via Universal Music

Eine Ehrenrunde für die West Coast: Kendrick widmet »GNX« seiner Heimat

„Sometimes you gotta pop out and show n*****“: diese mittlerweile milliardenfach gestreamte Line auf »Not Like Us« hat Kendrick Lamar schon wieder wörtlich genommen und völlig überraschend sein sechstes Album »GNX« veröffentlicht. Nach seinem Beef mit Drake dreht der Compton-Rapper jetzt zum Ende eines denkwürdigen 2024 seine Ehrenrunde. Analog zu dem Boxer Tyson Fury, der nach einem Sieg »Sweet Caroline« anstimmt, bringt Kung Fu Kenny mit »GNX« ein Album heraus, das zwar das Rad nicht neu erfindet, aber dennoch eine gelungene Hommage an die Sounds der West Coast bietet – und jede Menge Leichtigkeit.

Dabei setzt Kendrick weder auf große Featurenamen (mit Ausnahme von SZA und Roddy Ricch, der aber schon leicht in Vergessenheit geraten ist) oder durchdachte Konzepte, sondern auf eine Leichtigkeit und Diversität von Tracks, die teilweise in ihrer Anordnung einem Mixtape gleichkommen. »GNX«, nach dem Buick Grand National Express benannt, ist dabei eher verwaltend als revolutionär. Kein Wunder also, dass auf der Producerliste kein anderer als Jack Antonoff steht, der Verwalter unter den Produzenten. 

Ohne Konzept direkt ans Ziel

Das Album beinhaltet u.a. ideelle Fortsetzungen von anderen Tracks (»tv off« als Fortsetzung von »Not Like Us«), eine tatsächliche Fortsetzung (»heart pt. 6«), eine gelungene 2Pac -Hommage (»reincarnated«) sowie zwei SZA-Features durch das Duett »luther« und den Closing Track »gloria«.

Konzeptionell hat das Album vielleicht nicht den gleichen genreprägenden Impact wie ein »good kid m.A.A.d city« oder »to Pimp A Butterfly«, denn es sind dieses Mal weniger der Sound oder die Texte, die das Album prägen, sondern der Moment. Kendrick kapitalisiert seine Glanzleistung im Beef des Jahrzehnts und tanzt in der Folge auf der Bühne. Für sich und für eine vereinigte West Coast. 

„Who put the West back in front of shit?“

Repräsentativ für die Westküste ist auch direkt der zweite Track, »squabble up«, der sinnbildlich in seinem Bounce und Grit für eine LA-Block Party steht. Auch DJ Mustard, der mit zahlreichen Produktionen für YG und Tyga so wichtig für den Sound der 2010er war und gerade seinen zweiten Frühling erlebt, wird auf »tv off« entsprechend gewürdigt.

Doch neben Party und Ehrenrunde beinhaltet »GNX« auch tiefgründigere Tracks, die sich in der Flughöhe zwischen der vollen Introspektion und Blanklegung von »Mr. Morale« und dem gesamtgesellschaftlichen Bild von »To Pimp a Butterfly« einreiht. Besonders »man at the garden« und der Closer »gloria« zeigen eine Reflektion von Kendrick Lamar als Rapper und Mensch, der so weit in den Hip-Hop Kosmos eingedrungen ist, dass selbst seine Beziehung zum Schreiben von Songs als schwankende Liebesbeziehung personifiziert wird.

My woman and my right hand, my saint and my sin
Ain’t no bitch like my bitch ’cause that bitch been my pen

»gloria«

»GNX« mag sich insbesondere durch die komplett unangekündigte Veröffentlichung und vergleichsweise konzeptlose Art anfühlen wie aus dem Ärmel geschüttelt. Aber aus Kendricks Ärmel geschüttelt ist oftmals besser als komplett durchgeplante Werke anderer Rapper. Diese Planungslosigkeit verleiht »GNX« auch Vorteile, als ein seltenes Kendrick Album auch mal im Hintergrund – ohne konstante Interpretation und genius.com im Nebentab – laufen zu können. Dahingehend bietet »GNX« eine verspielte Leichtigkeit, wobei die Tracks dennoch genügend Tiefe innehaben, um nicht komplett an der Oberfläche stecken zu bleiben.

Fazit
»GNX« ist kein Meilenstein, sondern eine lockere Ehrenrunde, die Kendricks Verbindung zur West Coast feiert – unaufgeregt, aber wirkungsvoll.
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