Editorial: #808 Day - Die Geschichte der Roland TR808

#808Day: Die Geschichte der Roland TR808

Spätestens seit Trap-Musik als Subgenre die Hit-Paraden weltweit erobert hat, ist ein Begriff nicht mehr wegzudenken: Die 808. Von unzähligen Referenzen in Rapsongs über nach ihr benannte Alben bis hin zu Szeneclubs, die eben diesen Namen tragen, tauchen die drei Ziffern immer wieder auf.

Wenn heutzutage von einer 808 gesprochen wird, geht es meist um den modernen 808 Bass – eine Kick, die unmittelbar mit einem tieffrequenten Ton verbunden ist – wie man ihn in Trap-Produktionen hören kann.  Doch auch beispielsweise Hi-Hats, Snares und Cowbells sind dort zum größten Teil 808 Drums, auch wenn sie im Laufe der Zeit stark verändert wurden. Das bedeutet, dass sie ursprünglich aus dem Soundset einer Drummachine aus den 80er Jahren stammen, welchen mit Kompression, Distortion und anderen Effekten ein modernerer Sound gegeben wurde.

Ebendiese Drummachine und Namensgeber der Sounds ist die 1980 erscheinende TR808 des japanischen Herstellers Roland. Ursprünglich war die TR808 nur als Hilfsmittel für Musikproduzenten gedacht, um schnell und einfach Demosongs aufnehmen zu können. Da Schlagzeuge viel Platz einnehmen und kompliziert aufzunehmen sind, verfügten viele kleinere Studios nicht über eigene Drums – darum sollte eine kleine Drummaschine Abhilfe schaffen.

Bereits zwei Jahre zuvor hatte Roland mit dem CompuRhythm CR-78 die weltweit erste Drummachine mit programmierbarem Pattern auf den Markt gebracht. Ursprünglich als Begleitgerät für Orgeln gedacht, entwickelte der CR-78 eine gewisse Beliebtheit bei Musikproduzent*innen und sollte im Jahr 1981 sogar bei dem Superhit »In The Air Tonight« von Phil Collins zum Einsatz kommen.

Als die TR808 im Jahr 1980 erschien, stieß sie aber erst einmal auf wenig Anklang. Die Sounds wurden als zu synthetisch und zu wenig natürlich wahrgenommen. Somit wurde der Drumcomputer erst einmal ein Ladenhüter. Einhergehend mit den schlechten Verkaufszahlen kam es auch zu einem Preisssturz für die ohnehin kostengünstige Hardware. Während der Konkurrent Linn LM-1 – quasi der erste Sampler – mit knapp 5000$ zu Buche schlug, ist die Roland TR808 bereits für 1200$ zu haben gewesen.

Dieser Preisunterschied begründete sich bereits in der Funktionsweise der beiden Geräte. Während der LM-1 gespeicherte, echte Drumsounds wiedergibt, erzeugt die TR808 die Sounds selbst. Da die Hardware für Speicherplatz in der damaligen Zeit recht teuer war, setzte das Entwicklerteam von Roland hier auf analoge Soundsynthese, um ein echtes Schlagzeug nachzuahmen. Doch eben das stieß bei Musiker*innen weltweit auf Ablehnung, denn die analogen Sounds klangen keinesfalls realistisch. Insgesamt wurden weltweit nur 12000 Einheiten des Gerätes innerhalb von 2 Jahren verkauft. Danach wurde die Produktion eingestellt. Nichtsdestotrotz bekam die 808 ihren großen Auftritt: Ihre Sounds wurden 1982 äußerst prominent im Song »Sexual Healing« von Marvin Gaye verwendet.

Abseits ihres unorganischen Sounds brachte die TR808 einige Vorteile gegenüber der Konkurrenz mit sich. Zum einen war sie nunmal extrem günstig – teils konnte man gebrauchte Geräte für knapp 100$ kaufen –  zum anderen war ihr Interface um einiges simpler gestaltet als das vom Linn LM-1 oder ähnlichen Geräten, sodass auch unerfahrene Nutzer*innen diese relativ einfach bedienen konnten. Aus diesem Grund war der RythmComposer von Roland hauptsächlich in kleinen Studios und bei Homeproducern zu finden, was ihr natürlich den Weg in den Underground bahnte.

So kam es, dass ebenfalls im Jahr 1982 Afrika Bambaataa – einer der Urväter des Hip-Hop und Sampling – die TR808 für seine Single und das gleichnamige Album »Planet Rock« nutzte. Bambaataa war inspiriert von den elektrischen Klängen der deutschen Band Kraftwerk, die sich in den Sounds der TR808 wiederfanden. Auf diese Weise beeinflusste er die Entwicklung verschiedener Genres, wie bspw. Miami Bass oder anderer elektronischer Musik, vor allem aber die des Hip-Hop. Damit wurde die TR808 vom Ladenhüter zum begehrten Sammlerstück – denn zu dieser Zeit war die Produktion bereits eingestellt worden.

Besonders als Hip-Hop sich aus dem Epizentrum New York wegbewegte und in alle Teile des Landes wanderte, bekam die TR808 noch einmal eine größere Rolle -insbesondere in den Südstaaten von Amerika. Während in dem New York der 90er Jahre haupsächlich organischer samplebasierter MPC-Sound zu hören war, setzte man im Dirty South häufiger auf Synthesizer und Drummachines, um einen eher elektroiden Sound zu kreieren, wie er in Produktionen der Three 6 Mafia, Lil Jon oder UGK zu hören war. Daraufhin wurde die TR808 zur festen Größe im Hip-Hop und so gut wie jeder bekannte Produzent der damaligen Zeit hat einmal mit dem Gerät gearbeitet. Ganz besonders Rick Rubin, der gemeinhin als einer der einflussreichsten Hip-Hop Producer gilt, war für seine Arbeit mit der TR808 bekannt. So produzierte er Songs für Run-DMC, LL Cool J und die Beastie Boys. Aber auch Outkast konnten vom elektroiden Sound profitieren. So verwendeten sie eine 808 bei »The Way You Move« aus dem Jahr 2003 und erreichten damit ihre erste Nr. 1 Platzierung in den Charts. Welch einen Klassikerstatus der 808 innewohnt, wurde spätestens im Jahr 2008 mit Kanye West’s »808’s & Heartbreaks« deutlich, da er bereits im Albumtitel auf die Drummachine anspielte.

Nachdem die TR808 auch abseits von Hip-Hop einige größere Auftritte verzeichnen konnte, erfreute sie sich natürlich wachsender Beliebtheit und bestimmte nach und nach maßgeblich den Sound der späten 80er und frühen 90er Jahre, sowohl im Hip-Hop und Pop als auch in der elektronischen Musik. Heutzutage wurden mit keiner anderen Hardware so viele Hits produziert wie mit der TR808, man schaue sich nur »Dance With Somebody« von Whitney Houston oder »Clear« von Cybotron an. Letzterer wurde vom Magazin The Wire beschrieben als “groundbreaking…first-generation piece of pure machine music”. Auch ist dieser Song die Grundlage zu Missy Elliott’s »Lose Control«. Somit konnte der Sound der TR808 abermals mehrere Genres beeinflussen.

Darüber hinaus wurden die Sounds der TR808 im Laufe der Zeit immer wieder resampled und verändert, sodass viele der heutigen Sounds – wie eingangs schon erwähnt – auf den Original Sounds basieren, wie z.B. in »Black Horse« von Katy Perry. Und auch in Deutschland wird der über 40 Jahre alten Drummachine noch Respekt gezollt. So nannte Ufo361 – der als Pionier im deutschen Trap gilt – kurzerhand sein Album schlicht »808«.

Somit hat die Roland TR808 in den letzten 40 Jahren eine äußerst interessante Entwicklung durchgemacht: Vom Ladenhüter zur ikonischen Hardware in der Musikproduktion, die quasi jedes Genre nachhaltig verändert hat. Happy 808Day!