Interview: Shacke One über das Graffiti-Kneipen-Image, seine musikalische Entwicklung und die neue Generation Actionrap 
Foto via Arida Flack

Shacke One über das Graffiti-Kneipen-Image, seine musikalische Entwicklung und die neue Generation Actionrap

Zwei Tage nach dem Release von Shacke One’s viertem Soloalbum »S1« schmeiße ich mich in die für die Platte namensgebende Bahnlinie, um dem Nordberliner einen Besuch in seinem Kiez abzustatten. Am Strom der Panke spreche ich mit ihm über seine musikalische Abstinenz, Berlin, Graffiti und die neue LP.

Tom & Shacke One unterwegs an der Panke

Grüß dich Shacke, du hast zur Feier deines Album-Releases vorgestern und gestern jeweils eine Show im Astra Kulturhaus gespielt. Da frage ich mich natürlich, ob du heute stark verkatert bist.
Ja, aber das ist so ein Verkatert-Sein, was auch mit Müdigkeit zu tun hat. Also ich habe schon ordentlich getrunken, aber ich habe mich jetzt nicht komplett aus dem Leben geschossen. Vor allem am Freitag nicht, weil ich ja gestern auch noch klarkommen musste. Ich bin schon gut geledert, aber mir gehts gut, ich bin erleichtert.

Das freut mich. Dein neues Album »S1« ist jetzt, im Sommer 2022, auf den Markt gekommen, wobei die vorherigen Releases beide schon im Jahr 2019 erschienen sind. Man könnte die Theorie aufstellen, dass sich die Album Pause durch die obligatorische Live-Pause begründen lässt.
Nein, das war Zufall und vielleicht auch ganz gut. Ich hätte wahrscheinlich eine Macke bekommen, wenn alle die ganze Zeit live spielen und ich keine neue Platte fertigkriege. Ich habe das Album einfach nicht fertigbekommen und das hatte bestimmte Gründe. Gar nicht wegen der totalen Schreibblocklade – es lag eher daran, dass der Produzent, mit dem ich das Album gemacht habe, Achim Funk, auch mein Geschäftspartner ist. Mit dem mache ich das Label, mit dem leite ich das Nordberliner-Biergeschäft und mit dem produziere ich halt auch die Musik. 
Es hat sich alles dadurch krass verzögert, dass wir uns Zeit erkämpfen mussten, um überhaupt Musik zu machen. Wir machen viel mit Klamotten, wir haben einen eigenen Street-Store und es muss ja auch alles zusammen funktionieren.
Außerdem wollte ich das Album auch auf ein bestimmtes Level bringen. 
Ich hatte einen hohen Anspruch an das Album und wollte viele neue Sachen ausprobieren, die trotzdem nach etwas klingen, was nur wir machen könnten. 
Das musst du dann auch erstmal erreichen. 

Du sagst gerade schon, dass du auf dem Album neue Sachen ausprobieren wolltest. Wenn ein Otto-Normal-Deutschrap-Fan die Alben »Bossen und Bumsen« (2017) und »S1« hört, würde er wahrscheinlich sagen, das klingt relativ ähnlich. Eine ähnliche Art von Rap, sprich Sample-Beats und BoomBap. Ich habe aber auch das Gefühl, dass sich da musikalisch beziehungsweise soundtechnisch etwas getan hat. Wie anders klingt »S1« im Vergleich zu Shacke One aus dem Jahre 2017?
»S1« ist ein Stück weit wie eine Collage. Es gibt einen Song, »Mein Streifen«, der hat einen Beat, der aus 2012 von Achim Funk sein könnte. Es gibt solche Songs, die vom Musikalischen her voll in dieser Tradition drin stecken, aber die meisten Songs auf dem Album haben einen neuen Twist. Die sind auch Sample-lastig und mit roughen Drums, aber haben dann eine 808 untergemischt. Ich würde sagen, es ist ein Stück weit musikalischer und vielfältiger vom Soundbild, auch moderner, aber nicht auf jedem Song. »Prahlen & Vorangehen« zum Beispiel ist halt classsic Shacke, aber es gibt andere Songs, wie »Diskohengst« – so ein Soundbild habe ich noch nie gemacht. 
Ich habe teilweise auch Songs auf dem Album, wo ich finde, das Soundbild gab es noch gar nicht. Ich habe noch nie einen Song wie »Papi Chulo« gehört, der auf einen Latino-Salsa-Drumbreak, einen 808-Bass hat. »Unter Strom« ist so ein Hybrid aus Trap-Style und BoomBap, in ein bisschen düster und industrial. So einen Beat habe ich auch noch nie gehört. »Motiviert«, der hat eine völlig zerschredderte Snare-Drum drauf, das klingt am Ende wie ein Südberlin-Maskulin Beat, den es nie gab. Daher finde ich, ist das Soundbild schon vielfältiger und weiterentwickelt, aber ich habe trotzdem meine Roots drauf. 

Apropos Samples: Wenn man mal guckt, was du für Playlisten auf Spotify zusammenstellst, wird einem klar, dass du eine ziemliche Soul- und Funk-Vorliebe hast. Wie findet das Einfluss in deine eigene Musik? Insbesondere wenn man beachtet, dass du eng mit deinen Produzenten zusammenarbeitest. 
In erster Linie ist es die allgemeine Liebe zur Musik. Ich liebe Funk und Soul, aber wir samplen auch Sachen wie Garage Rock oder Ambient. Da bin ich noch vielfältiger. Der Fokus liegt auf dieser Latin-Mucke, das ist ja gar kein Funk oder Soul. Achim und ich, oder Klaus Layer, der auch für mich produziert,  und ich, wir hängen halt die ganze Zeit rum und tauschen Musik aus, machen zusammen Partys. Es gibt einen Song, den habe ich jetzt zum Albumrelease rausgebracht: »Fame«. Die Platte habe ich seit 8 Jahren und das Sample ist auch seit 8 Jahren im Raum. Aber dadurch, dass das so ein 70 bpm Ding ist, wussten wir nie, wie wir das nutzen sollen, da ich ja keine Doubletime Musik gemacht habe, sondern diesen 90 bpm Style gefahren bin. Aber Achim und ich wussten, es wird der Tag kommen, wo wir musikalisch so weit sind, dass wir einen Beat bauen und ich auch eine Song-Idee dazu habe. Das ist erst jetzt der Fall gewesen. Das ist ein 70er Jahre Sample mit modernen Sounds drin, mit einer 808. Natürlich wird der in keine Playlist reinpassen, aber ich scheiß komplett drauf. Ich scheiß zu 100 Prozent auf diese Spotify Playlists. Andere Leute richten ernsthaft ihren Song danach aus, dass der in eine Playlist kommt. Ich verstehe das aus finanziellen Gründen oder Karriere-Moves, aber dann suche ich mir einen Job. Dann mach’ ich was anderes. 

 Ich will nicht der Typ sein, der nur Graffiti-Rapper ist oder der nur Kneipen-Songs macht. Ich will überraschen und will auch mich überraschen.

Dann kann man eigentlich, wie du es gerade am Beispiel »Fame« gezeigt hast, sagen, dass dein Musikgeschmack dich sogar dazu verleitet, auch beim Rappen neue Wege zu gehen?
Ich versuche meine musikalischen Vorlieben einfließen zu lassen in meine Mucke und trotzdem beizubehalten, dass es eine coole Rap-Platte ist. Aber ich teste mich gerne aus, versuche auch mal, mich in einem Song softer zu machen, soweit es mir nicht zu corny ist. Ich habe keinen Bock auf eine Schublade. Ich will nicht der Typ sein, der nur Graffiti-Rapper ist oder der nur Kneipen-Songs macht. Ich will überraschen und will auch mich überraschen. Auf meine Sachen, für die die Leute mich kennen, kann ich immer zurückgreifen. Ich will die Leute ja auch nicht verprellen, indem ich was ganz Neues mache, aber natürlich muss ich mich entwickeln und mich ausprobieren, sonst gehe ich als Künstler ein. Es gibt auch Graffiti-Sprüher, die immer das gleiche Piece malen, das sind Bomber, die malen immer ihr Bombing. Ich war schon immer jemand, der sich an Styles ausprobiert hat. Auch als DJ lege ich nicht seit 8 Jahren die gleichen Songs auf, da ist die ganze Zeit eine Entwicklung drin. Meine DJ Sets werden immer eklektischer. Es fließen immer mehr Sachen ein und trotzdem soll es am Ende ein Soundbild sein, wenn ich auflege, wie kein anderer auflegen kann. So will ich auch rappen und so will ich auch malen, das ist mein Anspruch an mich. 

Das finde ich sportlich. Du hast eben schon gewisse Andeutungen in Richtung der Inhalte gemacht, also lass uns ein bisschen über die textliche Ebene Sprechen. Erstmal zum Albumtitel, »S1«. Eine S-Bahn-Linie…
…und Shacke One halt. S1 – Shacke One. 

Okay, ich dachte das hat vielleicht auch eine tiefere Bedeutung. Die S-Bahn-Fahrt durch dein inneres Ich oder so?
Ist es auch. Das ist die nächste Ebene. Ich komme vom Graffiti und bin ein S-Bahn-Kind. Ich bin immer S-Bahn gefahren, weil ich weiter draußen groß geworden bin. Ich bin mit der S1 groß geworden, das ist wie die Pulsader in meinem Leben. Ich wohne jetzt an der S1, ich habe davor an der S1 gewohnt. Ich habe schon an verschiedenen Bahnhöfen der S1 gewohnt, deswegen ist das wie eine Fahrt durch mein Leben, genau.

Ich wollte mir selbst mal zeigen , dass ich halt auch coolen Rap, der in die Fresse geht und Attitude hat, machen kann, ohne dass ich in jeder Strophe eine krasse Beleidigung reinbaue.

Wenn es um Inhalt geht, kann man natürlich einerseits gucken, wie schreibst du jetzt deine Texte und andererseits, worum geht es. Wenn wir erstmal darauf gucken, wie du deine Texte formulierst, dann habe ich das Gefühl, dass es schon weniger provokant ist als früher. Es ist nicht weichgewaschen, aber so, dass Leute wahrscheinlich weniger sagen würden, es geht unter die Gürtellinie. Wie siehst du das?
Ja und ein Stück weit war das Zwangsvulgarismus. 
Das war das, was ich mit dem Album machen wollte und das musste ich selbst erst rausfinden. Ich habe das nicht gemacht, weil ich ein Kind bekommen habe oder so. Ich wollte mir selbst mal zeigen , dass ich halt auch coolen Rap, der in die Fresse geht und Attitude hat, machen kann, ohne dass ich in jeder Strophe eine krasse Beleidigung reinbaue. So haben meine Texte ja zum Teil funktioniert, weil mir das sonst zu soft war. Ich wollte mir halt zeigen, dass ich auch einen dopen Part machen kann oder einen Battlerap-Song machen kann, aber nicht extra eine harte Beleidigung einbauen oder auf dem Album 20 neue Begriffe für Ficken erfinden muss. Ich finde das natürlich immer noch lustig, aber ich habe es halt auch schon so oft gemacht, dass mich das dann selber langweilt. Ich kann darauf immer zurückgreifen, ich werde auch nochmal einen Song machen, der richtig asi ist, wenn ich Bock darauf habe. Aber das Album wollte ich ein Stück weit erwachsener werden lassen und ich wollte roughe Songs machen, aber auch Songs, die eine gewisse Schönheit haben oder mal eine Geschichte erzählen. Einfach ohne dass ich um jeden Preis krass beleidigen oder provozieren muss. Ich war auch nie der Typ, als Privatperson, der immer übelst provozieren wollte. Bomber und ich waren da auch schon immer unterschiedliche Typen. Ich will gar keine Provokation. Ich will keine Rapper beim Namen beleidigen. Das ist für mich voll noch so dieses Teenage-Ding, wo ich jetzt rausgewachsen bin. Ich muss jetzt nicht mehr alles so machen wie mit 25. Ich höre mir das gerne von den Nachwuchs-Rappern an und finde das auch lustig, aber ich sitze nicht am Fliesentisch mit 8 Atzen, Sonntag, 16 Uhr und baller mir Pappen rein. 

Aber dann verstehe ich das eher als persönliche Entwicklung und weniger als, was irgendwer dir vielleicht anmaßen würde, Versuch der politischen Korrektheit. 
Das ist mir eigentlich egal. Das war mir vorher auch egal. Natürlich geht es vielleicht auch ein Stück weit Hand in Hand, dass ich selber in so einem Prozess bin und gleichzeitig diese Feminismus Sache sensibler geworden ist. Aber man merkt ja, man kann trotzdem nach wie vor völlig drauf scheißen. Es ist ja nicht so, dass Bonez MC weniger erfolgreich ist, weil er völlig drauf scheißt. Es gibt schon bestimmte Wörter, die ich nicht mehr benutzen würde in meinen Texten. Derbe Sprache feiere ich halt und natürlich ist die Freiheit der Sprache da ein Stück weit gefährdet, aber wenn irgendjemand sich von einem Wort angegriffen fühlt, dann nehme ich halt ein anderes Wort. Warum will ich dich unbedingt weiterhin so nennen können? Ich bin der weiße Mann, ich bin nicht die Randgruppe. Tut mir nicht weh, auf Wörter zu verzichten. Ich rappe natürlich trotzdem über Ficken und so und hab auch ein paar derbe Sachen drauf, die krasser sind als was andere rappen. Aber es ist weniger geworden bei der Platte auf jeden Fall. Aber mal über Sex zu rappen mit derber Sprache, will ich mir eigentlich nicht nehmen lassen. 
Also ich bin nicht immer der politisch Korrekteste, aber ich muss nicht um jeden Preis provozieren. Vielleicht trifft es das ganz gut. 

Halten wir so fest. Neben der Wortwahl lässt sich bei den Texten auch über die Themen sprechen. Wenn es darum geht, worüber du rappst, habe ich das Gefühl, dass da Songs dabei sind, die etwas nachdenklicher sind. »Back 2 the streets« zum Beispiel oder »Fame«. Woher kommt der Drang jetzt solche Songs zu machen, nach 3 vorherigen Solo-Alben, auf denen so etwas eigentlich keine Rolle gespielt hat?
Ja, es sind Sachen drauf, die auf jeden Fall mehr Tiefgang haben. Das ist halt einfach eine persönliche Entwicklung. Als ich »Bossen und Bumsen« gemacht habe, war das mein Leben. Ich habe nur auf die Kacke gehauen. Da ist nicht eine selbstkritische oder nachdenkliche Zeile drauf. Das Album ist nur nach vorne, ‘wir sind die größten‘, nur Party und so war ich auch immer. Aber die letzten drei Jahre haben auch mit mir etwas gemacht. So eine apokalyptische Stimmung, die über der Gesellschaft schwebt, hat natürlich ein Stück weit einen Zugang auf mein neues Album gefunden. »Unter Strom« hat am meisten diesen Abfuck mit drin, dieses Ein-Typ-Sein, der immer Power hat, verbunden mit diesem düsteren die-Welt-ist-am-Arsch. 
»Back 2 the Streets«, den Song wollte ich schon auf »Bossen und Bumsen« und auf »Shackitistan« machen. Ich wollte einen Song machen, der ein bisschen retrospektiv und ein bisschen persönlicher ist. Das habe ich auf den Alben davor nicht geschafft, weil mir das zu corny war. Ich habe es jetzt bei dem Song geschafft, dass ich den cool finde. Das ist für mich mein Lieblingssong auf der Platte, weil da halt Lines drauf sind, die ich mich nicht getraut hätte vor vier Jahren, weil ich gedacht hätte, ich will Battlerap machen. Aber so Lines wie „manchmal will ich fliehen vor dem Hustle, aber dann weiß ich, das Ziel ist nur das Ende, dann wird’s langweilig, deshalb denk ich oft, doch nie zu Ende, weil wie es aussieht, langweilt mich zu wissen, wie es ausgeht“. Das finde ich nicht pseudo-deep, das finde ich geil. Ich habe es versucht cool zu machen, dass man den Song auch hören kann, ohne so viel hineinzuinterpretieren. Was übrigens auf dem Album öfter vorkommt. Ich habe versucht, dass man mehr reininterpretieren kann, aber es funktioniert auch, wenn man es relativ leicht hört, wie bei dem »Fame« Song. 
Ich mag es nicht, wenn man sich denkt, boah alter, ‘was ist das für ein Latein die ganze Zeit, das ist mir zu krass, ich schalte ab‘. Man kann es leicht hören, man kann es aber auch tiefgründiger hören und das ist etwas, wo ich stolz drauf bin. Ich habe versucht, unterschiedliche Perspektiven einzunehmen, mehr persönliche Sachen zu machen und trotzdem der roughe Shacke zu bleiben wie auf »Prahlen und Vorangehen«. 
Ich merke auch, dass die Leute das Album erst jetzt verstehen, wo es komplett draußen ist, weil die Singles so weit auseinandergegangen sind. Zwischen »Unter Strom« und »Papi Chulo«, wie weit kann es auseinandergehen? Das ist nicht mehr nur Shacke macht In-die-Fresse-BoomBap. Ich glaube man versteht jetzt erst diese Reise, metaphorisch mit der S-Bahn, durch meinen Kopf.

Ich mache einfach, was ich machen will. Je weiter das weg ist von dem, was andere machen, desto mehr bediene ich eine Nische, wo ich gar nicht mit so vielen in Konkurrenz stehe. 

Du sagst schon, dass die letzten Jahre auch etwas mit dir gemacht haben. Das gleiche kann man, denke ich auch, über die Deutschrap-Szene an sich sagen. Man bekommt den Eindruck, dass das Rappen als solches, zumindest bei den kommerziell-erfolgreichsten Hip-Hop-Acts, noch weiter in den Hintergrund gerückt ist, als es ohnehin schon war. Also dass das, was du wahrscheinlich zu deinem Steckenpferd gemacht hast, dieses gut Rappen können, einen heftigen Part kicken und die sickesten Flows haben, immer weniger von Bedeutung ist. Fuckt dich das ab?
Nö, das fuckt mich überhaupt nicht ab. Jeder soll sein Ding machen. Ich steh gerne für etwas ein, was einzigartig ist oder mache gerne Sachen, die andere nicht machen. Ich mache einfach, was ich machen will. Je weiter das weg ist von dem, was andere machen, desto mehr bediene ich eine Nische, wo ich gar nicht mit so vielen in Konkurrenz stehe. Es gibt ja trotzdem Menschen, die gerne auf ein Konzert gehen, wo jemand Skills auf der Bühne hat. Natürlich gibt es irgendein Level, wenn keiner meine Musik hören würde oder keiner zu meinen Konzerten kommen würde, wo ich mich hinterfragen müsste. Aber ich will eher in dem, was ich mache, noch besser werden und noch crazier auf der Bühne sein. Ich könnte das überhaupt nicht, irgendwie ein Playback laufen zu lassen. Ich bin auch ein Typ, der mit Platten auflegt als DJ. Ich kann gar nicht digital auflegen. Ich muss es doch fühlen. 

Du bist natürlich auch nicht der einzige, der diesen BoomBap-Battlerap macht. Man sieht aber schon, wie du selber sagst, dass das eine krasse Nische oder ein kleines Subgenre ist. Dadurch ist das Ganze nach oben natürlich stark limitiert. Man wird damit wahrscheinlich nie auf die 1 gehen in Deutschland. Kannst du erklären, warum dir das, wie ich vermute, völlig egal ist?
Ich komme aus einem anderen Geist. Ich glaube, mein Geist ist manchmal noch mehr oldschool als ich es eigentlich bin. Ich habe schon als 15-jähriger Sachen gehört die älter waren, habe 2005 auch Musik gehört aus 1995. Ich habe nicht angefangen Musik zu machen, weil ich an die Charts gedacht habe. Ich habe mich auch noch nie in den Charts listen lassen. Da muss man wahrscheinlich irgendwie anrufen oder eine Mail schreiben. Das interessiert mich nicht. Ich sehe ja, was ich für Verkäufe hab, wieviel ich über Spotify mache, wieviel ich über Live mache, wie viel ich über Merch mache, wie viel Vinyls ich verkaufe. Das ist das, was mich interessiert. Für mein Verständnis war Musik aus den Charts fast immer scheiße. Da war ja nie Mucke, die ich cool fand als Jugendlicher. Da habe ich doch nicht gesagt, guck mal auf Platz 1 ist irgendein Ballermann-Song. War das etwas, was ich cool fand, warum ich angefangen habe zu rappen? Nein, war es auf jeden Fall nicht. 

Dieses Kneipen & Graffiti Ding, da haben Bomber und ich glaube ich so ein bisschen eine Tür eingetreten. Da gibt es Leute, die sich damit damals identifiziert haben und jetzt mit dem Sound, der in ihrer Generation mehr gehört wird, um die Ecke kommen und das ist doch geil. Das ist doch auch Hip-Hop für mich.

Wo wir gerade bei dem Thema Subgenre sind. Du hast vorhin schonmal den Nachwuchs angesprochen. Diese Nische, wie man sie auch immer nennen will, Eckkneipen-Action-Rap oder so, umfasst aktuell auch ein bisschen was an Newcomern. Du bist schon ein paar Jahre älter und vor allem auch schon seit dem Album »Nordachse« mit MC Bomber (2014) dabei. Was sagst du zu dem Nachwuchs aus der Sparte? Gibt ja ein paar Namen, die gerade hochkommen, wie die Saftboys, die du auf deinem Album gefeatured hast.
Ja, das ist schon inspiriert von uns (lacht). Saftboys ist vielleicht eine Generation unter uns, aber die, die jetzt nachkommen, also GlenGang, Tiefbasskommando, die sind nochmal neuer. Es gibt unglaublich viel Nachwuchs, gerade aus unserer Region, der mit unserem Sound groß geworden sind, wenn ich vor allem von Bomber und mir rede. Das sagen die uns auch. Die tragen das halt weiter. 
Leute wie GlenGang, Teuterekordz oder Tiefbasskommando sind Gruppierungen, die natürlich ganz anderen Sound machen, viel moderner und rave lastiger. Die sind aber total beeinflusst von uns und haben ähnliche Themen, verpacken das halt nur anders. Ich feier das übelst. Wir supporten uns. Das wächst zusammen. Also jedenfalls, wenn ich von diesem Berlin beziehungsweise diesem Nordberlin-Kosmos spreche. Im Endeffekt bleiben beim Rap die Themen auch oft gleich. Dieses Kneipen & Graffiti Ding, da haben Bomber und ich glaube ich so ein bisschen eine Tür eingetreten. Da gibt es Leute, die sich damit damals identifiziert haben und jetzt mit dem Sound, der in ihrer Generation mehr gehört wird, um die Ecke kommen und das ist doch geil. Das ist doch auch Hip-Hop für mich.

Weil du jetzt schon Nord-Berlin angesprochen hast: Warum ist in Berlin und vor allem im Berliner-Rap die Zugehörigkeit zu einem Bezirk oder Stadtteil so wichtig, dass quasi kein Berliner Rapper nicht erwähnt, wo er herkommt. 
Weil Berlin so groß ist. Man identifiziert sich und grenzt sich ab damit innerhalb einer Stadt. Ist doch klar, dass man nicht erzählt, aus welchem Viertel man in Hildesheim kommt, aber Berlin ist so eine große Stadt. Wieviel habe ich zu tun mit Spandau? Wie viel habe ich zu tun mit Steglitz? Frag mal ein Steglitzer, was er von Pankow hält. Die sagen, alter in den scheiß Osten will ich gar nicht fahren. Das ist gar nicht mal übertrieben. Das finde ich so cool an dem Nordberlin-Movement. Einen Begriff, den ich wahrscheinlich am meisten gepusht habe. Für mich ist die Idee hinter Nordberlin, dass man nicht mehr von West und Ost redet, sondern dass Nordberlin beides ist. Pankow – Reinickendorf, Wedding – Prenzlberg, das ist die Idee dahinter. Wenn man von Südberlin redet, redet man nicht von Ostberlin, obwohl Grünau Süd-Osten ist. Süd-Berlin ist der Süden von Westberlin. Das war immer so eine Teilung. Nordberlin ist das erste Mal, dass beides damit gemeint ist. Mein Leben findet halt auf beiden Seiten statt, aber das ist mein persönliches Ding. 

Graffiti ist immer noch die coolste Subkultur des Hip-Hop, weil sie einfach nicht kommerziell ist. Klar gibt es bestimmte Crews, die das kommerziell machen, aber Graffiti ist zu 95% nicht kommerziell und deswegen so cool.

Eine andere Sache, die ähnlich wie dein Kiez in deiner Musik immer wieder Thema war, ist das Sprühen. Du bist auch im Graffiti-Film Grenzgebiet zu sehen und wie du selbst schon sagtest, verbindet man Shacke One auch damit. Ich habe auch schon mit Luvre47 darüber gesprochen, weil ich das Gefühl habe, dass das in den letzten Jahren so eine kleine Renaissance erlebt hat und wieder deutlich mehr Thema ist, auch im Deutschrap. Siehst du das auch so und wenn ja woran liegt das?
Ja, weißt du warum das so ist? Weil Graffiti mit Abstand das coolste ist, was aus diesem Hip-Hop Kontext gekommen ist. Graffiti ist immer noch die coolste Subkultur des Hip-Hop, weil sie einfach nicht kommerziell ist. Klar gibt es bestimmte Crews, die das kommerziell machen, aber Graffiti ist zu 95% nicht kommerziell und deswegen so cool. Es ist einfach das gleiche geblieben im Kern. Leute gehen noch immer raus und lassen sich irgendwas einfallen, um eine U-Bahn zu besprühen, wie 1973 in New York. Im Endeffekt ist alles ein Kreis und wie jeder Mode-Hype irgendwann wiederkommt, ist halt Graffiti was, was jetzt auf einmal wieder cooler ist. Für uns war es immer cool, aber ich kann mir vorstellen, für manche Leute ist es auch cooler, weil vielleicht Leute wie Ufo oder 187 den Hintergrund haben. Die sind damit genauso groß geworden wie ich. Jeder hat halt andere Facetten, die einen sind mehr Straße, mehr G, ich bin mehr so der Kiez-Späti Typ. 

Demnach ist Graffiti also auch cooler als Rap?
Klar ist Graffiti cooler als Rap, dikka! 
Rap ist mittlerweile so mainstream poppig geworden, alles ist so gleich geworden und die Leute sehen auch alle gleich aus. Das habe ich in meinem letzten Album auch gesagt, „wo sind all die Punks hin, wo sind all die Freaks hin“. Wo sind die Subkulturen hin? Alles wird gleich und Rap ist das Sprachrohr dafür. Ich will gar nicht meckern, aber ich bin halt mit Graffiti groß geworden und weiß, warum ich deshalb so ein cooler Motherfucker geworden bin. Das hat einfach einen Spirit, der immer noch da ist. Das ist für mich der Grund, warum es einfach immer noch so verdammt cool ist. 

Gutes Schlusswort. Danke dir!