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Zwischen Wertschätzung und Frustration Luvre47 sagt »Danke Für Alles«

Pünktlich zu Ostern bedankt sich Luvre47 mit seinem dritten Studioalbum für die erreichten Meilensteine der letzten Jahre. Die LP baut erfolgreich ein Gerüst um die facettenreiche Auswahl an Singles und offenbart einen inhaltlichen Bogen, der in seiner Schlüssigkeit nicht vorhersehbar war. Der Sound der Platte ist ähnlich querbeet wie der Kader beteiligter Produzenten und bietet Raum für Luvres vielseitiges Gemüt. Was bleibt, ist eine Komposition für alte und neue Fans des Neuköllners, die in den richtigen Momenten textlich fordernd ist. L-U-V sagt »Danke Für Alles« und wir danke für 41 Minuten authentischen Hauptstadtrap. 

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Das Album beginnt so, wie das vorherige aufgehört hat. Ähnlich wie das Outro auf dem 2022er Projekt »1000 Nächte« klingen die ersten Tracks auf »Danke Für Alles« nachdenklich und verdrossen. Die Schattenseiten des Lebens im sozialen Brennpunkt und die Schwierigkeiten des Straßen-Hustles münden auf »Eure Welt« und »6 Fuß Tief« in Kritik an der Klassengesellschaft. Harte und ehrliche Worte, die oft aus der Retrospektive geschrieben sind und auf den minimalistischen Sample-Beats ihre volle Wirkung entfalten: 

Für die, die hustlen, weil du musst, nicht weil du einen Status brauchst. Für die mit gar nichts im Bauch gibt’s keine Wahl. Der Weg gezeichnet, von Hass auf schwere Zeiten, von Hass auf jeden Reichen, die mit Kellern voll mit Leichen. In der Hoffnung eines Tages mal wie die zu leben, platzen Träume wie Reifen

Luvre47 auf »Eure Welt«

Zwischen Kiezromantik und Realität

Die Grundthematik der Platte ist an dieser Stelle zwar prinzipiell vorgegeben, doch es bleibt offen, wie sich L-U-V selbst in diesem Bildnis begegnet und wie dessen musikalische Aufarbeitung klingen soll. Bis auf die zwei Konzeptsongs »Kein Strom« und »Bruder«, auf denen der Neuköllner den Hustle einer jungen Frau aus vergleichbaren Verhältnissen und eine glaubwürdige Brother-From-Another-Mother-Story beschreibt, bleiben sich die Lieder in ihren Momentaufnahmen aus dem Kiez und ihrer variierenden Verarbeitung durch den aufstrebenden Rapper treu. 

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Musikalisch hat man sich nach den ersten drei Songs an die eher seichten Beats samt Piano- und Gitarrensamples gewöhnt und sich auf den leichtverträglichen Klang eingestellt. Damit wird umgehend gebrochen. »Schmutz« bildet, genau wie »G-Block« später in der Tracklist, einen akustischen Seitensprung und ist einer der zwei Trap-Banger, die an den „alten“, wilden Luvre47 erinnern. Druckvoll gerappte, teils schnelle Bars, altbekannte „Ja Ja“ Adlibs und düstere Instrumentals erübrigen die Frage, ob der Gropiusstädter noch hart klingen kann. 

Inhaltlich weiter an den Gefahren des Problembezirks und illegalen Geldbeschaffungsmaßnahmen festhaltend, ändert sich im Folgenden Luvres Blickwinkel. Von »Film« mit Lugatti, über »Tourstop« und »NMB« featuring Haki und Dietrich bis hin zum achten Song »Schuhcreme« etabliert sich eine andere Stimmung. Die Flows sind wieder laidback, die Hooks zunehmend melodisch, und inmitten des finsteren Straßenbildnis wächst die Wahrnehmung des eigenen Erfolgs. Nichtsdestotrotz bleibt der harte Weg bis hierhin nicht unbetont und das Empfinden kompletter Sorglosigkeit kommt nicht auf. 

Komm’ von keinem Bett, nur Matratze, aber heut kann ich bequem, Sushi-Pimper Hollys dreh’n, im S-U-V von BMW

Luvre47 auf »Schuhcreme«

Derartige Glücksgefühle entwickeln sich erst zu Beginn des letzten Albumdrittels, wenn auf »Sommernacht« und »Vier Jahreszeiten« fast schon so etwas wie Lebensfreude zu vernehmen ist. Ersterer Track fällt hierbei durch seine Massentauglichkeit auf, da die treibenden Drums und das Großstadt-Sommermärchen beinahe eine Pashanim Ästhetik aufkommen lassen. Ein Song mit vermutlich vorgesehenem Hitpotenzial, der an dieser Stelle der albuminternen Gefühlsreise jedoch keineswegs unpassend erscheint. 

Langer Weg vom Kisten schieben oder Schwarzarbeiten. Zu Bestell für Brüder, Zimmerservice im Vier Jahreszeiten

Luvre47 auf »Vier Jahreszeiten«

Ein Kreislauf aus Hoffnung und Enttäuschung

Luvres Abstecher in die „Heute ist alles besser“-Erzählung ist allerdings nicht von langer Dauer und so schließt sich der Rundkurs des Albums mit erneut nachdenklichen Tönen. Was zu Beginn der LP auf die Erfahrungen vom Blockleben vergangener Tage zurückzuführen war, resultiert auf »Biggie Interlude« und »Ein Moment« aus Erschöpfung von der Gegenwart. L-U-V ist müde vom Hustle und abgefuckt von der Industrie. Sehnsucht nach Ruhe und Distanz macht sich breit, was den angemessenen Rahmen für den dritten und letzten Featuretrack »Trümmer« mit Disarstar und TJARK bietet. Dieser stellt als vorletzter Song ein forderndes Highlight dar und befördert den bis dato zufriedenen Luvre zurück in die gesellschaftliche Frustration. Das ideale Trio für einen Song, der an dieser Stelle des Albums nur als Hinweis darauf zu verstehen sein kann, dass unabhängig vom individuellen Aufstieg der Großteil betroffener Menschen auf der Strecke bleibt und in einer Lebensrealität verharren muss, die man in seinen Texten nur noch retrospektiv porträtiert. Eine ernüchternde Feststellung, die die folgende Insichgekehrtheit rechtfertigt. 

Krieg’ Hass, wie Politiker reden und reden, doch hab’n unser Leben nicht ein’n Tag geseh’n.
Ja, trag mal die Tüten mit siebzig und Rücken, wenn der Aufzug Wochen nicht geht in den Zehnten.

Luvre47 – Trümmer feat. Disarstar & Tjark

Somit endet die Fahrt durch Luvres Achterbahn der Gefühle. Eine Strecke, auf der es zu teils unerwarteten Wendungen musikalischer sowie inhaltlicher Natur kommt, und die final trotzdem Sinn ergibt. Die Produktion in Zusammenarbeit mit DTP, 808Twins, Babyblue und vielen weiteren gelingt im Angesicht des weiten Songspektrums gut. Somit ist »Danke Für Alles« ein Album, welches trotz einzelner Auffälligkeiten und bleibender Highlights insbesondere chronologisch abgespielt eindrucksvoll ist und den vorherigen Projekten des Süd-Neuköllners vollends gerecht wird. 

Fazit
Mit »Danke Für Alles« liefert Luvre47 eine Hauptstadtrap-Odyssee, die die Erlebnisse in Neukölln ungeschönt und authentische einfängt, die sowohl alte als auch neue Fans von Luvre abholt.
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