Der April ging gefühlt so schnell, wie er gekommen ist – doch zumindest ist einiges an Musik rausgekommen, die nachhaltig auch über den April hinaus klebengeblieben ist. Da ist zum Beispiel die lange angekündigte EP von Indiepoprap-Überflieger Zartmann, die Anfang des Monats nun endlich erschienen ist. Da ist auch das aus dem Nichts angekündigte Luvre47 Album, das auf Anhieb begeistern konnte – und da ist Kwam.Es zweite Ausgabe seiner »UpNorth«-Reihe, die fünf Monate nach dem Vorgänger gekommen ist und den kalten Norden auch im Frühling eindrücklich representet.
Luvre47 – Depression mit Meerblick

»Depressionen mit Meerblick«, so der Titel des mittlerweile vierten Studioalbums des Neuköllner Rappers, ist gleichzeitig auch tonangebend für die insgesamt 14 Tracks. Über souligen Loops, zwischen Streichen und Samples von Sido oder auch Key Glock reminisziert Luvre47 ungeschönt über anfängliche Struggles, die ihn von seiner Jugend in Berlin-Gropiusstadt bis in seine aktuelle Lebensrealität verfolgen.
Trotz steigendem Erfolg und ausverkauften Live-Shows scheint ihn die Vergangenheit nicht loszulassen, was möglicherweise auch mit den Parallelen zwischen der Musikszene und dem Plattenbau zusammenhängt, die er auf der Platte missbilligend aufzeichnet. Bei der Ergründung der Frage, wie man inmitten eines kommerzielle Höhenflugs nicht den Boden unter den Füßen verliert holt er sich darüber hinaus Unterstützung von Kwam.E und Megaloh und besinnt sich nebst Selbstzweifeln und Wut auf das System auf grundlegende Werte, wie Zusammenhalt und Moral. Auch wenn altbekannte Brecher keinesfalls fehlen, nimmt »DmM« einen Schritt zurück vom Trap und stellt Luvres ehrlich geschilderte Gedanken in den Vordergrund. Oft auch ohne Hooks auskommend, lässt sich in den Songs definitiv eine Weiterentwicklung erkennen, die seine Fans gespannt auf zukünftige Releases zurücklassen.
Michail Weiss
Kwam.E – UpNorth Vol. 2

Draußen sind’s an die 23 Grad und trotzdem wird es mit einem Mal ganz kalt. Kwam.E hat mit »UpNorth Vol. 2« das nächste Projekt aus Hamburg in die Welt geschickt und damit den direkten Nachfolger des erst Ende Dezember veröffentlichten Vorgängertapes nachgelegt.
In logischer Konsequenz knüpft die zweite Ausgabe auch soundtechnisch da an, wo er im Winter aufgehört hat, und stellt unter Beweis, wie wahnsinnig vielseitig und versiert sein Rap ist: da treffen der altbekannte classic Boombap-Style auf die unterkühlten Trapflows aufeinander, als hätten sie nie komplett anderen Generationen angehört. Und immer wieder darüber hinaus führt Kwam sein Repertoire aus und liefert so auf »Kassenklingeln« so zum Beispiel auch mal Memphis-Sound, der in keinster Weise aufgesetzt oder erzwungen wirkt. Zehn Tracks in einer halben Stunde, viel Gespiele mit Flows und Stimmungen und Features von höchst unterschiedlichen Rappern wie makko, Trettmann oder Nana Le Vrai – es ist ein höchstes klassisches Mixtape, das vor allem eines tut: representen. Da kommt es nicht von ungefähr, dass die Koordinaten des Covers das Hamburger Rathaus ergeben. Ob es nun eine Anspruchshaltung des Rappers auf den Thron der Hansestadt darstellen soll, sei mal dahingestellt. Aber man kann nicht leugnen, dass Kwam über Jahre nun die Stadt auf der Karte gehalten hat und unermüdlich geackert hat – und mit einem Feature auf dem Megalodon Remix von den Hamburger Urgesteinen Bonez und Nate57 belohnt wurde.
Matthi Hilge
Zartmann – Schönhauser EP

Zeit zum Durchatmen bleibt kaum: Nach einem äußerst erfolgreichen Jahr 2024 und einem Nummer-1-Hit meldet sich Zartmann Anfang April mit seiner »Schönhauser EP« zurück.
Nachdem er mit »Tau mich auf« Anfang des Jahres den Frühlingstrack schlechthin lieferte, bleibt es auf seiner neuen EP nicht nur euphorisch. Zwischen Zukunftsträumereien, der Verarbeitung einer Trennung und Großstadtromantik nimmt er seine Zuhörer*innen ein weiteres Mal mit in seine vielschichtige Gefühlswelt. In den insgesamt acht Tracks gelingt es dem Berliner, sowohl die großen Gesten als auch leise Zwischentöne miteinander zu vereinbaren. Ob mit gewohnten Pop-Balladen, Autotune-Experimenten oder einem Streicher-Intro – auf der »Schönhauser EP« gibt es für Zartmann keine Genregrenzen. Besonders in Erinnerung bleibt der Gastauftritt von Max Raabe, dessen prägnante Stimme in einem Duett auf »Lass es gehen« zu hören ist. Ganz nach dem Motto “Wo ist mein Ziel? Wo will ich hin?” schafft es Zartmann erneut, die Zweifel und Bedürfnisse seiner Generation in seiner Musik einzufangen.
Lara Binge