Stormzy gilt als weltweites Aushängeschild für britischen Hip-Hop und UK Grime. Er ist neben Künstler*innen wie Skepta und Little Simz Teil der neueren Generation, die Rap aus den UK zu einem weltweiten Phänomen gemacht haben. Obwohl Stormzy bereits auf seinen letzten Alben mit Songs wie »Blinded By Your Grace Pt. 1 & Pt. 2« oder »Do Better« schon Songs gemacht hat, die deutlich weg vom schnellposierendem Grime sind, fühlt sich das neue Album anders an. US-Megaproduzent Rick Rubin beschrieb es in einem Interview mit Stormzy eigentlich perfekt: “Er hört sich frei an.” Stormzy löst sich von vielen Klischees und Schubladen, die ihn auch nach einer bisher sehr erfolgreichen Karriere immer noch einschränken wollen.
Für sein BBC One Special A Stormzy Special aus den legendären Abbey Road Studios in London sprach er genau darüber mit DJ Trevor Nelson. Erfolg bedeutet für ihn mittlerweile die bestmöglichste Kunst zu machen. Es geht ihm darum, das Bild “junge Schwarze Männer oder junge Schwarze Rapper sind nur wütend” zu denunzieren. Stormzy versucht real zu sein und echte Gefühle zu zeigen. Auch seine musikalischen Einflüsse sind neben Skepta und anderen Grimekollegen anders als die Mehrheit erwarten würde: Stevie Wonder, Frank Ocean, Cleo Sol, Lauryn Hill, India Arie, Adele, Beyoncé und über allen Whitney Houston.
Das so viele Frauen große Vorbilder für Stormzy sind, sollte für Fans nicht überraschend kommen. Der Künstler hat sich in seiner Musik und öffentlichem Leben schon immer stark für andere Künstlerinnen wie z.B. zuletzt Little Simz eingesetzt. Auch auf »This Is What I Mean« wird das Spotlight in einigen Tracks weg von ihm selbst und auf starke Frauen gerichtet. Im Folgenden werden einige Highlight des Albums genauer betrachtet, da für das ganze Album hier der Platz fehlt.
Fire + Water
Intro für das Album ist der Song »Fire + Water«, auf dem Stormzy zu einem zarten, leicht gedämpften Piano singt. Der Track baut sich ganz langsam auf, während Stormzy zwischen gefühlvollem Rap und Gesang mühelos hin und her switcht. Zu dem E-Piano kommen E- und Akustikgitarre und langsam lässt sich als Hörer*in erkennen, wohin die Reise geht. Die Musik zieht hier gleichermaßen in den Bann wie Stormzy selbst. Zwischen dritter und vierter Minute setzt die (klischeelose) Panflöte ein und Sampha’s Stimme ist im Hintergrund als Echo auf Stormzy’s Frage „What Do I Know?“ zu hören. Sampha ist hier auch der Übergang für den eigentlichen Höhepunkt des Liedes. Gerade dadurch, dass diesem Song die Chance gegeben wird sich über 08:17 Minuten zu entfalten, bekommt man nicht das Gefühl, dass man gerade mitten im Song ist, nur um dann abrupt rausgerissen zu werden. Spannend ist auch, wer alles hinter »This Is What I Mean« steckt. Zum einen gibt es die Produzenten Kz und PRGRSHN. Vor allem Kz ist dabei kein Unbekannter in der UK-Szene und steckt hinter dem ein oder anderen Hit. Neben Sampha sind aber auch deutlich Jacob Collier und Tendai als Background Vocals zu hören. Beide Künstler*innen sind auch noch auf diversen anderen Songs der Platte vertreten.
Deutlicher sticht dann der Gesang von Debbie heraus, die Stormzy im letzten Viertel des Songs unterstützt. Die Soulsängerin aus London steht gerade am Anfang ihrer Karriere und hat durch ihre ehrliche Art Songs zu schreiben dennoch schon Wellen geschlagen. Perfekt also, dass sie Teil des »This Is What I Mean« Teams ist und damit eine noch größere Bühne für ihr nicht von der Hand zu weisendem Talent erhält.
THIS IS WHAT I MEAN
Auf »Fire + Water« folgt der wohl “grimieste“ Song und Namensgeber des Albums »This Is What I Mean«. Der Song kann einfach nur als episch beschrieben werden. Sanfte Pianoklänge führen in den Song, nur um dann jäh unterbrochen zu werden von einem düsteren Bass und drastischen Violinen. Zusammen mit dem Chor und Jacob Colliers Geisterchorstimme legt Stormzy hier richtig los. Zum einen gibt er hier sein persönliches Statement zu sich als Künstler ab. Zum anderen ist es auch der Beweis, dass er nicht weniger tough ist nur weil das Album insgesamt sanftere Töne als bisherige Projekte anschlägt. Stark sind neben dem großartigen orchestralen Sound aber auch die Features. UK-Rapperin Ms Banks räumt mit ihrem Verse erstmal auf. Zusammen mit Amaarae und Black Sherif ist der Song positiv anders und eine schöne Ansage an alle Hater und Kritiker*innen des Albums.
PLEASE & SAMPHA’S PLEA
Ein weiteres absolutes Highlight ist der vierte Track »Please«. Wieder kommt hier das Piano zum Einsatz , diesmal in Verbindung mit der weiblichen Stimme, die unterstützt von Chorgesängen leidenschaftlich das einzelne Wort “Please“ wiederholt. Stormzy führt in Spoken Word-Manier wie ein Prediger durch den Song. Es geht um den Schmerz den Stormzy gesehen und erlebt hat. Aber es geht auch um Vergebung und Befreiung:
This pain I’d rather hold. Because it’s made me who I am. It’s probably time I let it go, I free myself from myself. I free youth from regret. I grant you peace before you rest. And that’s the least you should get. I think we’ve both suffered enough, please.
Stormzy auf »Please«
Der Song geht direkt unter die Haut und wird dann vier Songs weiter auf »Sampha’s Plea« fortgeführt. Auf »Sampha’s Plea« ist Sampha solo am Piano zu hören. Alle, die bis hierhin noch keinen Gänsehautmoment hatten, werden den spätestens jetzt erleben. Auch hier fällt extrem positiv auf, dass Stormzy Sampha diesen Platz auf dem Album gibt. Ein ganzer Track auf dem Stormzy selbst nicht zu hören ist. Auch das ist ein Beweis für seine Liebe zur Musik, die noch nirgendwo deutlicher zu hören und spüren war als auf »This Is What I Mean«.
MY PRESIDENTS ARE BLACK
Passender Mittelpunkt des Albums ist der Track »My Presidents are Black«, auf welchem der 29-Jährige seine ganze Frust über die Industrie rauslässt. Besonders die Hürden, die einem als Schwarzen Künstler in den Weg gelegt werden, werden thematisiert: Du bist nur ein Rapper, es kann immer nur einen geben. Ein weiterer Punkt, von dem Stormzy sich befreit und auch seine ganze Karriere lang schon gegen an gegangen ist. Ein starker Song mit sehr starkem Statement. Spannend ist hier auch, dass der Song keinen klassischen Aufbau hat. Es ist wie auch schon bei »Please« ein Monolog und Outro, was den Song noch mehr auf Hörer*innen einwirken lässt. Zusätzlich zu dem Gesumme des Chors entsteht hier ein Song, der jede dunkle Wolke vom Himmel verscheucht und nur Platz für positive Vibes lässt.
OUTRO – GIVE IT TO THE WATER
Mit dem letzten Song »Give It To The Water« schließt sich der Kreis. Zu hören ist hier im Hauptteil wieder die Künstlerin Debbie, die uns hier einmal mehr in den Bann ihrer Stimme zieht. Stormzy kommt im Finale des Songs dazu und die beiden singen im Duett zu gewaltigem Piano und Chorgesang den Rest des Liedes. Besonders schön ist hier auch, wie die Thematik des Wassers wieder aufgenommen wird. Alle die beim Hören dieses Liedes nicht ein bisschen Pippi in den Augen haben, sind emotionale Toastbrote.
FAZIT
Zusammenfassend hat Stormzy mit »This Is What I Mean« ein Album geschaffen, das vom ersten Hören an eine Gänsehaut auslöst, die von den Ohren direkt ins Herz geht und den ganzen Körper bis in die Zehnspitzen einnimmt. Ein unglaublich stimmiges und wunderschönes Hörerlebnis, das eine Hoffnung in sich trägt, die auf die Hörer*innen überschwappt. Der UK-Künstler beweist mit mit seinem neuesten Album, dass er nicht nur im Grime zuhause ist. Vielmehr ist »This Is What I Mean« eine Liebeserklärung an die Musik selbst und erfüllt Hörer*innen mit Wärme, Liebe und Zuversicht.