Es ist wieder Zeit für den Mostdope-Jahresrückblick. Jeden Adventssonntag blicken wir auf das Jahr 2024 zurück und stellen euch unsere Bestenlisten in verschiedenen Kategorien vor. Welche Künstler*innen haben das zurückliegende Jahr mit ihren Songs, EPs oder Alben am meisten geprägt für uns?
Zum 4. Advent stellen wir euch hier unsere Top 10 der deutschsprachigen Alben vor. Welche Tracks aus diesem Jahr hat die Redaktion am meisten gefeiert?
Honorable Mentions
Bevor die vordersten zehn Plätze kommen, gibt es hier noch einmal eine Auswahl an Alben, die das Ranking nur ganz knapp verpasst haben. Unter den über 40 zur Auswahl stehenden Alben bei unserer Bestenliste haben es diese Langspieler zwar nicht ganz nach oben geschafft, aber unser Jahr 2024 stark geprägt.
• JACE & Dexter – 9 Leben
• Pashanim – 2000
• Tua – Eden
• tooloudfortheroom – tooloud vol.1 (lemvig)
• Sant – Bisschen mehr Gefühl
• Gerda – Believe in Gerda
Platz 10: Ebow – FC Chaya (VÖ: 27.09.)
Fanclub Chaya, Fußballclub Chaya, »FC Chaya« – Ebows viertes Studioalbum ist einem Typus gewidmet, zu dem sie sich selber zugehörig und hingezogen fühlt. Es geht um Selbstfindung und Selbstliebe, um politische und sexuelle Freiheit, um Hoffnung, Queersein und Lebensfreude. Das Album verarbeitet Ebows Identitätsfindung, die zehrende Diskrepanz zwischen starren kulturellen Normen und der fluiden individuellen Realität. Es ist schmerzhaft, herzerwärmend, empowernd und zeitlos.
Platz 9: Ramzey – COBALT (VÖ: 26.04.)
Textlich widerlich, aber das macht Erwachsenenmusik eben aus. Wem das trotzdem nicht passt, der sollte einfach weghören. Für uns ist Ramzey mit seinem Album »COBALT« nicht Buh, sondern unnormal gut. Produziert von Funkvater Frank und Yaze mag das Album nicht Jedermanns Geschmack treffen und geht zweifellos gelegentlich zu weit, aber Ramzey macht das ganze auf eine so verschmitzte Weise, dass man es eher als Stilmittel sehen kann und nicht als ignorant. Melancholisch im Status und mit dem »RAMMBOCK« durch die Tür, schafft es Ramzey für uns definitiv nach »LA LA LAND« und »COBALT« verdient Platz Neun auf unserer Bestenliste.
Platz 8: Levin Liam – gesicht verlieren (VÖ: 27.09.)
Viel hatte man sich erhofft von diesem Debütalbum, nicht alles konnte oder wollte gehalten werden. Levin Liam gibt sich auf »gesicht verlieren« betont trotzig gegenüber Erwartungen der Szene und Mustern der Industrie. So startet das Album ohne Drums und nimmt sich ordentlich Zeit, bis zu den offensichtlichen Hits. Wer jedoch genug Geduld mitbringt und wirklich eintaucht in die Soundwelt, wird definitiv belohnt. Allen ungeduldigen bleiben mit »btw« und »aufwachen« zwei der härtesten Brecher des Jahres.
Platz 7: Souly – Bossbaby Tape (VÖ: 23.02.)
Eigentlich hat Souly sich 2024 Zeit genommen, um in Ruhe an seinem Follow-Up zu seinem umjubelten Debütalbum »Ich wünschte es würd mich kümmern« zu arbeiten. Das ist, inklusive groß aufgezogener Tour und großflächiger Konzeptvisualisierung auch für nächstes Jahr geplant, doch 2024 hat es neben unzähligen Liveterminen auch noch für ein Tape gereicht, das viele andere höher angesetzte Releases locker wegsteckt. Das »Bossbaby Tape« hat neben einer so simplen wie ausdrucksstarken Videokonzeptidee jede Menge Abwechslung zwischen Brechern wie »Bundeswehr« und dem »Bossbaby Intro« oder gefühligen Innehalten-Songs wie »Sterne nehmen« zu bieten.
Platz 6: Bazzazian – 100Angst (VÖ: 18.10.)
Produceralben sind immer so eine Sache. Natürlich sind sie meist bestens vernetzt und natürlich haben sie einen Haufen Ideen im Kopf, um die spannendsten Kombinationen zusammenzubringen. Doch häufig geht bei dem Versuch die Vielzahl an Künstler*innen zu vereinen ein wenig die eigene Handschrift verloren, weil sich um die Präsentation der Artists bemüht wird. Das Debütalbum von Bazzazian, seines Zeichens der instrumentelle Kopf hinter dem brachialen Sound von Haftbefehl und einer Menge weiterer Deutschrapper, ist keins dieser Produceralben. Stattdessen bastelt der Kölner auf »100Angst« einen stets zwischen Melancholie und Aggressivität changierenden Industrial-Sound, auf dem sich Gäste wie Souly, Haiyti oder Blumengarten eher untergeordnet einfügen und durch geloopte Satzfetzen oder Endloswiederholungen selber zum Instrument werden.
Platz 5: Verifiziert – bulletholes (VÖ: 01.11.)
Eineinhalb Jahre nach Veröffentlichung ihres Debütalbums »adhs« legte Verifiziert diesen November mit »bulletholes« gebürtig nach. Im Vergleich zum Vorgänger ist die Platte aber deutlich entschleunigter, melancholischer und ehrlicher. In einer Art modernem Ikarus-Mythos rekapituliert die Wienerin belastende Erlebnisse ihrer Vergangenheit und die Suche nach einem Weg damit umzugehen. Bei Veri’s sanft zarter Stimme gepaart mit u.A. den intimen Produktionen von Mo.Nomad muss man sich nicht selten die Tränen und bei für sie typischen Anglizismen und popkulturellen 2000er Referenzen das Lachen verkneifen.
Platz 4: Paula Hartmann – kleine Feuer (VÖ: 08.03.)
»kleine Feuer« ist ein Album das trotz großer inhaltlicher Schwere und geballter Melancholie ungemein viel Spaß macht. Paula Hartmann ist es auf ihrer zweiten LP gelungen, ihren Sound zu festigen und gleichermaßen um eine Vielzahl an Facetten zu erweitern. Mit Features von Lucio101 bis Veriziert, typischer Stadtmärchen-Ästhetik und einer unvergleichbaren lyrischen Raffinesse bestätigt die Charlottenburgerin ihren Status als Everybody‘s Darling.
Platz 3: K.I.Z – Görlitzer Park (VÖ: 21.06.)
“Jetzt bin ich Mitte 30 und langsam ist es peinlich / Ist das noch Pubertät oder schon Mid-Life-Crisis” hieß es auf dem Outro des letzten K.I.Z-Albums und spätestens da konnte man sich schon vorstellen, dass die Ernsthaftigkeit immer stärker Einzug in die Diskographie der drei Berliner halten würde. »Görlitzer Park« löst dieses Versprechen auch mit absoluter Trefferquote ein: schon das grauschwarz gehaltene Artwork und die erste Single zeigen, dass jede Spur von dem sonst so gewohnten doppeltem Boden verschwunden ist. Nico, Tarek und Maxim legen ihre Sorgen, Ängste und Beobachtungen von aktuellen und zurückliegenden Geschehnissen schonungslos offen, verstecken sich so ganz und gar nicht mehr hinter bitterbös-zynischen Zeilen und geben eine unmissverständliche Antwort auf die alte Frage: Können K.I.Z auch ernst?
Platz 2: OG Keemo – Fieber (VÖ: 05.01.)
Schon direkt zu Beginn von 2024 kam OG Keemo mit einem Mixtape um die Ecke, das von vornherein als einer DER Anwärter auf das beste Projekt des Jahres geschätzt wurde – ohne der Konkurrenz überhaupt Zeit zum Droppen gegeben zu haben. »Fieber« zeigt einen deutlich gelockerten Keemo, der anstelle eines schwerfälligen, einnehmenden Albums á la seinem Magnum Opus »Mann Beißt Hund« nun ein Tape voller unerwarteter und sprunghafter Songideen.
Ganz zum ersten Platz hat es nun doch nicht gereicht, da kam ihm ein noch stärkeres und runderes Album in die Quere, doch was Keemo und Franky auf »Fieber« wieder auf die Beine gestellt haben, scheint so mühelos von der Hand zu gehen und nach der Schwerkost vom vorherigen Album beinahe befreiend gewesen zu sein.
Platz 1: Apsilon – Haut wie Pelz (VÖ: 04.10.)
Angefangen mit dem Release seiner gepriesenen Single »Baba«, eine ehrliche Beichte über fragile Männlichkeit und transgenerationelle Traumata, begann Apsilon im Rahmen seines Debütalbums, seine Familiengeschichte zu rekapitulieren und in melodischer Form zu schildern. Arman, Ralph Heidel und Bazzazian haben gemeinsam mit ihm ein fesselndes, minimalistisches Klangbild kreiert, in dem er von Weltschmerz und Selbstzweifel sowie von der Migration seiner Großeltern bis zu seiner Jugend im tristen Moabit erzählt. Nicht nur musikalisch, sondern auch visuell (in Zusammenarbeit mit silkrock) hat Apsilon mit »Haut wie Pelz« neue Maßstäbe gesetzt und hinterlässt uns in großer Erwartung auf seine kommenden Projekte.