Filu – Gold im Innenhof

Plötzlich war da dieser Song im wöchentlichen Spotify Release Radar und plötzlich diese Stimme, die den Kopf nicht mehr recht verlassen wollte. Was sich aus der Kollaboration von Filu und Harry Quintana musikalisch entfaltet, ist wahrhaftig »Gold«. Silben, die flüssig und schwer in die Länge gezogen ins Ohr sickern, um sich im Kopf zu verfestigen.

Filu, ein ambitionierter Rapper aus Dresden, muss sein Handwerk ganz offensichtlich verstehen, wenn er es nicht nur schafft, einen Untergrund-Routinier wie Harry K auf seinen Song zu locken, sondern ihm auf diesem Song dann auch noch in nichts nachzustehen. Mit hypnotisierender Melodieführung, dem etwas unorthodoxen Songaufbau und einem natürlichen Gefühl für den Beat erschafft Filu einen musikalischen Raum, in dem sich sein bayerischer Feature-Part ebenso entfalten kann wie er selbst.

Dabei hat er gerade erst Anfang 2020 begonnen Musik auf Spotify zu releasen und bis dato noch keine großen Streamingzahlen vorzuweisen. »Gold« ist der einzige Song über der 100.000er Hürde. Sein bisheriger Output ist dennoch mindestens schon mal quantitativ beachtlich. Bereits zwei Alben und diverse Singles finden sich in seiner Diskografie, das dritte steht in den Startlöchern. Verfolgt man die musikalische Entwicklung in diesem vergleichsweise kurzen Zeitraum, bemerkt man eine spannende Veränderung. Wirkte er auf früheren Releases wie dem auf dem Juice Youtube Kanal veröffentlichten »Wird schon gehen« noch teilweise, wenn auch voller Energie, etwas verkrampft und hektisch, sprühen die jüngsten Veröffentlichungen förmlich vor Routine und professioneller Gelassenheit. Die Energie hat er dabei keineswegs verloren, vielmehr scheint er mit einem gesunden künstlerischem Selbstbewusstsein im Rücken und Mut zum Experimentieren seinen Sound gefunden zu haben – man könnte sogar sagen, er hat einen regelrechten Lauf, was die Single-Veröffentlichungen angeht. 2022 reiht er in unregelmäßigem Rhythmus Hit an Hit und facht damit die Erwartungen an sein kommendes Album mehr und mehr an.

Die angesprochene Routine findet sich sowohl in der Art wie er textet als auch in den immer wieder aufs neue eingängigen Melodien, die er findet, sowie den vielfältigen Beats, auf denen er mühelos funktioniert. Dieses Potenzial schimmerte auch in seinen früheren Releases an vielen Stellen durch, nur scheint sein Selbstverständnis heute ein anderes, gefestigteres zu sein.

Beispielhaft soll dennoch ein Juwel aus seinem zweiten Album nicht unerwähnt bleiben: »Bahamas«, ein Song über falsche Versprechungen und tropische Inseln, ist gleich auf zwei Arten typisch für Filus Sound. Im Kern steht der inhaltliche Kontrast zwischen sonniger Südsee und schmerzhaften Erinnerungen. Dieser wird aufgearbeitet in einem auffallenden textlichen Perfektionismus. Da quetscht sich keine Silbe zu viel in eine Line, kein Reim bleibt unaufgelöst – Zeile nach Zeile fließt in Harmonie von der Melodie getragen wellenartig über den Beat.

Die Art, wie er rappt, wie er Rap und Gesang kombiniert und auf welche Weise er bestimmte Themen und Gefühlswelten in seinen Texten verarbeitet, lässt intuitiv einige Assoziationen aufkommen. Zum Beispiel Vielfalt und Attitude von Sierra Kidd oder die Sinnkrisen von Harry Quintana und Paula Hartmann fusioniert mit der Wärme von Makko oder Jay Pop. Zwei Künstler aus dieser Aufzählung durfte Filu bereits als Featuregäste begrüßen, alle finden sich in seiner Spotify-Playlist. Wer weiß, wann das nächste Mal aus Inspiration Kollaboration resultiert…

In jedem Fall ist es die Arbeit mit Kontrasten, wie er die zwei Schlüsselfacetten seiner Musikalität zu verknüpfen weiß, dabei Text und Musik organisch gegeneinander ausspielt, die einen tiefen Reiz erzeugt. Denn irgendwie weiß man manchmal gar nicht, welche Emotion genau ausgelöst werden möchte. Ist es kanalisierter Frust, nostalgische Wehmut oder doch die milde Zufriedenheit, die man erfährt, wenn man sich mit schwierigen Gegebenheiten einfach abzufinden weiß? Vor allem der letzte Aspekt kommt immer wieder zum Tragen. Als perfektes Beispiel bietet sich hier die jüngste Single »Beschissenes Leben« an. Wie der Titel leicht verrät, besingt Filu ein sehr negatives Abbild seiner Wirklichkeit. Gleichzeitig möchte er aus den schlechten Umständen dennoch das beste machen. Im ersten Schritt beginnt er deshalb trübsinnige Szenen mit Humor zu verzieren,

Und ich lache wenn die ganze Stadt verbrennt, ich hab ihr doch mein Feuerzeug gegeben

Filu auf Beschissenes Leben

im zweiten verfliegt die Schwermut auf einer catchy Melodie. Vielleicht ist es dann doch kein Widerspruch, die Welt zu verabscheuen und trotzdem durch das Leben tanzen zu wollen. Schönheit im alten ostdeutschen Innenhof zu finden, Liebe in einem “beschissenen” Leben.

(…) Mein Bruder sagt: “Denk doch nochmal zurück, wie die Sonne aufgeht überm alten Innenhof von Wohnkomplex Zwei

Filu auf Wie die Sonne aufgeht feat. Jay Pop

Filu weiß also ebenso mit Worten, wie mit Kontrasten umzugehen. Seine düsteren Texte, die etwas verbissene Art, wie er den Beat mit seinen Flows attackiert und die immer präsente Melancholie werden zuweilen durchbrochen von tanzbaren Beats und einer Kopfstimme, die schwebend leicht Melodiesprünge vollführt und dabei präzise unter die Haut geht.

So erschafft er einen Sound, der in vielen Facetten funktioniert, vor allem aber prädestiniert ist für die kommenden kalten Monate. Dessen ist er sich selbst bewusst, nicht ohne Grund hat er sein nächstes Album für die dunkle Jahreszeit angekündigt. Die Ankündigung leitet er auf Instagram wie folgt ein: “War ja ganz schön mit Party und Meer (…) aber jetzt ist Herbst und das bedeutet TRÜBSAL BLASEN.”

Vielleicht gibt es also doch noch Gründe, sich mit dem Ende des Sommers anzufreunden, oder zumindest, ganz im Stile Filus, das Beste draus zu machen.