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Track by Track: TimmyT über sein Album »Kühler Wind«

Nach etlichen Releases in den letzten Jahren hat TimmyT nun endlich sein Debütalbum veröffentlicht. Auf »Kühler Wind« zeigt der Wahlberliner bisher ungewohnt dunkle und zutiefst ehrliche Facetten. Auf den insgesamt 15 Tracks nimmt er uns mit auf eine Reise zwischen Selbstzweifeln und Aussichtslosigkeit, die von seinem einsamen, wolkenverhangenen Zimmer zu einer Flucht nach draußen führt. 

In einem ausführlichen Track by Track Interview hat er uns mehr über die Hintergründe dieser Geschichte erzählt. 

1. Pech oder Glück

TimmyT: Es ist bei ein paar Songs auf dem Album der Fall, dass der Text schon sehr alt ist. Von »Pech oder Glück« gibt es so vier komplett unterschiedliche Versionen, die aber den gleichen Text haben. Die, welche schlussendlich das Intro geworden ist, ist eben die Version, die mir am besten gefallen hat. Die Skizze, auf der der Track basiert, ging ursprünglich in die Boom-Bap Richtung und hatte einen Rap-Part. Als sich das Album dann Step-by-Step zusammengefügt hat, habe ich gecheckt, dass der übergreifende Text von diesem Song das Projekt thematisch ganz gut beschreibt. 

Produktionsmäßig haben wir dann mit einem Akkord-Loop begonnen und ich meinte: „Jo, mach mal das Mic an, ich hab Bock, ein bisschen zu reden“. Da war tatsächlich Friedrich Liechtenstein eine Inspiration, weil er so etwas auch oft in seinen Parts macht. Ich dachte dann, dass es vielleicht episch kommt, wenn ich am Anfang mit einer gehauchten gesprochenen Stimme anfange und es dann später zum Finale kommt. Eigentlich war »Nebel« als Intro gedacht, aber im Nachhinein war er dann doch zu kurz. 

Ich finde sehr spannend, dass es auf dem Album mehrere Songs gibt, die arrangement-technisch eine einzige Steigerung sind: »Pech oder Glück«, »Nebel« irgendwie auch, »Glänzt oder scheint«, »Kühler Wind« und »Wenn du willst« gehören auch dazu. Bis auf »Sucht ruft« gibt es einfach viele Tracks, die nicht dem klassischen Pop-Aufbau mit Part-Hook-Part-Bridge-Hook folgen. Das find’ ich generell irgendwie geil: Ein bisschen rumexperimentieren und Songs zu machen, die konstant Spannung aufbauen und am Ende dann gipfeln. 

Vom Mix her ist »Pech oder Glück« der einzige Song, der ein wenig aus der Reihe fällt. Die künstlerische Intention war, dass er beim Hören schon an die Grenze geht. Wenn man ihn sehr laut auf Kopfhörern hört, ist es vielleicht beim ersten Mal unangenehm, aber man gewöhnt sich daran. Die Überladung am Ende unterstützt dann den Vibe vom Song nochmal und macht den Einstieg zum Album interessanter – der Zuhörer denkt sich dann so: „Okay, was geht ab?“

3. Nebel

TimmyT: Das war ja die erste Single. Die Demo ist eigentlich auch eine der allerersten gewesen. Ich glaube, der Song hat mich ein bisschen dazu bewegt, das Album überhaupt zu machen.Ich fand den soundtechnisch ultra interessant –  vor allem, weil es mal was ganz anderes ist im Vergleich zu dem, was ich davor gemacht hab’. Vom Flow und allem ist er ein bisschen unkonventioneller, da es in der Art, wie ich die Silben rappe, nicht wirklich eine Struktur gibt. 

Die erste Skizze ist genau in dem Szenario entstanden, welches der Text beschreibt: Ich saß einfach zuhause, hab’ mir voll einen reingekifft, war allein und habe runtergeschrieben, wie ich mich gefühlt hab’. Ich denke, es ist klar, dass es eine schwierige Zeit war, die ich auf dem Album verarbeite. 

Die erste Demo ist komplett auf dem Laptop entstanden. Das habe ich generell letztes Jahr sehr viel gemacht. Viele erste Demos vom Album sind mit Laptop-Lautsprechern entstanden – Ich hab’ übers Handy aufgenommen und dann per Airdrop die Aufnahme rübergeschickt. Einfach um die Grundidee-Demo zu erstellen.

Ich sage das zwar über viele Tracks, aber »Nebel« kann ich immer hören. Einige Tracks auf dem Album sind recht zeitgebunden. Manchmal finde ich sie geil, aber ich höre sie insgesamt trotzdem weniger. Nebel ist eigentlich ziemlich konstant geblieben, weil ich den ultra interessant finde. Die Vereinigung aus alten und modernen Stilmitteln, den Orgeln und den 808s ist einfach nice. 

Ist die Zeit, die du auf dem Album beschreibst und verarbeitest, die Entstehungsphase vom Album, oder hattest du diese Gefühle auch schon davor? 

TimmyT: Größtenteils währenddessen. Ich denke, dieses Gefühl von Aussichtslosigkeit im Leben ist normal für unser Alter. Ich bin jetzt 23 bzw. war 21-22 als das Album entstanden ist und höre das auch von vielen Freunden. An manchen Tagen hat man irgendwie keine Hoffnung und keine Aussicht und andere Tage sind dann wieder gut. In diesen anderthalb Jahren kam das so wellenweise. Aber ja, in der Zeit ist größtenteils das Album entstanden.

5. Kühler Wind

TimmyT: Anfangs war »Kühler Wind« ein Indie-Track, den ich mal mit SL3PY BOY angefangen hatte, den Text mega geil fand, der aber schlussendlich nicht aufs Album gepasst hat, bis wir ihn dann komplett überworfen haben. 

Der Grund, warum es die Main-Single und auch der Albumtitel ist, ist, dass der Track ein Bild im Kopf malt. Beim Hören ist es leicht gruselig. Wir drehen noch ein Musikvideo dazu, was genau dieses Gefühl widerspiegeln soll. Die Paranoia, Düsterkeit, die Angst, verfolgt zu werden. Ein bisschen der Kampf mit sich selbst einfach. 

Musikalisch ist er voll organisch entstanden. Mir war klar, dass der Text ein bisschen düster ist, also muss das Instrumental dementsprechend auch düster werden. Es ging los mit der Vocal-Melodie am Anfang und anschließend haben wir uns bemüht, dass alle Sounds mystisch und düster werden. Beim Produzieren ist der Beat nie zu einem Loop gekommen, sondern hat sich die ganze Zeit entwickelt. Der Instrumental-Drum’n’Bass-Part am Ende stellt dann die musikalische Auflösung dar. Das Piepsen lässt ein bisschen Freiraum für Interpretationen. Es kann zum Beispiel sein, dass ich sterbe beziehungsweise ein Teil von mir gestorben ist.

Meine Interpretation war, da das Piepen auf dem Skit danach fortgeführt wird und am Anfang von »Sucht ruft« endet, es quasi deinen Herzschlag darstellt, der durch das Weed beruhigt wird. 

TimmyT: Okay, ja safe, geile Idee. Wird aber offengelassen. 

Gab es bei dir den Wunsch, musikalisch in eine andere Richtung zu gehen, oder hat sich das entsprechend der Themen auf dem Album einfach so ergeben?

TimmyT: Das Soundbild hat sich in der Produktionsphase echt ein paar Mal geändert. Letztes Jahr im Februar habe ich zusammen mit meinem Produzenten vier Tage lang ein Haus außerhalb von Berlin gemietet und an Demos gearbeitet. Die Ergebnisse waren alle ein bisschen moderne, poppige Nummern.

Anfangs fand ich das voll geil, wollte es aber noch ein bisschen interessanter machen. Ich bin voll der Fan von einem Vintage-Klang bei Musik – wenn Sachen alt und ein bisschen dreckig klingen. Deshalb war klar, dass ich alles nochmal überarbeiten und vom Sound her ein wenig versauter machen möchte. 

Damit es nicht modern klingt, habe ich die Songs auch über eine alte Tape-Machine mastern lassen. Die Vocal-Produktion ist trotzdem stellenweise noch modern. In den Beats haben wir aber immer geschaut, dass auf alte Methoden zurückgegriffen wird: Manchmal wurden Sachen über ein Pult laufen gelassen, viel mit Verzerrung gearbeitet etc. 

7. Sucht ruft

TimmyT: »Sucht ruft« habe ich zusamen mit Leon Deleu und Amadea (Dilla) gemacht. Inhaltlich geht es um den Vergleich von Konsum mit der Liebe. Deswegen singt Amadea auch die Hook, als Metapher für die Liebe. 

Trotzdem geht es natürlich um die Sucht und wie man damit umgeht. Ich hatte damit viele Probleme, inbesondere mit Weed, aber ich habe Ende November aufgehört. Irgendwann habe ich reflektiert und verstanden, dass viele der Probleme in meinem Kopf einfach nur davon kommen. Als ich bekifft war, kam die Aussichtslosigkeit und das Gefühl, nutzlos zu sein. 

Ich hab halt echt neun Jahre täglich konsumiert. Am Anfang war es kein Stress, aber irgendwann wird man mal erwachsen und checkt, dass das ganze Musikding gar nicht so easy und mit Risiko verbunden ist. Das hat mir viel Leichtigkeit aus meinem Leben genommen und immer, wenn ich dann ‘nen Joint geraucht habe, war ich am Hängen und habe über Wochen nichts gebacken bekommen. Deswegen wollte ich dem Thema einen Song widmen. 

Im Albumkontext ist es ja so, dass die Liebe am Ende die schlechte Phase ablöst. Ist das der Grund, warum Amadea auf diesem Song ist? – Also weil sie diese Phase quasi „ersetzt“ hat? 

TimmyT: Insgesamt würde ich sagen, dass mir unsere Beziehung in der schlechten Phase Halt gegeben hat. Deshalb war es mir wichtig, das Liebesthema mit einzubringen. Trotzdem muss man so etwas schlussendlich mit sich selbst ausmachen. Wir haben viel miteinander darüber gesprochen, aber letztendlich ist es ja auch nicht ihre Aufgabe. 

10. Wolkenmeer

TimmyT: Das Lied basiert auch auf einer echt alten Demo, die nie ganz fürs Album gedacht war. Das ursprüngliche Album hatte eigentlich so 20 Songs, von denen ich viele dann verworfen habe, unter anderem auch ein anderes Feature mit Amadea, aber das hat irgendwie alles nicht gepasst.

Ich hab den Beat und den ersten Part vor längerer Zeit auf meinem Laptop aufgenommen und dann nie wieder angehört, bis ich die Skizze letztes Jahr auf dem Weg zu einem Festival im Auto auf meinen Kopfhörern angemacht habe. Dort hab ich direkt gemerkt, wie geil er ist und wie gut er thematisch passt. Ich bin dann zu Noah (SL3PY BOY) und wir haben ihn ausproduziert.

Wie »Kühler Wind« und »Nebel« gibt’s hier wieder einen Wetterbezug. Ich saß einfach oft drinnen und hatte das Gefühl nicht rausgehen zu wollen, weil dort die böse Welt wartete. Innerhalb der Tracks werden teilweise die gleichen Zeilen wiederholt, was aber gar nicht so bedacht war, sondern einfach entstanden ist. 

Mein ganzes Zimmer voll mit Nebel

Nebel

Ich stand zu lang’ im Regen. Musste rein, doch dann war mein Zimmer voll mit Nebel.

Wolkenmeer

Das zeigt ja aber nur, dass sie inhaltlich zusammenhängen.

TimmyT: Genau, außerdem finde ich, dass der Song auch nochmal ein bisschen mehr Hip-Hop ins Album bringt. 

14. Diebstahl

TimmyT: »Diebstahl« ist so DER Liebessong vom Album. Hier war mir die Referenz bzw. Verknüpfung an meine letzten beiden EPs wichtig. Da geht es viel um diese „Herz” Thematik. Bei »FEELINGS«, der ersten EP von beiden, haben wir zum Titeltrack ein Musikvideo gedreht, in dem mäßig ein Herzkoffer „übergeben“ wird. Insgesamt ist es voll die Liebes-EP. Danach kam die »Origami Herz« EP, wo eher Rap-Liebeslieder drauf sind. »FEELINGS« geht mehr in die Indie-Funky Richtung, wozu »Origami Herz« dann das Hip-Hop-Pendant darstellt. 

„Du hast mein Herz geklaut“ bzw. der ganze Song schließen dann bewusst thematisch daran an. Ich wollte mit dem Album eine neue Ära starten, vor allem was mein Branding angeht, da ich mega lange überhaupt nicht zufrieden war mit allem, was ich davor gemacht habe. Ich wollte etwas Neues machen, aber trotzdem noch verbinden, wofür »Diebstahl« dann die Brücke ist. 

15. Wenn du willst

Ich muss sagen, die ersten paar Male, als ich den Song gehört habe, habe ich gar nicht verstanden, dass er teilweise auch negative Emotionen behandelt.

TimmyT: Ja, in dem Part mit „Ich schiebs auf die Stadt, doch die Schuld liegt bei mir“, checkt man es ja schon ein bisschen, dass irgendwas in mir ist. Im letzten Jahr bis heute sagen wir uns oft: „Lass mal irgendwann weggehen“ – „Wenn du willst, renn mit mir“. Der Song beschreibt die Flucht – irgendwie auch aus Berlin. 

Ich habe mega oft meine ganzen Probleme ein bisschen zu sehr auf die Stadt geschoben. Ja, Berlin ist halt grau und der Berliner Winter ist scheiße – ist ja bei allen so. Ich habe aber irgendwann verstanden, dass das Hauptproblem auf jeden Fall bei einem selber liegt. Trotzdem gibt’s hier schon viel Stress und Negatives, was einen umgibt. Deshalb gehen wir irgendwann zusammen nach Italien. Das ist der Plan. 

Sobald der Beat droppt, wird’s kommerzieller, fällt aber trotzdem nicht in den Standard-Pop Mainstream Bereich. Die Synthie Melodie erinnert mich irgendwie auch an so Musik aus den 2000ern oder 2010ern. Dann kommt der Drum-Break… Es ist irgendwie einfach ein geiler Mix. Ich liebe den Song und höre ihn privat mit Abstand am meisten. Auch vom Aufbau her – Es ist ein richtiger Gänsehautmoment, wenn er sich auflöst. 

Du meintest ja, dass du mit dem Album eine neue Phase einleiten möchtest. Inwiefern schließt diese in Bezug auf den Stil und die lyrische Ehrlichkeit an das Album an? 

TimmyT: Ich glaube, mein Problem mit meinen alten Sachen war eher, dass zu wenig Konzept dahinter gesteckt hat. Ich muss dazu sagen, ich habe sie in einer Phase wieder gehört, in der es mir nicht gut ging. Da fängt man ja sowieso an, alles runterzureden. Mittlerweile finde ich sie wieder authentisch und erinnere mich gerne daran zurück, dass ich halt auch mal ein anderer Typ war. Jetzt bin ich älter geworden und denke über Sachen einfach anders nach.

Allgemein soll die neue Ära einfach bedachter sein, vor allem ästhetisch. Viele der alten Cover haben mir nicht gepasst. Jetzt habe ich beim ganzen Album sehr darauf geachtet, dass die ganzen Visuals geil und kohärent aussehen. Es kommen auch CDs und Poster, wodurch das Ganze für die Fans mehr ein Erlebnis ist, mich zu verfolgen. Früher war ich halt ein bisschen lockerer.  

Mein nächstes Projekt nach dem Album wird safe auch wieder was komplett anderes. Ich finde das ist irgendwie mein Ding.  Ich denke mir beim Mucke machen immer: „Ich will was machen, was ich noch nie gemacht habe.“ Da will ich auch dran festhalten. In Zukunft halt nur ein bisschen konzeptioneller, geiler und bedachter. Einfach ein bisschen erwachsener.

Hattest du das Gefühl, dass diese Durchdachtheit und eher düsteren Themen von »Kühler Wind« vorher keinen Platz hatten in deiner Musik?

TimmyT: Es gibt ein paar Tracks von früher, wo sowas schon ein bisschen durchschimmert. »Was gibt mir halt« zum Beispiel. Auf der »Origami Herz« EP hat es auch schon ein bisschen angefangen. Der bedachte Typ steckt wahrscheinlich schon immer in mir und ist jetzt halt mehr zum Vorschein gekommen. 

Ich hab’ auch Bock wieder lockere Mucke zu machen, aber das ist sehr davon abhängig, wie es mir geht und was bei mir so passiert. 

Hast du noch irgendwas, was du den Hörern zum Tape sagen möchtest?

TimmyT: Ich würde mir wünschen, dass die Leute sich die 40-45 Minuten Zeit nehmen und das Album im Ganzen hören, um es richtig zu verstehen. Es gibt zwar ein paar „Lückenfüller“ bzw. Überleitungen, aber es ist schon als ganzes Album gedacht. Ich hoffe, die Musik und Texte sprechen für sich und dann passt das. 

Mir geht es auf jeden Fall viel besser – auch weil ich aufgehört habe zu kiffen.