Interview mit Mahalia über »Letter to Ur Ex«, gescheiterte Beziehungen, Selbstliebe und den notwendigen Wandel in der UK Szene
Foto via Vicky Grout

Mahalia über gescheiterte Beziehungen, Selbstliebe und den notwendigen Wandel in der UK Szene

Ende Mai erschien bereits Mahalia’s EP »Letter To Ur Ex«, das erste größere Soloprojekt seitdem die UK-Sängerin und Songwriterin ihr Debütalbum »Love and Compromise« 2019 veröffentlichte. Typisch für Mahalia geht es wieder um ihre eigenen Erlebnisse und Beziehungen. Obwohl die fünf Tracks deutlich ruhiger sind als Hits des vergangenen Jahres – wie »Roadside« mit AJ Tracey oder »Jealous« featuring Rico Nasty – glänzt »Letter To Ur Ex« mit dem, wodurch Mahalia damals durch ihr erstes Projekt »Diary of Me« bekannt geworden ist: Ihrem Talent fürs Schreiben. Auf den Tracks »Letter To Ur Ex« und »Letter To Ur N(ex)t« spielt sie gekonnt mit Trennungsklischees und beweist vor allem, dass die meisten davon gar nicht stimmen und Frauen sich sehr wohl verstehen können und vor allem auch Verständnis für die gegenseitige Situation zeigen können. »Whatever Simon Says« ist eine sehr ruhige und atmosphärische Kampfansage an die Beautystandards, die unsere Gesellschaft gerade heute noch an Frauen und insbesondere Frauen, die wie Mahalia selbst in der Öffentlichkeit stehen, stellen. 

Für uns hat sich die Wahllondonerin Zeit genommen, um über Selbstliebe und den positiven Wandel der UK-Szene zu sprechen, vor allem aber auch warum eigene Erfahrungen und Ehrlichkeit immer noch das beste Futter fürs Schreiben liefern. 

Dein letztes Album »Love and Compromise« war sowohl bei den Fans als auch Kritiker*innen ein großer Erfolg. Du hast zwei MOBO Awards gewonnen und wurdest für einen Grammy nominiert. Allerdings kam das Album im September 2019 raus und im Dezember fing dann quasi die Pandemie an. Konntest du den Erfolg überhaupt genießen?
Ich denke ich konnte ihn ein bisschen genießen. Als wir das Album veröffentlichten hatte ich erst meine Nordamerika Tour, dann kam die UK/Europa-Tour und dann Australien. Von daher konnte ich es quasi ein bisschen ausleben, aber ich hab mich danach dennoch ein bisschen “beraubt” gefühlt. Denn das passierte alles so kurz nach dem Release, ich konnte nicht wirklich die “Love and Compromise Era” leben. Von daher, ja, ich hatte ein bisschen das Gefühl als ob mir das genommen wurde aber ich konnte immerhin sehr viel touren, von daher war ich deshalb nicht allzu enttäuscht.

Du hast gerade erst einen Teil deiner UK-Tour beendet und bist im September auf US-Tour, wie fühlt es sich jetzt an zurück auf Tour zu sein?
Oh, es ist wunderbar! Ich glaube ich hab gar nicht realisiert, wie doll mir das gefehlt hat. Ich meine touren ist hart und es verlangt dir auch eine Menge ab – dein Schlafzyklus ändert sich und all der ganze Kram – aber es war einfach schön wieder “back on the road” zu sein. Außerdem auch einfach wieder auf der Bühne zu stehen, zu performen und den Menschen zeigen zu können was ich tue, wieder diese Beziehung zwischen mir und den Fans zu haben. Ich denke das ist es was ich am meisten vermisst habe, während die Pandemie die ganze Welt übernommen hat. Von daher ist es großartig, ich bin super aufgeregt auf den Sommer und dass ich wieder Nordamerika touren kann.

Du hast ja schon erwähnt, dass es auch sehr anstrengend sein kann und viel abverlangt. Wie bereitest du dich darauf vor, quasi ein halbes Jahr, mit Unterbrechungen, zu touren?
Es ist ziemlich schwer sich dafür vorzubereiten. Du musst quasi einfach alles in die Wege leiten. Ein paar Wochen vorher war ich sehr viel im Fitnessstudio und habe einfach wieder trainiert und meine Ausdauer aufgebaut. Auf der Bühne zu sein sein ist wie ein Work-Out. Man schwitzt jede Menge und du musst deinen Atem kontrollieren während du singst und tanzt. Von daher: Vorbereiten bedeutet für mich einfach wieder fit zu werden. Ich musste wieder anfangen mich gesünder zu ernähren.
[Lacht] Ja das mussten wir, glaube ich, alle
[Lacht] ja ja und ich versuche immer noch die Corona Pfunde los zu werden 
Ich auch [lacht]
Von daher war es zwar anders aber trotzdem großartig. Auch einfach wieder Struktur zu haben, so was wie genug Wasser zu trinken. Ich habe vor einem Jahr aufgehört zu rauchen, von daher war es auch komisch zu touren ohne zu rauchen. Ich rauche Zigaretten seit ich siebzehn bin, ich hab also immer meine Show mit `ner Kippe beendet. Es war also sehr anders für mich ein gesunder Mensch zu sein, während ich toure. Es ist wirklich hart sich vorzubereiten. Zu einem gewissen Grad kann man sich zwar physisch vorbereiten, aber mental muss man einfach loslegen und anfangen.  

Seit deinem Debüt Projekt »Diary of Me« bist du dafür bekannt sehr ehrlich über dich und deine Erfahrungen zu sprechen. Dadurch bist du auch eine Person, mit der man sich identifizieren kann. Okayplayer hat dich auch als »Sound of Youth« beschrieben, was ich sehr passend finde. Wie schwer ist es so offen zu sein und alle an deinen Erfahrungen teilhaben zu lassen?
Ich fand es eigentlich nie schwer. Ich bin von Natur aus immer schon sehr ehrlich gewesen, das war ich schon als Kind. Ich mochte es auch schon immer über die Dinge zu reden, die in meinem Leben passierten und hatte nie Angst, das mit anderen Menschen zu teilen. Es ist manchmal sehr schwer, weil man als Künstler*in eine Menge Verantwortung hat, besonders wenn du online bist und zu deinen Fans sprichst. Ich denke da ist immer diese Sorge, dass ich kein gutes Vorbild sein könnte. Von daher denke ich schon immer daran zu versuchen das richtige zu sagen – naja nicht “das richtige” zu sagen aber so in der Art. Ich denke ich bin ehrlich, weil es der beste Weg für mich ist. Manche Menschen denken nicht so – und das ist okay – aber das ist einfach die Art, wie ich es mag eine Beziehung zu den Menschen aufzubauen, die meine Musik hören. Von daher ja, es kann manchmal sehr beängstigend sein sich so zu öffnen. Ich kann etwas vor vier Jahren gesagt haben, das ich so heute nicht mehr sagen würde. Aber ich mag das eigentlich sehr, ich denke es ist sehr viel Schönes in Veränderung und es gibt darin auch eine Menge Liebe zu finden. Ich war einfach immer sehr ehrlich und ich habe auch keine Angst vor Ehrlichkeit. Im Gegenteil, ich fühle mich sehr wohl damit. Zum Beispiel bringe ich Morgen, also wenn das Interview draußen ist dann ist es auch draußen. Aber ich veröffentliche ein Video für einen meiner neuen Songs von der neuen EP, namens »Forever«. Es ist ein Video, für das ich einfach einen Camcorder mitgenommen habe, als ich Zeit mit meinem Freund verbracht habe. Es sind einfach Momentaufnahmen von ihm und uns zusammen und solche Sachen und ich hab das alles in ein Video getan. Ich weiß noch, das ich dachte: Gott,  möchte ich das wirklich mit der ganzen Welt teilen? Was, wenn wir uns vorher trennen? Was, wenn alles schiefgeht? Es ist einfach diese Momentaufnahme, wo ich gerade bin und wenn es in fünf Jahren anders ist, dann ist das auch okay. Ich entscheide mich dafür, dass ich es zulasse, dass die Menschen mit mir zusammen aufwachsen und alle Teile meines Lebens zu sehen bekommen.


Ich denke, das ist auch etwas, wo du ein sehr großes Vorbild für viele bist, besonders in der Musikindustrie. Du hast keine Angst zu dir selbst zu stehen und brichst damit auch einige Grenzen. In dem Kontext muss ich mit dir über »Whatever Simon Say« reden. Das Video alleine war schon erfrischend aufrichtig und dann sind da noch Lyrics wie: „Cost me pennies on pennies, pounds on pounds / when I didn’t really want you / turned my heart and my pockets inside out” oder „I’m not that kind of girl / if you like her, could you like me, too?”. Könntest du uns mehr dazu erzählen?
Ich habe den Song eigentlich mit meinem Freund zusammen geschrieben. Wir haben zuerst einfach nur einen Song geschrieben und dann habe ich erst realisiert, dass es eigentlich um einen Freund ging, mit dem ich zusammen war, als ich noch jünger war. Der Song spricht über jemanden, der sehr kontrollierend ist und über mich, die nicht wollte, dass diese Person diese Kontrolle über mich besitzt. Es ist eigentlich lustig denn die Lyrics, die du gerade vorgetragen hast, sind auch meine Favoriten. Ich denke es ist genau der Teil, der wirklich erklärt, worum es in dem Song geht. Wenn ich also sage: „How did I pay to love you? Cost me pennies on pennies and  pounds on pounds”. Offensichtlich stehen „pennies on pennies” für echtes Geld. Weißt du? Ich war in einer Beziehung, wo ich der Versorger war und ich meine das in einer respektvollen Art (lacht). Er war dafür eher derjenige, der mich mit Hass versorgt hat. Er wollte, dass ich einen gewissen Look habe, mich auf eine bestimmte Weise verhalte, in einer gewissen Art anziehe, meine Haare auf eine gewisse Art trage und das mochte ich nicht.
In dieser Zeile bin ich es, die sagt: Wie konnte es dazu kommen? Wieso musste ich quasi dafür “bezahlen” Liebe und Nettigkeiten von dir zu bekommen? Eigentlich habe ich einfach sehr viele Sachen – wie Geschenke kaufen  und bestimmtes Verhalten – getan, um ihn glücklich zu machen. Es hat mich Pennies und Pennies gekostet. “Pounds on pounds” ist zum einen ein Wortspiel mit Geld und zum anderen dann mit Gewicht. Ich habe in dieser Beziehung eine Menge zugenommen und war ziemlich depressiv, das hat sich vor allem auch physisch bemerkbar gemacht. [Mahalia fängt an das Lied zu summen, um die nächste Strophe zu finden] “..when I didn’t really want you”, weißt du? Ich wollte eigentlich nicht wirklich mit ihm zusammen sein, aber ich hatte Angst ihn zu verlassen und dann alleine zu sein. Ich war jung und gerade erst nach London gezogen. Dann ist da noch die Zeile “turned my heart and my pockets inside out”. Das ist alles eine Anspielung auf diese Situation. Also erstmal, dass ich mich physisch komplett umkremple. Aber dann bleibt da auch das Gefühl zurück, dass ich gerade mein ganzes Geld für diese Person ausgegeben habe, das kommt halt alles zusammen. Es ist ein Song darüber in einer sehr sehr heiklen Situation zu stecken und sich dann zu fragen: Was um Himmels Willen soll ich jetzt machen? Da steckt Angst drin. Die Angst, dass wenn ich gehe alles schlimmer wird. Aus diesem Gefühl heraus kommen diese Fragen: Was soll ich bloß mit dir machen? Von daher liebe ich diesen Song, er ist voller versteckter Bedeutungen. Ich denke, wenn du Lyrics magst und auch hinhörst, dann wirst du diese finden.

Ja auf jeden Fall! Das ist auch ein roter Faden, der sich durch deine neue EP zieht. Diese sehr offene Reflexion über eine Beziehung von beiden Seiten. »Letter to Ur Ex« und »Letter to Ur N(ex)t« sind zwei Songs die sich auch wieder sehr von anderen Songs unterscheiden. Es sind keine “typischen Beziehungssongs” bei dem die Ex die klassische “Bitch” ist oder ähnliches. Du brichst mit vielen Klischees. »Letter to Ur N(ex)t« hat sich schon fast wie ein plot twist angefühlt. Ich denke, dass viele Fans diese Situation nachvollziehen können oder so etwas selber bereits erlebt haben. Kannst du uns mehr über das Konzept verraten?
Als ich »Letter to Ur Ex« geschrieben habe, war das eine ziemlich ernste Situation, die mir sehr schwer auf dem Magen lag. Ich erinnere mich, dass ich das Gefühl hatte, unbedingt mit diesem Mädchen reden zu müssen, um ihr zu erklären, dass ihre Handlungen mir wirklich wehtun. Von daher habe ich dann »Letter to Ur Ex« geschrieben. Ich hab den Song nicht mit der Intention geschrieben, ihn zu veröffentlichen, ich musste das einfach aus mir rausbekommen und auf Papier bringen. Als ich dann nach dem Schreiben nochmal darüber nachgedacht habe, dachte ich: Ich hab eigentlich gar keine Vorstellung davon, was sie gerade durchmacht. Ich weiß außerdem nicht, wie ihre Erfahrung mit meinem Partner war, weiß du? Ich weiß ganz sicher, dass es Typen gibt, mit den ich zusammen war, die vielleicht eine richtig beschissene Erfahrung mit mir hatten aber mit der nächsten Freundin ist es dafür großartig. Deshalb habe ich beim Schreiben von »Letter to Ur N(ex)t« versucht daran zu denken, wie ich mich in dieser Situation gefühlt habe und was ich gesagt hätte, wenn ich so einen Brief erhalten würde. Selbstverständlich kann ich nicht aus der Sicht dieses Mädchens schreiben – weil ich ihre Ansicht nicht kenne – aber ich hab versucht aus einer Perspektive zu schreiben, die ich schon mal hatte, wo ich vielleicht in einer sehr toxischen Beziehung war und ich die potenzielle nächste Freundin vorwarnen wollte. Außerdem neigen Frauen dazu, sich gegenseitig die Schuld zu geben und auch gegenseitig zu hassen ohne den gemeinsamen Faktor der Situation zu beachten, der in dieser Situation einfach der Mann ist. »Letter to your N(ex)t« soll nicht ich sein die aus der Perspektive der Ex schreibt und meinen jetzigen Typen einen “bad guy” nennt [schmunzelt], es ging mir darum eine tiefere Bedeutung zu finden. Außerdem ging es auch darum, zwei Geschichten zusammen zu bringen, deshalb hab ich mich auch dazu entschieden den gleichen Refrain zu benutzen. Ich wollte eine direkte Verbindung haben, sodass die beiden Songs quasi “verheiratet” sind. Die beiden zusammen sind wirklich mein stolzester Moment als Songwriter. Für den einen saß ich in meinem Wohnzimmer, am Laptop und hab einfach geschrieben. Für den nächsten saß ich auch wieder alleine und hab einfach darüber nachgedacht, wie ich mich fühle und das dann geschrieben. Dadurch war es ein einfacher Prozess, weil ich an diesem Punkt schon mal war. Ich finde es auf jeden Fall schwer, Songs über Dinge zu schreiben, die ich nicht erlebt habe, oder über Gefühle die ich noch nicht gefühlt habe, ich weiß einfach nicht wie ich solche Songs schreiben sollte. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum ich niemals ein Ghostwriter sein könnte [lacht], ich wüsste einfach nicht was ich sagen sollte.


Ich wollte dich auch noch zur UK-Szene befragen. Als Außenseiterin, die sich die Musikszene in UK anguckt, besonders die weiblichen Künstler*innen, kommt es mir so vor, dass es besonders auffällig in den letzten fünf Jahren – wahrscheinlich schon viel früher – diesen visuellen und musikalischen Umschwung gegeben hat. Wir haben eine von weißen Männern dominierte Musikszene, aber in den UK kann man vor allem POC Künstler*innen, speziell Schwarze Künstler*innen wie dich aber auch Jorja Smith, Enny, Ray BLK oder Tiana Major9, sehen. Es wurde auch schon als “Renaissance” bezeichnet, eine Revolution die stattfindet. Da du jetzt schon sehr lange Teil der Musikszene bist, kannst du das nachvollziehen?
Ja auf jeden Fall! Ich denke allgemein – aber besonders in der UK-Musik – schaffen gerade sehr viele Schwarze Frauen den Durchbruch und es wird auch erlaubt, dass dieser Durchbruch passiert. Es gab eine Zeit, wo wir – nicht nur “wir”, sondern wir alle – da waren und sie waren auch alle schon da bevor ich und Jorja und Tiana und alle anderen Mädels da waren. Aber was geschehen ist, hat sich definitiv wie ein Wandel angefühlt. Es war eine Verschiebung dazu, dass Schwarze Frauen durchkommen. Selbst als ich gerade meine ersten Erfolge hatte, war es sehr auffällig, dass die Aufmerksamkeit besonders auf hellhäutige Schwarze Frauen gelenkt wurde, was sich auch anfängt zu ändern. Ich denke je mehr die Leute darüber reden und es nachvollziehen – besonders wir, die darin involviert sind – solange die Branche darüber redet, wird es auch Veränderung geben und genau das sehen wir gerade. Das Künstler*innen wie Tiana Major9 oder Little Simz endlich ihre Lorbeeren bekommen. Oder in dieser Minute gibt es diese brillanten Mädels namens Cat Burns und Rachel Chinouriri, die gerade Bekanntheit erlangen. Ich denke, daran können wir den Wandel sehen. Denn es gab auf jeden Fall eine Zeit, wo die Konversation rund um colorism in der Branche noch riesig war. Es ging darum, dass hellhäutige Schwarze Frauen gegenüber dunkelhäutigeren Schwarzen Frauen bevorzugt wurden. Je mehr wir diese Konversationen haben, desto mehr Veränderung wird passieren. Du hast Recht, es gibt diesen Wandel und es wird immer mehr kleinere Umschwünge in unserer Gesellschaft geben und das ist auch sehr wichtig. Interessant ist vor allem auch, dass wir Männer durchstarten sehen. Schwarze Männer – in allen Farben, Schattierungen und Mixes – und wir sehen, wie sie Erfolg haben. Diese Unterscheidung gibt es eigentlich nur bei Frauen. Das kommt daher, dass wir ziemlich kaputte Schönheitsideale in unserer Gesellschaft haben, die einen bestimmten Frauentyp hervorhebt und dadurch andere ausschließt. Also, ich denke schon das wir Veränderung sehen und ich denke – wie kann ich das am besten erklären? [überlegt] Ich denke, dass alle Branchen zusammen arbeiten. Wenn du also einen Wandel in der Makeupindustrie siehst, in der Fashionindustrie, dann wirst du diesen Wandel auch in der Musik-, Film-, und Tanzindustrie sehen. Wenn du also mehr schwarze Frauen auf den Covern von Magazinen siehst, wird es auch mehr Schwarze Frauen als Hauptrollen in Filmen geben. Wenn du mehr Schwarze Frauen auf dem Laufsteg siehst, dann werden auch mehr Schwarze Frauen den Durchbruch in der Musik schaffen. Ich denke, diese Branchen arbeiten alle Hand in Hand. Macht das Sinn?
Ja, auf jeden Fall!
Von daher ist es unglaublich wichtig, dass wir das auch andauernd sehen, sodass wir das akzeptieren und Leute die das vorher nicht akzeptiert hätten es jetzt doch tun, weißt du? Denn ich habe es immer akzeptiert, ich wollte schon immer alle Leute, alle möglichen Menschen überall sehen. Aber es ist auch wichtig, dass diese Branchen da mitziehen, damit Musikkünstler*innen aufblühen können.

Das ist eine ziemlich gute Überleitung zu einem anderen Thema, auf das ich dich ansprechen wollte. Es gibt gerade diese Kontroverse, dass besonders weibliche Künstlerinnen von ihren Labels dazu gezwungen werden ihre Musik auf TikTok zu promoten. Bei einigen war es jetzt sogar der Fall das Labels bestimmte Songs zurückhalten und erst veröffentlichen, wenn Künstlerinnen diese Promovorstellungen durch Tanzvideos oder ähnliches erfüllen. Hast du dazu eine Meinung?
Ja, ich habe da tatsächlich ziemlich viel zu gelesen und mitbekommen. Ich denke, dass Labels das auf jeden Fall tun. Es ist super schwierig, weil Social Media einfach schon für sehr lange Zeit ein Mittel ist, um Musik zu promoten. Aber ich denke auch was Labels nicht sehen ist, dass ihre Konsument*innen intelligent sind. Wenn sie also etwas zu oft in ihr Gesicht geschoben bekommen oder es zu viel beworben wird, dann werden sie es sich nicht allzu lange anschauen. Denn weißt du, als wir noch Kinder waren und Fernsehen geguckt haben und dann in der Pause von Werbungen überflutet wurden – sagen wir, ich bin acht Jahre alt und sehe jeden Tag eine Werbung für eine Baby Annabell, dann gehe ich auch jeden Tag zu meinen Eltern und frage sie nach einer Baby Annabell. Aber die Zeiten haben sich geändert und die Art der Werbung hat sich geändert. Kinder heutzutage sind nicht mehr so, wie ich als Kind war. Sie gucken sich nicht mehr etwas an und wollen es haben nur weil der Fernseher ihnen das vorgibt. Wir können mittlerweile selber nach Dingen suchen, es ist einfach ein ganz anderes Klima. Es kann auf jeden Fall frustrierend sein. Mein Label hat mir zwar noch nie damit gedroht, Musik zurückzuhalten aber ich bin auch keine Künstlerin, die in diese Industrie mit Instagram und TikTok geboren wurde. Aber es gibt auf jeden Fall Druck, so etwas zu machen, was hart ist, weil wenn du nicht gut bist mit diesem Zeug, ist es sehr schwer darin gut zu werden. Es gibt einige Künstler*innen, die es lieben und das respektiere ich auch. Ich hab schon immer kurze Clips gedreht. Schon seit »Sober«, meinem ersten richtigem Release, habe ich kurze Videos für Instagram gedreht, einfach von mir, wie ich den Song singe. Ich hab das einfach schon immer gemacht und das jetzt für TikTok umzuwandeln fühlt sich nicht komplett verrückt an. Aber trotzdem, Tänze zu Songs zu machen ist schräg. Wenn ich es unbedingt möchte, dann mach ich das. Es gab diesen einen Lizzo Song [singt: „It’s about damn time..”] und ich kann mich erinnern wie das gesehen habe und dachte: Oh Mein Gott, ich liebe diesen Tanz, ich möchte das auch tanzen und dann hab ich das auch gemacht. Aber ich hab mich ehrlich gesagt am meisten gefreut, weil Lizzo es kommentiert hat. Auf jeden Fall mehr als jetzt Teil eines TikTok Trends zu sein. Von daher denke ich es ist ein sehr schwieriges Thema, es kommt wirklich darauf an, was für eine Beziehung du zu deinem Label hast. 


Abschließend dann vielleicht noch eine Frage, die nicht ganz ohne eigenes Interesse ist. Aber da du gerade sehr viele Shows hast und viel auf Tour bist –  wirst du auch wieder nach Deutschland kommen?
Ja, auf jeden Fall! Ich denke nach diesem Sommer und Nordamerika werden wir definitiv eine UK/Europa-Tour planen, einhundert Prozent. Denn selbst die UK-Shows, die wir bis jetzt hatten, da haben wir eine Menge der großen Städte ausgelassen. Einfach auch, weil wir in die kleineren Städte wollten, die schon länger keine Musik mehr gesehen haben. Von daher werde ich auf jeden Fall wieder zurückkommen!

Ich wollte außerdem noch unbedingt mit dir über dein neuestes Projekt »Mahalia presents« sprechen. Du hast ja bereits etwas in die Richtung mit dem »Sister & Sound Project« von Dr. Martens gemacht und dein neues Projekt ist wirklich spannend. Die erste Show war im April und wirkte von außen wie ein wirklich großer Erfolg. Für mich ist dieses Projekt ein Grund, warum du als Künstlerin so hervorstichst. Du gibst anderen jungen Künstler*innen wortwörtlich eine Bühne – du bist quasi eine Kuratorin für neue Talente. Kannst du uns mehr über diese Veranstaltungen erzählen und was deine Pläne dahinter sind?
Ja klar! Als ich ungefähr sechzehn Jahre alt war habe ich bereits in meiner Heimatstadt Leicester  »Mahalia presents« organisiert. Meine Mutter, mein Vater und ich haben die Shows zusammen kuratiert, sie haben mir dabei geholfen unterschiedliche Künstler*innen auszusuchen und sie dann zu uns zu bringen. Der ganze Punkt der Aktion war einfach, Künstler*innen außerhalb von Leicester, von denen noch niemand in Leicester gehört hat, in die Stadt zu bringen und eine Show zu performen. Damals hatten wir ungefähr ein Publikum von sechzig Leuten. Mir hat es immer schon riesigen Spaß gemacht, aber ich hatte einfach nie die Plattform da etwas Größeres draus zu machen. Vor sechs Monaten habe ich mich dann dafür entschieden, das Ganze wieder auf die Beine zu stellen, aber diesmal in London. Ich wollte den Scheinwerfer auf junge Künstler*innen richten, die solche Sachen sonst nicht machen können. Ich hab mit einigen Künstler*innen aus meinem Freundeskreis geredet, die versuchen den Durchbruch zu schaffen, sich einen Namen zu machen und die meinten, dass es einfach kaum Möglichkeiten gibt. Es gibt vielleicht ein paar, aber entweder ist das Publikum sehr klein oder an einem Abend werden zehn Künstler*innen vorgestellt und jede*r kann nur ein paar Lieder singen. Ich wollte jungen Talenten diese Bühne zur Verfügung stellen, die ich selber als Kind nicht hatte. Da ich jetzt ein gewisse Stufe erreicht habe, kann ich so einen Abend zusammenstellen, Leute dazu einladen und sagen: Hier sind 350 Tickets, nehmt sie euch! Dadurch kann ich einem/einer neuen Künstler*in einen Raum mit über 300 Leuten geben, die da sind um sich seine oder ihre Musik anzuhören. Die erste Show war großartig, es war wirklich toll! Auf eine Art wie ich es mir vorgestellt habe, aber dann auch wieder ganz anders. Ich konnte vorher nicht einschätzen wie die Leute es aufnehmen werden. Die zweite Show ist jetzt gerade ausverkauft, was auch wieder wirklich aufregend ist. Sie findet am 7. Juni statt. Die Idee war, diese Shows jetzt alle zwei Monate stattfinden zu lassen und dann zwei bis drei neue Künstler*innen zu holen. Mir macht es unglaublich viel Spaß und wir haben gerade angefangen unsere Website für Einreichungen zur öffnen. Offensichtlich kann ich nicht jedes Mal selber Leute finden.
Ja, darüber hab ich mich auch gewundert, da das wirklich eine Menge Arbeit ist..
Ja herumzugehen und Leute zu suchen ist wirklich schwierig, du kannst sie nicht immer finden, von daher sind wir jetzt offen für Bewerbungen. Bis jetzt haben wir hunderte erhalten, von daher hoffe ich, dass wir mit dieser Menge an Einreichungen auch in der Lage sein werden eine Menge Shows zusammen zu stellen. Was wirklich ein großer Spaß ist.