Staff Pick: GZA - Liquid Swords
Label: Geffen Records

GZA – Liquid Swords

Mitte-Ende der 90er: Während die US-Rapwelt auf den gipfelnden Westcoast-Eastcoast-Streit schaut, ist man beim Wu-Tang Clan vor allem damit beschäftigt, die Solokarrieren der Clanmember voranzutreiben. Das Gruppendebütalbum »Enter the Wu-Tang (36 Chambers)« ist 1993 erschienen und sorgte für so viel Wirbel, dass die Standoutnames des Clans auf dieser Welle des Erfolgs kurz aufeinanderfolgend ihre jeweiligen Soloalben droppten. Angefangen mit Method Man und seinem Erstling »Tical« (1994) ging es über Fanliebling Ol’ Dirty Bastard und seinem »Return to the 36 Chambers« hin zu Raekwon und seinem Mafia-Rapalbum »Only Built 4 Cuban Linx…«.

Allesamt Klassiker auf ihre Art, aber als im November ’95 die Fackel an GZA weitergegeben wurde, sorgte er für das bis dahin und vielleicht auch bis heute stärkste Wu-Tang Soloalbum überhaupt: »Liquid Swords«

Wie gewohnt hat sich RZA, das Hirn des Clans, dem Großteil der Produktion angenommen und für die detailreichen, samplelastigen und vor allem düsteren Klänge gesorgt, die einem ab Sekunde 1 entgegenschallen. Da wird für den Titeltrack und gleichzeitiges Intro der Martial Arts-Film Shogun Assasin aus 1980 gesampled, der übrigens auch im weiteren Verlauf des Albums immer wieder Satzfetzen zur Bearbeitung für den RZA bietet. Und wenn dann eine merkwürdig ruhige Kinderstimme erzählt, wie der Vater getötet werden sollte und wie sich seitdem alles geändert hat, dann weiß man: Dieses Album wird keine leichte Kost: Es wird dunkel, es wird gewalttätig und es wird verflochten.

Das unterstreichen auch das Schachbrett, das der passionierte Schachspieler GZA auf sein Cover setzen hat lassen. Gemeinsam mit den abgetrennten Köpfen und den Kampfszenen wird die Richtung des Albums bereits hier vorgegeben. GZA lässt dem auf den Songs dann auch Taten folgen, wenn er über “bloodbaths in elevator shafts” (»Duel Of The Iron Mic«) oder “hitmen who pull out TECs and then drop those who crack like tacos from mexican” (»Gold«) rappt. Berichte von den Straßen erfinden im Hip-Hop und auch beim Wu-Tang Clan wahrlich nicht das Rad neu, aber wenige beschreiben die Geschehnisse so eindrücklich und sprachgewaltig wie der GZA auf »Liquid Swords«.

Es drehen sich aber nicht alle seiner Texte ausschließlich um die Gewalt da draußen und das harte Leben in den Projects. Auf »Labels« rechnet er zum Beispiel mit ausbeuterischen Hip-Hop Labels ab – Erfahrungen, die er selber vor den Erfolgen beim Clan am eigenen Leibe gemacht hat. “Tommy ain’t my motherf*ckin boy” ist eine der Zeilen aus diesem Track, die vermutlich nicht nur dem vormalig bei Tommy Boy gesigneten RZA sondern bis zuletzt auch De La Soul aus der Seele gesprochen haben. »Living In The World Today« ist dagegen ein Social Commentary-Track, der zwar eigentlich auf die Probleme der damaligen Zeit Bezug nimmt, in vielen Fällen aber leider immer noch höchst aktuell ist.

Die absolute Highlight-Passage des Albums setzt aber zur Mitte des Albums ein: Erst sorgen GZA, RZA, Ghostface Killah und Killah Priest auf »4th Chamber« für einen Song, der genauso gut auf dem Wu-Debüt hätte landen können, dann stellt Method Man beinahe GZA auf seinem eigenen Album in den Schatten. Auf »Shadowboxin’« gehen beide All-In und bringen den vermutlich bekanntesten – und auch besten – Song des gesamten Albums hervor. “Allow me to demonstrate the skill of Shaolin” = Peak Wu-Tang! Abgerundet wird dieser Drei-Track-Run von »Hell’s Wind Staff / Killah Hills 10304«. Ohne Hook und mit langem Intro ist der Track deutlich sperriger als seine beiden Vorgänger, macht das aber dafür mit einem ausgiebigen und metaphergetränktem Verse des GZAs mehr als wett.

Der hintere Teil des Albums lässt einen schließlich etwas durchatmen, bevor es zum Bonus-Song kommt – dem einzigen nicht vom RZA produzierten Song des Albums. Es ist auch der einzige Track des Albums, auf dem GZA selber nicht rappt oder überhaupt beteiligt ist. Stattdessen sind es 4th Disciple an den Geräten und Killah Priest am Mic, die sich hier austoben dürfen. »B.I.B.L.E.« fällt aber nicht aus der Reihe, sondern ist mit seinen tiefgehenden Parts und dem Ohio Players-Sample stattdessen sogar einer der Höhepunkte des Albums.

Irgendwie passt es deshalb zum gesamten Album und zum Clan allgemein, dass der 13. und letzte Track von »Liquid Swords« nicht etwa vom Hauptcharakter GZA aufgeführt wird, sondern einer der vermeintlich schwächeren Parts des Wu-Tang Clans die Hörer*innen nach dieser beinahe filmischen Albumerfahrung entlässt. Man wird eben immer wieder aufs Neue überrascht bei den Jungs aus Staten Island.