »The Weather« ist ein sehr transparenter Track, auf dem Tariq seine ganze Palette auspackt, um mit seinen Wörtern die Szenen seiner Kindheit in Philadelphia zu malen. Während man den Song hört, bekommt man selber das Gefühl, im Sommer durch die heißen Straßen von Philly gerannt zu sein. Schön ist auch, wie Michels hier mit dem Tempo spielt und damit eine sehr gute Dynamik schafft, die uns an Black Thoughts Lippen hängen lässt.

They call her Miss Michelle

Mit »That Girl« hat Black Thought eine Liebeserklärung an seine Frau Michelle Trotter, mit der er nun schon seit 2010 verheiratet ist. Da Black Thought sonst eher zurückhaltend ist mit Informationen über sein Privatleben, preisgibt, wird das Ganze von einem unbekannten Soul-Sample untermalt, welches durch die Wiederholung von „that girl will break your heart / That girl could tear you apart“ nochmal die Worte von Black Thought unterstützt. Es geht um die große Liebe, die die Macht besitzt, alles schöner, aber auch schrecklicher zu machen.

She skin caramel, her magnetism none could parallel / From Venus to Venezuel’, they call her Miss Michelle / Her beauty truly a treasure, her laughter was a song / No way I could ever be right if lovin’ her was wrong

Black Thought – That Girl

You are not alone

»Alone« ist der Track, der einen nach »The Weather« nochmal richtig einfängt. Sowohl musikalisch als auch lyrisch beweist »Alone«, wieso die Kollaboration von Black Thought und El Michels Affair wirklich gut funktioniert. Beide stellen sich bescheiden in den Schatten der Musik, die sie zusammen erschaffen. Die Musik untermalt die Lyrics perfekt. Es ist eine scheinbar erfolgreiche Symbiose der Künstler. Ein Soul-Sample aus Michels privater Sammlung kombiniert mit einem sehr lässigen Drum-Loop. Dazu Black Thoughts feinste Reimkunst, die perfekt den Hustle und Grind beschreibt, nur um dann im Refrain daran erinnert zu werden, dass wir nicht allein sind. Alle, die beim nächsten Track direkt das Gefühl bekommen, die Essenz des Albums erfasst zu haben, liegen ganz richtig. »Miracle« war einer der ersten Tracks, an dem gearbeitet wurde und sollte für Leon Michels den Ton des Albums angeben. Das ist auf jeden Fall auch gelungen.

I swear, these are the glory days

Ein wirklich perfekt-bittersüßes Outro für »Glorious Game« bildet der Song »Alter Ego«. Fast schon schwermütig langsam kriecht der Song wie an dem vorher beschriebenen heißen Sommertag über die Straße.

I perfected imperfection, I’ve dealt with debt collection / All my demons, I respect ’em, I’m a breathin’ intersection / On the crux of my redemption, not to mention reinspired / Lookin’ out of me and mine, since I told my alter ego goodbye

Black Thought – Alter Ego

Insgesamt ist »Glorious Game« ein Album für Liebhaber*innen. Es ist ein Album, das Aufmerksamkeit verlangt. Wenn man sich die Zeit beim Hören nimmt, die es verdient, ist es ein wahres Geschenk und über allem auch ein Album, welches mal wieder mehr die Wandlungsfähigkeit und Skills beider Künstler zeigt. Ein soul-geladenes Album, voller offener Texte, die einen auf eine positive-melancholische Reise mitnehmen. Einzig wirklicher Kritikpunkt: Mit 31:17 Minuten ist »Glorious Game« mal wieder ein Album der kürzeren Sorte. Schade, da man nach dem ersten Hören gerne noch länger in dieser Welt verweilen möchte.

Tracklist: Black Thought & El Michels Affair – Glorious Game

01. Grateful
02. Glorious Game (feat. KIRBY)
03. I’m Still Somehow
04. Hollow Way
05. Protocol (feat. Son Little)
06. The Weather
07. That Girl
08. I Would Never
09. Alone
10. Miracle
11. Gloriuous Game (Reprise)
12. Alter Ego (feat. Brainstory)