Staff Pick: Karate Andi - Pilsator Platin

Karate Andi – Pilsator Platin

„Schöne erste Runde von Karate Andi, macht mal Läääärm Berliiiin“ – bei Rap am Mittwoch hatte sich Andi Anfang der 2010er längst einen Namen gemacht. Seine meist obszönen aber immer unterhaltsamen Punchlines standen für sich und sorgten für eine große Fanbase innerhalb der Liga. Auf Albumlänge und außerhalb der RaM-Szene hingegen musste sich der in Neukölln lebende Rapper noch beweisen, denn der Absprung vom reinen Battlen hin zum zusammenhängenden Album ist bei anderen in der Vergangenheit schon öfters mal nicht geglückt.

2014, zwei Jahre nach dem Start bei Rap am Mittwoch, also schließlich das Debütalbum. »Pilsator Platin« hat er es genannt, mit dem Bezug zur Biersorte ein erster Hinweis auf das, was man so halb schon erwartet hat: Rap, der sich stark auf die hiesige Kneipenkultur konzentriert und das Drumherum voller Alkohol und allen denkbaren anderen Drogen zelebriert. Wenn es mal nicht um die Absteigen Berlins geht, werden schnell auch mal U-Bahn-Fahrten (selbstverständlich schwarzgefahren) zur Mutter der imaginären Gegner zum Thema gemacht. Überhaupt kriegt die Mutter auch auf Albumlänge immer noch genauso viel ab wie davor bei den echten Gegnern auf der Bühne. Treu bleibt man sich in Neukölln definitiv.

Bei dem ständigen Berlin-Bezug fällt gar nicht auf, dass Karate Andi ursprünglich aus einer niedersächsischen Kleinstadt kommt. Viel zu authentisch sind die Beschreibungen der Kneipentouren durch den Mann mit dem Hang zu allerhand billigen Biersorten. Insbesondere die vorgetragene gesunde Abneigung gegenüber der BVG und Friedrichshainern könnte selbst Berliner der sechsten Generation stolz machen.

Was bei all dem Punchline-Geflexe, der Asozialität und den Mutterlines aber nicht zu vernachlässigen ist, ist die Art und Weise wie sie vermittelt werden. Die fröhliche Abwechslung zwischen purer Stumpfheit und durchdachten, humoristischen Lines ist definitiv eine der Kernkompetenzen von Andi. Wo in einem Moment noch Vodka und Viagra als passendes Datemitbringsel ausgemacht werden, bringt er im nächsten Moment eine Referenz an Lemmy Kilmister von Motörhead, der u.a. für seine speziellen Uniformen auf der Bühne bekannt war. Ausflüge in andere Gefilde stellen generell keine Seltenheit bei »Pilsator Platin« dar: Mal wird auf Hip-Hop Altmeister Big Daddy Kane geschworen, mal vergleicht er sich mit Smiths-Frontmann Morrissey und mal wird der den Drogen nicht gerade abgeneigte Autor Charles Bukowski für eine Line herangezogen.

Das sorgt laufend für Unterhaltung – eben ganz wie bei seinen Battles. Besonders aufmerksame Fans können vereinzelt Zeilen aus alten Runden in den Tracks wiedererkennen, die der Rapper aus gutem Grund recyclet hat. Zu schade, wenn sie nur den RaM-Fans bekannt geblieben wären. Um den Bogen zu Rap am Mittwoch vollständig zu spannen: Die Instrumentals sind ausschließlich von 7inch produziert, der Andi bei einem Battle sah und ihn daraufhin ins Studio holte.

Gemeinsam schaffen die beiden ein absolut gelungenes Debüt, das nicht nur letzte Zweifel beseitigt, ob Andi den nächsten Sprung auf die große Rapbühne schafft, sondern sogar Selfmade Records davon überzeugt, ihn zu signen. Nur ein knappes halbes Jahr nach Release unterschreibt Karate Andi beim damals vielleicht wichtigsten Label und bringt sich in eine noch aussichtsreichere Position, um auch weiterhin die Kneipen zu terrorisieren.