Bartek Pressefoto Lars Brinkmann
Foto via Lars Brinkmann

Bartek über sein neues Album »Knäul«, geplatzte Knoten und Frank Ocean

Eigentlich hat Bartek in seinen über 15 Jahren Musikkarriere schon alles gemacht: Von den Anfängen als Plan B gemeinsam mit Maeckes inkl. Moderation des splash!-Festivals über Veröffentlichungen von Solo-EPs bis hin zur großen Zeit als 1/4 der Orsons mit insgesamt sechs Gruppenalben. Sogar seine eigene Apfelschorle »Grober Schnitzer« hat der Stuttgarter schon auf den Markt gebracht. Nur eine Sache hat man in seiner Vita bisher vergeblich gesucht: Ein Soloalbum.

Das ändert sich jetzt, denn Bartek veröffentlicht heute, am 15. Oktober 2021, sein erstes Album »Knäul«. Wir haben ihn in Berlin zum Interview getroffen und mit ihm über den Entstehungsprozess seines neues Albums, Einflüsse von Phoebe Bridgers & Frank Ocean und den Blick in die Zukunft gesprochen.

Pressefoto von Bartek vor orangenem Hintergrund (Fotograf: Lars Brinkmann)
Foto via Lars Brinkmann

Du hast in der Vergangenheit immer wieder betont, dass ein Album bei dir nicht einfach so nebenbei entstehen soll und mehr als zwei Wochen Halbwertszeit haben soll. Welches Gefühl überwiegt bei dir, jetzt wo dieses Soloalbum tatsächlich fertig ist?
Es ist ein sehr freudiges, gelöstes Gefühl. Ich fühl mich so, als wär ein Knoten aufgegangen. Für mich ist es wie ein neuer Startpunkt. Eher so wie: “Oh, ach so fühlt sich das an! Voll geil! Wieso hab ich das nicht vorher gemacht?“. Ich hab voll Bock genau jetzt Musik zu machen und zu releasen. Ich bin jetzt ready! Da bin ich jetzt so. Ich bin jetzt einer, der Musik released.

Warst du zwar 15 Jahre vorher auch schon – 
Ja, aber es fühlt sich jetzt so frisch an! (lacht)

Stichwort Knoten, dein neues Album heißt »Knäul«. Da ist anscheinend auch irgendwie ein Knoten geplatzt. Ich würd mit dir gern über den Moment sprechen, als du für dich beschlossen hast, dass jetzt der richtige Moment wäre, das Album zu machen. Hat es sich jetzt richtig angefühlt dein Album zu machen?
Man muss es selber für sich spüren. Ich hab davor ein paar Anläufe für ein Album immer mal wieder gemacht. Ich hab hier und da ‘n 16er gemacht, aber wenn ich ehrlich mit mir war, hab ich’s nicht so hundertprozentig gefühlt. Das hab ich schon beim Vorspielen gemerkt. Wenn ich’s den Leute, den Orsons oder dem Label gezeigt habe, dann hat da irgendwie das Gefühl von innen heraus gefehlt.

Und jetzt bei dieser Ansammlung von Songs – weil das wurden immer mehr, ich dachte mir irgendwann: “Wow, warte mal, ich hör mal in mich rein, was sind denn wirklich so zehn Songs, die für ein Album passen?” Und bei denen, wo es mit mir resoniert hat, das sind jetzt die zehn Songs, die »Knäul« ergeben. Davor konnte ich dieses Gefühl nicht hervorrufen, aber jetzt ist es quasi passiert. Ich hab lang gebraucht, aber es hat genau diese Zeit gebraucht, um ein anderes Bewusstsein zu kriegen.

Dein Solosong »Das Geschenk« auf »Orsons Island« hat sound- und inhaltsmäßig einige Überschneidungen mit dem Album. Kann man den eventuell als Ausgangspunkt zu »Knäul« sehen?
Ja tatsächlich. Dieser Song hat was anderes mit mir gemacht als einfach nur einen Song anzuhören. Der hat mich richtig berührt und was mit mir gemacht. Obwohl er eher Ballade und ein langsamer Song ist, hat er trotzdem den Humor, den man von mir ja kennt, wenn man mal Songs von mir gehört hat oder Interviews mit mir gesehen hat – bin ja eigentlich ein humorvoller Mensch (lacht). Also im Prinzip war das ein ernster Song, aber ohne den Humor zu vergessen. Man hat denn eher so mitgenommen. Und das war der Moment, wo ich dachte: “Ah krass, so kann man’s auch machen. Man muss sich gar nicht entscheiden. Bin ich nur ernst und traurig oder bin ich nur witzig, sondern diese beiden Dinge gehen Hand in Hand.“ In der Hinsicht war das voll der Startpunkt, da hab ich gesagt: “Ey geil, lass doch mal Songs so schreiben, die mir genau das Gefühl geben, was mir »Das Geschenk« gegeben hat“.

Du hast es ja schon angesprochen, es ist jetzt nicht nur dieses Humording, das auf Knäul zu hören ist. Viele verbinden mit Bartek und den Orsons eher Spaß- und Partysongs wie beim »Apfelschnitzschneider«. Dein neues Album schlägt aber auch deutlich melancholischere Töne an. Ich hab ein bisschen geschaut, was du die letzten Monate und Jahre gehört hast und da sind viele Sachen dabei, die in genau diese Kerbe schlagen. Ich hab vier Alben mitgebracht, wo ich mir vorstellen könnten, dass die eine Rolle beim Albumprozess gespielt haben. Haben dich eins oder mehrere von diesen Alben beim Albumprozess begleitet oder inspiriert?

Boah, also mit zwei Alben hast du so krass ins Schwarze getroffen. Das ist zum einen Frank Ocean »Blond« und zum anderen Phoebe Bridgers »Punisher«. Tame Impala war auch wichtig, aber nicht dieses Album – eher das Album davor, das »Currents«-Album. Ich red mal über »Blond« zuerst, weils das erste von den beiden war, das rauskam.

Wir haben lang gewartet, dann kams endlich raus und wir habens zu viert mit den Orsons auf einer Autofahrt reingemacht – und ich habe es abgrundtief gehasst! Ich habe es nicht verstanden. Ich hab gesagt: “Was ist das, das sind keine Drums, da ist nur irgendeine Gitarre, irgendwas fiept, es nervt mich, es soll weg!“ Und dann hab ich’s ein halbes Jahr lang einfach gehasst. Ich hab gesagt: “Das versteh ich nicht, das check ich nicht“ (lacht) – er hat mich komplett nicht abgeholt. Der arme Frank, eigentlich liebe ich Frank!

2012 hast du Frank Ocean doch auch schon mal in einer Zeile auf einem Song bei »Das Chaos und die Ordnung« erwähnt.
Richtig, bei »Mars« war das. Und dann hab ich mir irgendwann gedacht: “Ey, irgendwie hör ich mir diese Scheiße jetzt nochmal an, weil was soll das?!“

Wenn alle davon reden, muss es ja irgendwas haben.
Genau, irgendwas MUSS es doch haben. Dann hab ichs mir nochmal angehört und dann hat’s mein Leben verändert. Das war so ein Ufo, und so ein Monolith, der gelandet ist, der dich zwingt, dich damit zu befassen. Das ist etwas richtig krasses, was länger bleibt. Dann hab ichs so lang gehört, dann wars bis zum letzten Jahr so ein Album, das ich immer gehört habe – und zwar nicht nur so einzelne Songs, sondern bewusst durchgehört. Ich liebe auch das »Endless«-Album, das zeitgleich rausgekommen ist. Wunderschön, ganz großen Respekt!

»Blond« hat auch mein ganzes Bewusstsein, wie Songs strukturiert sind, komplett verändert. Es muss nicht immer Hook, Part, Hook, C-Teil sein – es kann alles Mögliche sein, es kann sich verändern! »Nights« alleine mit dem Beatswitch. Wow, ich flipp aus! Es ist heutzutage immer normaler, aber so Leute wie Frank Ocean mit »Blond« sind die, die die Tür eintreten und zeigen: “Hey, wir könnens auch so machen“.

Und wie war es bei »Punisher«?
Ich hab mich in einer nächtlichen Tidal-Session treiben lassen – das mach ich gern, ähnliche Künstler durchforsten und tiefer reingehen – und ich hab da irgendwo das Cover gesehen von »Stranger in the Alps«, das erste Album von Phoebe Bridgers. Das Cover ist so wunderschön, da ist so eine menschenähnliche Gestalt mit einem Bettlaken überm Kopf abgebildet und ich dachte sofort, das hör ich mir an. Und dann war das textlich das Beste, was ich seit langem gehört habe. Man ist sofort bei allem dabei, man sieht alles vor sich. Es ist gar nicht gestelzt, es kommt genauso aus ihr heraus. Und da hab ich gesagt: “Ey, die Frau ist krass, wer ist diese Frau?“ Dann kam schon ein Jahr später das »Punisher«-Album, damit hats sie nochmal so krass untermauert, wie geil sie Songwriting kann. Also ich bin der größte Phoebe Bridgers Fan!

Ich hätt noch an dritter Stelle unbedingt Bon Iver gewählt, und zwar sein Album »22, A Million«. Das hat mein Leben für immer verändert und muss bei diesen Alben eigentlich sogar an erster Stelle stehen! Die anderen beiden Alben von dir würd ich kurzhalten: Tame Impala ist super, na klar! Und Portishead: Jeder hat irgendwann eine Zeit, wo Portishead das Ding ist, weil man plötzlich so eine Unsicherheit und Melancholie hat. Die kommt einfach im Leben. Ich bin jetzt 36 und bei mir war das mit Mitte Zwanzig, wo ich mich in Portishead komplett reinfühlen konnte. Mittlerweile ist mir das eins zu depri. Ich will denen am liebsten zurufen: “Jetzt puste einfach mal ‘nen Luftballon auf und lauf durch die Stadt”. Das selbe Problem hab ich übrigens auch mit Thom Yorke von Radiohead. Die 90er waren ne depression time, aber bitte!

Wär halt auch kein Bartek Album, wenn da nicht zumindest so ein bisschen Kopf-Hoch-Musik wie zum Beispiel auf Blues wäre, oder?
Genau. Ein bisschen Luftballons müssen auch sein! (lacht)

Pressefoto von Bartek vor dunklem Hintergrund (Fotograf: Michi Korte)
Foto via Michi Korte

Abseits deiner externe Einflüsse, wie war es, diesmal ohne die Orsons an einem ganzen Album zu sitzen?
Ich hab es mir irgendwann zu Eigen gemacht, eine Arbeitsweise für mich zu finden, die seit jetzt zwei Jahren so krass funktioniert, dass ich sie die ganze Zeit mache: Ich habe ein Studio bei mir in Stuttgart, da gehe ich jeden Montag rein. Von elf Uhr morgens bis Dienstag 18 Uhr. In der Zeit antworte ich nicht viel auf WhatsApp, ich mach nur Musik. Ich schreib, ich probier meine Stimme aus, ich sing, ich schrei. Ich bin da über 24 Stunden und mache nichts anderes als Musik. Da kommen an so ‘nem Montag zwischen drei und fünf Skizzen – oder manchmal auch ganze Songs – raus, die schick ich immer direkt an die Orsons.

Ich bin dann so “Hey, ist das was oder ist das nichts?”. Die Meinung von den Dreien ist mir auf jeden Fall wichtig, denn die kennen mich natürlich auch am allerlängsten in meiner Musik. Die sind da ganz ehrlich und sagen “Ohhh ne” oder “Ey, mega. Mach weiter!”. Die waren auf jeden Fall in der Hinsicht auch mit beim Album dabei, denn durch die hab ich ein Gefühl bekommen, wie der Bartek vom »Knäul«-Album klingen könnte. Somit: Klar, die Meinung von denen ist mir super wichtig, ich liebe die und die kennen jedes einzelne Ding was ich ins Mikro spreche.

Aber sie waren jetzt nicht creditmäßig auf »Knäul« dabei, oder? Also ein produced by Tua oder sowas in der Art gibt es nicht?
Doch, eine Sache: Beim Lied »Post«, da kam ich nicht weiter. Ich hatte keinen Refrain. Da hab ich mir eine Nacht mal den Kaas eingeladen. Der ist da jetzt mit drin, einfach dafür wie er da war und wie wir nachts miteinander geredet haben. Auch in der Nacht war ich wieder am Mikrofon und hab da so reingerappt und er hat mich währenddessen gepusht!

Ah, da hat er seinen Credit dann bekommen. Kaas ist ja auch im Video zu »Weg« drin, hat da also auch seinen Auftritt bei »Knäul«.
Stimmt, da ist er auch nochmal dabei. Also Kaas ist der einzige der Orsons, der auf »Knäul« offiziell mit drin steht.

Okay, aber sonst ein reines Bartek-Soloalbum! Ansonsten hast du den einzigen Featuresong gerade schon angesprochen: Mieze von Mia. auf »Post« ist das einzige Feature auf »Knäul«.
Ja genau, das ist der einzige Featuresong und der ist mit ihr. Da freu ich mich sehr drüber. Ganz liebe Grüße an Mieze!

In der Tracklist zu »Knäul« finden sich zehn Songs ingesamt. Gab es einen von denen, der dir ganz besonders leicht zu schreiben fiel? Oder andersherum einen, wo du vergleichsweise lange dran gesessen hast?
Also »Post« war der, wo ich ziemlich früh die ersten vier Zeilen hatte – und sonst gar nichts. Ich wusste nur, dass ich da ein Feature drauf haben will. Mieze schlag ich bei den Orsons schon seit Jahren vor, denn Kaas und ich sind wirklich die größten Mia. Fans. »Zirkus« war in der Jugend so mein Album! Ich hab mich irgendwann mal ganz vorsichtig auf Instagram getraut, sie mal anzuschreiben. Und sie war sofort so: “Hey, na klar, sofort! Wir sind die größten Orsons-Fans. Was brauchst du?”. Dann hatte ich den Song an sich, aber es gab halt nie einen Refrain. Der Song ist halt wirklich als allerletztes fertig geworden und für den hab ich am längsten gebraucht.

Der einfachste war wahrscheinlich »Kuhle«, der erste Song auf dem Album. Den hab ich einfach irgendwo so in 12 Minuten geschrieben, einfach ins Handy rein. Alles noch ganz ohne Produktion oder sonst was. Dafür hab ich dann irgendwann Anneli Bentler hier aus Berlin gefragt, die als Queen Alaska Musik macht. Die macht so elektronische Musik und es ist wundertoll, was sie macht. Die kann alle Instrumente und kann einfach geil produzieren – ich mag das ganz arg. Ich hab ihr das einfach mal geschickt und gefragt: “Hey, was hältst du denn hiervon? Wär das irgendwie was?”. Sie war sofort dabei und hat voll verstanden, was ich mir so vorgestellt habe bei dem Album. Sie hat mit das Soundbild auf dem Album geprägt. Also der ging am schnellsten und am schwierigsten war »Post« für mich. Generell war es aber immer so, dass alles direkt am Mikrofon entstanden ist und ich nie was vorher aufgeschrieben habe.

Dann lass uns doch direkt nochmal über das gesamte Soundbild sprechen. Die Producer von den ersten drei Singles sind ja eher aus dem Dancehall/Reggae-Bereich, denn dort waren ja neben dir selber vor allem Hägi und Jopez von den Jugglerz für die Instrumentals verantwortlich.
Genau, die »Weg«-Single hat Jopez von den Jugglerz mit mir gemacht. Hägi hat »Oben« zusammen mit mir gemacht und »Blues« selber. »Blues« ist übrigens der einzige Song, wo ich selber keinen Instrumentalanteil habe, ansonsten bin ich überall Mitproduzent. Die Skizzen sind anfangs immer von mir. Manchmal fehlen Drums oder manchmal sind die Drums einfach kacke, weil ich selber kein Producer bin (lacht). Da helfen mir dann Hägi oder Jopez.

Der Bartek-produzierte Anteil des Albums ist also ziemlich groß! Lass uns doch jetzt mal über die einzelnen Songs des Albums reden. »Kuhle« ist ja der erste Song des Albums, das Intro für »Knäul« also. Wie hat es sich entschieden, dass das Album mit diesem Song starten soll?
Das war so ein Song, bei dem man sich irgendwie rausnimmt und einen Schritt zurück aus allem Urbanen geht. Es geht eigentlich darum, dass man sich an einem Ort auf einer Insel befindet, wo man eigentlich nicht zuhause ist, weil man das erste Mal da ist. man fühlt sich aber sofort wohl und denkt sich: “Hier will ich sein, hier hier will ich bleiben”. Das findet alles abseits einer Stadt statt – man findet keine urbanen Worte auf dem Song – und man ist vollkommen in der Natur mit Steinen und Wasser. So richtiger Eskapismus. Da wusste ich: “Das ist ein schöner Einstieg und ein schöner Startpunkt ins Album. Man ist sofort woanders und fühlt sich da wohl”.

Auf den Track folgt dann das ganz leichtfüßige und positive »Oben«, bevor wir zu dem vorhin schon angesprochenen »Post« kommen. Wie war da die Zusammenarbeit mit Mieze? Ich finde, das ist einer dieser Tracks, wo man ziemlich gut mit dem Featurepart zusammen arbeiten muss, denn es geht ja viel hin und her und ihr ergänzt euch in den Parts gegenseitig. Einfach nur einen 16er hin und her schicken stell ich mir schwierig vor.
Aber tatsächlich ist das aber nur aus einem Hin und Her entstanden. Mieze ist nämlich schwanger und da war dann eh nicht so viel mit richtig treffen. Sie war zu dem Zeitpunkt auch noch in Portugal oder so unterwegs. Wir haben aber telefoniert und sie meinte, sie kann das alles fertig machen. Ich hab da noch gesagt: “Das passt ja so gut mit der Stelle im Song, wo wir sagen, dass wir uns abwechseln”. Wir wollten das dann so richtig Duett-mäßig machen. Da hat es jeder im Studio bei sich so gesungen, als wären wir zusammen im Studio, also so richtig mit Stellen des anderen auslassen und so weiter. Dann hat es sich so richtig nach Duett angefühlt. Also im Studio waren wir leider nicht, das hat zeitlich nicht gepasst, aber dennoch: Ich bin größter Fan und ich hab mich ganz arg gefreut, dass sie dabei ist.

Noch weiter zu dem Song: Ich hab kleine Videos von dir gesehen, wo du im Hegel-Museum Literatur vorgestellt hast und mit »Zimt für Deutschland« von Tibor Schneider deine Leidenschaft für teilweise auch dadaistische Lyrik gezeigt hast. Auf »Post« gab’s ja auch so Stellen, die in diese Richtung gehen und ich hab mich gefragt, ob du aus solcher Lyrik auch Inspiration ziehst?
Also meine Liebe für Literatur spielt schon mit rein. Literatur, Musik, Kunst, das läuft alles so krass zusammen. Aber ich würde das Werk in dem Fall jetzt nicht so direkt als Inspiration bezeichnen, weil das alles eher so unterbewusst abläuft und ich so intuitionsmäßig arbeite. Ich kann mich eher an eine andere Sache erinnen: Und zwar hat mir Kaas in der Nacht, von der ich vorhin gesprochen habe, von einer Rick & Morty Folge erzählt. Da sind die Dinge komplett verswitcht und da hab ich die Idee für dieses Umdrehen von den rosa Feldern und den Pferden gehabt. So ist dann am Ende tatsächlich der Refrain entstanden, der es jetzt endgültig auf »Post« geschafft hat.

Okay, das war jetzt so das erste Drittel des Albums. Da ist alles noch sehr auf dieser positiven Ebene, wo man alles zu zweit macht. Mit »Regenbogen« und »Weg« kippt das ganze dann ein wenig und das Thema Verlust kommt auf. Lass uns mal über diesen Teil des Albums sprechen, ist das so Herzstück des Albums und deshalb »Weg« auch die zweite Single des Albums, die den Leuten die Richtung des Albums vorstellen sollte?
Das war auch einfach wieder so ein In-Mich-Hinheinhorchen. Eigentlich geht »Weg« um den Verlust von meinem Dad, der vor zwei Jahren gestorben ist. Ich hab das aber so offen geschrieben, dass das auch der Verlust eines Partners, einer Beziehung hätte sein können. Ich fand den Gedanken dann schön, dass es dazu ein Video geben könnte und aus dem Song eine Single werden würde – egal ob jetzt erste, zweite oder dritte Single. Der Song ist mir wichtig, ich mag den. Da hatte ich übrigens ganz am Anfang auch nur die paar Klavierchords, die am Anfang des Songs kommen und sonst nichts. Dann kam eben Jopez und hat das Ding realisiert und den Beat fertig gemacht. So arbeite ich sehr gern!

War das denn schon vorher so geplant, dass du den Song in die Mitte des Albums setzt und auf den Tracks zuvor erzählst, wie es war?
Nein, eigentlich gar nicht. Das hat sich wirklich einfach erst so ergeben im Prozess. Ich hab mich treiben lassen. Ich hatte den Song »Regenbogen« und da war mir klar, der muss nach »Blues« kommen, wo man einfach nur so feiert und alles ist cool. Dann muss dieses Gefühl des Zuviel-Gefeiert kommen. Es hat sich einfach so ergeben, es war so: “Hey, die Songs sind da und dann machts ja voll Sinn, wenn man die so hintereinander macht”. Das war schön, aber es war jetzt nicht so geplant, dass ich dachte: “Hier fehlt mir jetzt noch ein Song für die Ladies”, oder so.

Um nochmal zum Endteil des Albums zu kommen, der auf diesen schwermütigeren Teil folgt. Hier bekomm ich vor allem das Gefühl, dass du irgendwie mit der neuen Situation umgehen musst und alles für dich neu ordnest. Wie sind diese letzten Teile von »Knäul« entstanden und was war dir da wichtig?
Hmm, lass mich überlegen. Also genaue Stories oder sowas gibt’s da direkt nicht. Das Outro ist auch einfach so entstanden und ich war mir nicht sicher, ob das was wäre. Ich hab den der Anneli Bentler, also Queen Alaska, geschickt und die meinte: “Hey, das ist doch wunderschön, lass das genauso wie es gerade ist”. Ich war so: “Nicht noch irgendwelche Drums oder irgendwas?” aber sie wollte es genauso machen. Nur hinten haben wir dann nochmal eine halbe Minute so produziert, wo es dann etwas mehr abgeht – aber halt nicht lang. Ist alles wieder aus einem Gefühl und einem In-Sich-Hineinhören entstanden. Es hat sich einfach alles gefügt.

Achso, und noch ein Zusatz für diesen Part des Album. Ich bin auch sehr froh, dass es noch einen Quasi-Featurepart auf dem Album gibt und zwar am Piano. Lambert, der mit der Antilopenmaske. Der wohnt jetzt hier auch in Berlin und ist mega der Typ. Der geilste Pianist, den ich kenne. Der spielt auf »Vogel«, was ja ein reiner Balladen-Song mit Piano ist, das Klavier. Da bin auch sehr, sehr dankbar. Liebe Grüße an Lambert!

Dann würde ich noch einmal von den einzelnen Songs des Albums wegkommen und generell zum Album fragen: Hast du vielleicht eine Lieblingszeile auf der Platte, die für dich das Album gut zusammenfasst oder zu der du immer wieder zurückkommst?
Hmmm, ich weiß nicht, ich denk bei dem Album nicht so in einzelnen Zeilen. Das funktioniert für mich vor allem über das Gesamte. Ich mag die Parts auf »Kätzle«, hier das mit: “Ich hab vor lauter Schreck unseren Hund weggeworfen, der Stock soll ihn mir wiederbringen” – das mag ich ganz gerne. Ich mag auch »Boxauto«, das ist einfach so ein Song ganz für mich. Ich hab den auch komplett selber produziert. Ich mag da Sachen wie: “Die Sterne werden schon wissen, wie sie zu stehen haben”. Und: “Die Erde wird schon wissen, wie sie sich zu drehen hat”. Oder: “Die Wolken werden schon wissen, wann sie zu gehen haben”.

“Bin unterwegs und verfluche die Welt” – so ein richtiger Ablenkungssong und man will wirklich gar nichts wissen von der Welt gerade.
Genau, so Sachen. Die kleinen Beobachtungssätze, die mag ich sehr gerne. »Kuhle« hat da auch ein paar von drin.

Sind auch wirklich alles sehr schöne Stellen. Ich hab jetzt nochmal eine Frage, die wirklich gar nichts mit dem Album zu tun hat, aber das lässt mich einfach nicht locker. Wie ist es zu deinem Auftritt in dem Werbespot zu Capital Bras BraTee gekommen, woher kommt da die Verbindung?

(Lacht) Also, das war so: Der Getränkeproduzent, mit dem Capital Bra den BraTee gemacht hat, ist Patrick Dietz, einer meiner besten Freunde. Der hat gesagt: “Hey, wir fliegen in zwei Wochen nach Bali, willst du nicht vielleicht ein Video drehen?”. Ich war natürlich sofort dabei und hab dann auch dort tatsächlich mein Video zu »Oben« gedreht. Dazu kam halt dann, dass Patrick meinte, dass Capi ja auch gerade da ist und sie diesen Spot drehen möchten. Er hat mir von dieser Idee erzählt, dass sie so ein bisschen die Snickers-Werbung nachdrehen wollten. Ich dachte nur: “Häh, wie witzig wär das, wenn ich jetzt den Capital Bra nachspielen würde.” Ich sing ja so ein bisschen die Hook von »Oben« an und es wär doch das witzigste, wenn ich den Capi spiele, weil wirklich keiner damit rechnen würde. Genau den Knoten im Kopf, den du da hattest, den haben wir damit machen wollen. War auch echt ne witzige Zeit, Grüße an Capital Bra auf jeden Fall! Super cooler und lustiger Typ!

Sehr schön! Ich hatte schon überlegt, ob das irgendwie mit deinem eigenen Standing im Getränke-Business zusammenhängt. Immerhin warst du ja mit deiner Apfelschorle einer der ersten Deutschrapper mit eigenem Getränk, weit vor dem Eisteehype. Aber vielleicht kannst du nochmal eben über deine eigenen Videos reden. Wie sind eigentlich die Videoideen zu den Singles entstanden?
Also die sind sowohl von mir als auch von anderen enstanden. Bei »Weg« hab ich das Video gemeinsam mit wirschneidengold gemacht. Da war die Idee, eine Gruppe von Leuten zu nehmen und gemeinsam zu tanzen, aber ich hab mich immer gefragt: “Wie kommen da eigentlich zu diesem Punkt hin?”. Wir haben uns dann dafür entschieden, dass es so aussieht, als wär es eine Anonyme Alkoholiker-Gruppe. Eigentlich hat aber jeder aus dieser Runde einen Verlust erlitten und wir tanzen uns dem am Ende weg. Das ist die Idee, fertig.

Tanzen hat ja deiner Promophase und generell bei dir als Mensch eine große Rolle gespielt. Du hast ja deine Tracklist auch per Tanzvideos vorgestellt und bei »Blues« gibts auch diese Szene, wo du mit Pfanne im Meer tanzt.
Stimmt! »Blues« hat eigentlich keine wirklich Idee und bei »Oben« hat uns eben die Location auf Bali einfach so gefallen. Da muss ich erst noch ein bisschen reinwachsen, ich bin noch kein Videokonzeptersteller.

Du warst ja für die Videos fast immer im Urlaub – hast du auch einige der Songs unterwegs geschrieben?
In der Bali-Zeit, da habe ich noch ein paar Songs fertig geschrieben für das Album. Ich meine, es war der zweite Part von »Kätzle« und noch was anderes. Ich hab ein, zwei Dinge da fertig gestellt. So richtig neue Songs sind aber nicht in den Urlauben entstanden. Was aber entsteht: Es sind aber tatsächlich schon ganz neue Songs in Planung. Ich hab eigentlich mein zweites Album schon fertig.

Ach was! Du hast ja vorhin schon angeteasert, dass so ein wenig der Knoten geplatzt ist und du verdammt viel Spaß beim Songschreiben gehabt hast.
Genau, der Knoten ist geplatzt und ich hab so viel Bock und so viel neue Musik. Ich bin schon dabei, die nächsten zehn Songs fürs nächste Album auszusuchen. 80% hab ich eigentlich schon fertig. Also noch nicht fertig ausproduziert oder so, aber schon fertig geschrieben. Die letzten zwei Songs changen gerade die ganze Zeit. Ich ersetz die und gucke, wo ich noch einhaken muss. Aber dann, wenn das gemacht ist: Wird geil!