Das Album des Monats | Juni 2025

Ein Albumrelease hat diesen Monat überschattet. Auch wenn das langersehnte Album »Majic102.7« von morten endlich erschienen ist oder Dissy eine astreine Garage-Rap-Platte serviert hat, an Souly führte diesen Monat nichts vorbei. Seit vielen Monaten erfuhr sein angekündigtes zweites Album einen riesigen Hype, am 13. Juni ist es dann tatsächlich erschienen. Auch wenn das Album noch vieldiskutiert ist und die Geister spaltet, so steht doch spätestens seit Platz 1 in den Charts fest: Souly ist trotz betonter Sperrigkeit ganz oben angekommen. Was macht »traence« so besonders?

Souly – trænce

»trænce«-Albumcover

“Ich habe das Gefühl, dass wir gerade den Beginn von etwas sehr großem miterleben”.
“Endlich wieder ein richtiger Künstler”
“Traence setzt neue Maßstäbe – Traence ändert alles! Nichts wird mehr sein wie zuvor! T”

Solche Kommentare finden sich unter ausnahmslos jeder Vorabsingle von »traence«. Keine Frage, Souly hat eine Fanbase um sich geschart, die in weiten Teilen jeden Schritt ihres selbst ernannten Ziegenministers mitgeht. Das ist allerdings auch bitter nötig, denn ein Verlassen aufs Wohlbekannte ist bei dem 28-Jährigen chancenlos.

Immer ein wenig gegen den Strom, immer ein wenig anders als der Rest. Das polarisiert naturgemäß, doch immer mehr Menschen strömen in seine Richtung und lassen sich auf jeden der neu eingeschlagenen Wege ein. Der neueste führt nun weit weg von dem materialistischen, den er auf seinem Debütalbum »Ich wünschte, es würd’ mich kümmern« noch ausschweifend zelebriert hat. Statt Geldbündeln und schwarz-lila-grünen Visuals dominieren mit einem Mal endlose Weiten, brutalistische Bauten und ein ewiges Weißgrau, das alles verhängt.

Die neue Vision stellt nicht nur die Ästhetik auf den Kopf, auch in seinem Sound hat sich Souly noch einmal völlig neu aufgestellt. Zwar sind mit Waterboutus und Stoopid Lou immer noch die gleichen Producer wie von Beginn an maßgeblich am Soundbild beteiligt, doch der Fokus ist vom klassischen Trap und schnellen Kicks weggewandert und bedient sich deutlich großflächigeren, einnehmenden Instrumentals. Waren bei »Ich wünschte, es würd’ mich kümmern« noch einzelne Songs wie das »Matt Mendo Interlude« und »Bunte Bündel« aufeinander aufbauend, so wirken die 16 Songs von »traence« wie aus einem Guss. Die hyptnotisch wummernden Beats fließen ineinander, bedienen sich allen möglichen elektronischen Spielarten und lassen im Zusammenspiel mit Soulys Satzfetzen den Albumtitel zum Leben erwecken.

Was aber unter all diesem betonten Innovationen setzen und Anders-Sein dann doch greifbarer wird: Die Referenzen auf seinem zweiten Album bieten hohes Identifikationspotential. Da sind zunächst die zahllosen Bushido-Zitate, die sich quer durch das Album ziehen und einen Nostalgiefaktor trotz innovativem Sound hereinbringen. Auf der anderen Seite wird die große Schnittmenge an Souly- und US-Rap-Fans bedient. Wenn er auf »Maske weg« einen offensichtlichen Fingerzeig in Richtung Future schickt, ruft das genauso die US Rap-Fans auf den Plan wie bei dem Flow, der den schon länger im Raum stehenden Playboi Carti oder 2hollis-Vergleich nicht kleiner werden lässt.

Ob Souly mit »traence« neue Maßstäbe setzen wird, das bleibt abzuwarten mit Blick auf zukünftige Releases aus der Deutschrap-Bubble und eventuell folgende Nachahmer*innen. Doch Platz 1 der Charts beweist allein schon, dass Souly sich mit seiner Musik so wüst ausprobieren kann wie er nur will – die Deutschrap-Szene und eine immer größer werdende Fanschar folgt ihm quasi bedingungslos.

Matthi Hilge