Im August 2024 habe ich FRISO das erste Mal zu seiner EP »10qm« interviewt. Ungefähr neun Monate später sprechen wir im April dieses Jahres, diesmal via Zoom, weil er in Hamburg ist und ich in Athen über die Fortsetzung dieser EP.
»Luft zum Atmen« spinnt nicht nur »10qm« weiter, sondern beendet auch das zusammenhängende Projekt. Im Gespräch soll es, neben der Chance nach einem Rückschlag neu anzufangen und dem neuen Lorde-Album, genau darum gehen.
Letzten August haben wir über die erste EP des Projekts, »10qm«, gesprochen. Möchtest du einmal kurz anreißen, was sich seitdem in deinem Leben und deiner Musik verändert hat?
Ich würde behaupten, gar nicht mal so viel. Es sind schon viele schöne Dinge passiert, aber gefühlt hat sich nicht wirklich etwas verändert.
Der Fokus lag jetzt halt mehr auf meinen Sachen und dann ist irgendwie alles sehr schnell vorbeigegangen und passiert: Der Release im Oktober, wir haben die Live-Session gemacht und es gab ein zwei Konzerte, unter anderem auch mit Tooloud(fortheroom).
Von daher sind sehr viele Dinge passiert, auf die ich eh schon sehr lange Lust hatte und das erste Mal richtig einen Fokus setzen konnte. Das war cool. Dann war irgendwie schon Ende des Jahres und auf einmal auch wieder Zeit für neue Musik, womit ich von Januar bis ziemlich genau Mitte März beschäftigt war. Mental bin ich gerade noch im Monat Februar, weil sich das alles sehr viel kürzer angefühlt hat, als es dann im Endeffekt war.
Ansonsten ist ein Booking dazu gekommen. Heißt, es gibt (bald) mehr Live-Shows. Man kann sagen, dass alles ein bisschen größer geworden ist. Trotzdem aber immer noch in einem sehr kleinen, überschaubaren Kreis mit Leuten, mit denen ich mir auch ausgesucht habe zu arbeiten.
Ich gehe später auf ein, zwei Punkte genauer ein. Jetzt erstmal eine andere Frage: Wann und warum haben du bzw. ihr euch dazu entschieden, »10qm« fortzusetzen?
Ich würde gerne sagen, dass dieser Plan, die EP fortzusetzen, von Anfang an da war. Was aber von Anfang an klar war, ist, dass es zwei EPs geben soll, die irgendwo zusammenhängend sind. Nicht unbedingt thematisch, aber halt konzeptuell.
Ich hatte das glaube ich in unserem letzten Interview auch gesagt, aber dass der Name »10qm« zuerst kam, ist einfach so passiert – vor allem im Zusammenhang mit den ganzen Anekdoten, die es halt eh in den Songs schon gab.
Dann kam die Idee auf, einen Namen zu finden, der zusammenhängend funktionieren kann. So ist dann »Luft zum Atmen« entstanden. Wir haben sehr lange rum überlegt und geguckt, wie man dieses „10qm“ einbauen kann, ohne dass es zu lang bzw. zu einem ganzen Satz wird. Irgendwann kam es einfach aus dem Nichts (schnippst mit den Fingern): Wir machen „Luft zum Atmen“. Das ergibt Sinn. Das ist der letzte Satz der ersten EP – das allerletzte, was gesagt wird auf »10qm«:
Gib mir Luft zum Atmen
Seitenstechen
Die EPs sind also nacheinander entstanden und nicht in einem zusammenhängenden Prozess?
Genau, es sind zwei unterschiedliche Prozesse gewesen, aber trotzdem mit dem Hintergrund, dass all das, was zu dem Zeitpunkt entstanden ist, bei »10qm« oder auch vorher schon immer noch relevant ist. Es war nicht so, dass wir nur den Fokus hatten, neue Musik zu machen, sondern auch ein bisschen geguckt haben: „Hey, was liegt noch rum? Was hat es auf »10qm« zum Beispiel nicht geschafft? Was davon kann man verwenden?“
Das heißt, wir haben uns bei »Luft zum Atmen« auch wieder an älteren Songs bedient oder auch nur an ihren Texten. Irgendwo kann man schon sagen, dass es ein riesiger Prozess war, weil die Lücke zwischen den beiden EPs nicht so riesig lang war bzw. die zwischen den Entstehungsphasen. Eigentlich sind es aber einzelne Prozesse gewesen.
Ich erinnere mich, dass du irgendwann mal eine Skizze vom zweiten Part von »Sad Songs/Winter« gepostet hattest.
Schon ewig her, das war glaube ich vor zwei Jahren. Einfach nur kurz auf TikTok hochgeladen, mehr auch nicht. Seitdem ist der Song so da. Ich fand ihn immer cool und irgendwie hat es dann ganz gut zu dem anderen Teil gepasst, vor allem im Sinne des Plot-Twists.
Es gibt noch einen Lost-Part von Sant drauf, den wir runtergenommen haben. Mal gucken, was damit noch passiert – ob man das irgendwann nochmal öffentlich gemacht.
Vielleicht könnt ihr den ja live zusammen spielen.
Ja mal gucken, was wir damit noch machen. Ich bin gespannt.
»Seitenstechen« hört mit exakt derselben Bitte auf, mit der »Nichts« anfängt und verbindet damit die beiden EPs: „Gib mir Luft zum Atmen“. Generell ist dieses Thema auf der neuen EP sehr präsent. »Nichts« beschreibt das Gefühl, von den eigenen Gedanken erdrückt zu werden. Bei »Petrichor« geschieht dies durch den Weltschmerz und zieht sich weiter durch die anderen Songs. Hast du mittlerweile einen Weg gefunden, mit diesen Gefühlen umzugehen und dir so quasi Luft zum Atmen zu verschaffen?
Ich glaube, ich habe noch nicht mal einen Weg gefunden, die Gefühle überhaupt auszudrücken. Klar ist die Musik immer das, womit man es an erster Stelle irgendwie macht. Dazu, dass ich Dinge erst erkenne, wenn ich sie musikalisch schon mal geschrieben habe, hat sich nicht so viel verändert. Das mir also erst nach einem halben Jahr bewusst wird: „Ah, das ergibt Sinn, warum ich mich da so gefühlt habe und warum ich das so geschrieben habe.“ Mir wird dementsprechend auch erst später die Situation bewusst, in der ich mich damals befunden habe. Das ist auch weiterhin so.
Wie schon gesagt, findet mein Ausdruck viel durch Musikmachen statt, wobei ich mir schon häufig denke, dass vieles innerhalb der Musik krasser klingt, als es dann bei mir im Kopf auch ist. Ich drücke mich also extremer aus, als ich mich dann im Endeffekt fühle.
Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass ich den Bezug zu den Gefühlen noch nicht richtig entdeckt, sondern sie erstmal nur ausgedrückt habe, ohne schon zu wissen, was für Gefühle es überhaupt sind. Da könnte man jetzt auf jeden Fall sehr deep gehen… Mehr kann ich da nicht wirklich sagen.
Du erwähnst auf mehreren Songs wie z.B. »Swimming Circles«, dass du nicht gut mit Worten umgehen kannst und hast gerade im Gespräch gesagt, dass es dir offensichtlich leichter fällt, dich durch Musik auszudrücken. Inwiefern führt das in deinen zwischenmenschlichen Beziehungen zu Problemen, bzw. tut es das überhaupt?
Es gibt schon immer mal hier und wieder Konflikte, auf jeden Fall. Ich glaube, das liegt daran, dass viele Menschen auch das erste Mal über die Musik von Dingen hören, obwohl sie mich persönlich kennen. Einerseits ist das für außenstehende Leute, je nachdem, in welcher zwischenmenschlichen Beziehung man ist, überraschend und vielleicht auch schwer zu hören. Andererseits vergleiche ich das halt immer ganz gerne damit, dass andere Leute Tagebuch schreiben, es halt nur nicht öffentlich machen.
Ansonsten glaube ich, dass ich halt einfach nicht gut mit Worten bin. Das heißt, ich brauche immer sehr viel länger, um mich mit Sachen zu beschäftigen und sie so in Worte fassen zu können, dass sie so ausgedrückt werden, dass Leute verstehen, wie ich sie meine.
Versuch’ mit Songs in Warteschlange, dir zu sagen wie’s mir geht
Swimming Circles
Gibt es diese Barriere, dich konkret ausdrücken zu müssen, im Studio auch?
Im Studio ist es so, dass der Ausdruck und das, was ich sagen will, gar nicht an erster Stelle steht, sondern eher, dass es sich cool anhört, dass es ästhetisch klingt und dass die Reime und der Text cool sind. Mir fällt dann erst im Nachhinein auf, was ich geschrieben habe und worum es eigentlich geht.Von daher ist es eher ein kreativer Prozess, der dann am Ende zeigt, was das Gefühl war. Das ist mir tatsächlich auch gerade zum ersten Mal aufgefallen (lacht).
Okay, sehr spannend, dass das anscheinend unterbewusst stattfindet. Vor allem, weil »Luft zum Atmen«, meiner Meinung nach, introspektiver und ehrlicher als der Vorgänger ist.
Das stimmt. Die war auch deutlich schwerer zu machen, weil der Bezug zu vielen Dingen gefehlt hat bzw. nicht so da war. Vielleicht lag es auch einfach daran, dass es eine neue Situation war mit mehr Druck, weil man ja das vorherige Projekt weitererzählen möchte und nicht ein neues erschafft. Es müssen irgendwo Parallelen sein, es soll vom Sound her auch geil klingen und mindestens so geil wie vorher sein. Ich glaube, das war schon eine Riesenaufgabe, sich darin nicht zu verlieren.
Apropos verlieren.
Mhm. (lacht)
Was ist eigentlich mit dem ursprünglichen Projekt passiert? Wie man auf »luft zum atmen verloren« hören kann, ist es anscheinend ja verloren gegangen.
Ja, wir haben es lowkey irgendwie gejinxt. Ich weiß nicht – es sollte anscheinend so sein.
Es war wieder mitten in der EP-Phase und ist eigentlich ein neuer Laptop gewesen, wo auch alles gebackupt wurde. Dann ist der Laptop halt irgendwann in einer Session einfach abgestürzt, ging danach aber wieder und zwei Tage später war er komplett down. Dann waren alle Projekte, die auf dem Desktop lagen, erstmal weg und irgendwie auch der iCloud Speicher. Irgendwas ist mit dem Ordner in der Cloud passiert. Außerdem ist uns zwei Wochen vorher die externe Festplatte abgeschmiert. Wir hatten also wirklich mit höheren Mächten zu kämpfen.
Dieses Mal kam das aber irgendwie sehr erfrischend. Wir waren auf einmal an einem Knackpunkt und hatten coole Skizzen und Ideen. Diese Ideen waren aber Ideen, die man irgendwie noch nicht so richtig fortführen könnte. Es gab einzelne Momente, von Songs, die irgendwie schon da waren. Es gab einen Song, der schon komplett fertig war, aber der Rest war wirklich erst bei 50%, wenn überhaupt.
Wir haben uns dann aber ein bisschen von diesen einzelnen Momenten entfernt. Das Intro von »Weit weg« war eins der ersten Sachen, die wir gemacht haben. Super hart, aber irgendwie wussten wir nicht ganz weiter und haben dann versucht etwas Neues zu machen.
Das Kaputtgehen des Laptops war wichtig, um einmal alles durchzuhören und zu checken: „Das ist alles gar nicht so weit weg von dem, was wir machen wollen. Wir müssen nur daran festhalten und nicht direkt aufgeben, nur weil man in einer Session nicht weitergekommen ist.“ Gerade auch der Song »geek«. Der war eigentlich fertig und musste drei Wochen später abgegeben werden, war aber nicht geil. Daran hat man es nochmal gemerkt. Wir haben ihn dann aufgebrochen und den zweiten Part plus das Instrumental irgendwie neuer gemacht. Das hat’s für mich dann im Endeffekt voll gemacht, weil ich mit frischer Energie und ein bisschen aus der Vogelperspektive drauf gucken konnte: „Das ist schon alles sehr geil, wir müssen nur diese Momente auserzählen.“ Dementsprechend hoffe ich, dass es nie wieder passieren wird, dass wir etwas verlieren, aber dieses Mal war es geil.
Ich habe es dieses Mal auch mehr mit Humor genommen. Natürlich war es stressiger, weil wir das Studio blockiert haben, Sachen verschieben und wieder auf Druck arbeiten mussten. Es hat aber was gebracht und wir wussten, wie wir mit so einer Situation umgehen müssen, weil wir es einfach schon einmal durchgemacht haben. Ich finde es irgendwie fast schon wieder schön, dass es auch bei der zweiten EP passiert ist. Dadurch hängt die Geschichte der einzelnen EPs nochmal mehr zusammen.
Also ist das bei »10qm« auch passiert?
Ja, da war es so, dass der Laptop im Urlaub geklaut wurde und wir es nicht gebackupt hatten. Der Laptop war einfach weg und es war nichts mehr zu machen, obwohl die EP schon fertig war. Sie war wirklich an dem Punkt, wo nur gemixt und gemastert werden musste. Dann waren die Projekte weg und wir haben sehr improvisieren müssen. Aber letztendlich hat auch alles funktioniert.
Wie schon erwähnt, hört man an vielen Stellen eine Weiterentwicklung zu »10qm«. Die Liebesbeziehung hat sich vertieft, der Diss-Charakter scheint stärker durch etc. Was hat sich für dich verändert, dass du dich jetzt intensiver und ehrlicher ausdrückst, bzw. hat sich überhaupt etwas verändert?
Ne, gar nicht eigentlich. Ich habe aber schon zwischen den beiden EPs gemerkt, dass ich auf die Skizzen oder generell auf die Songs immer sehr gutes Feedback für die Texte bekommen habe. Ich fand das lustig, weil ich damit einfach immer sehr am strugglen bin und bei viel Belangen bei Texten unsicher bin, ob ich es cool finde und ob diese eine Line nicht zu cheesy kommt.
Wenn ich einen Song höre, stößt mir nicht jede einzelne Line auf, sodass ich mir denke: „Oh, die Line hätte ich jetzt nicht so geschrieben.“ Ich finde es stattdessen einfach geiler, wenn da mindestens zwei Lines drin sind, die einfach komplett nice sind und den Rest in den Hintergrund stellen.
Bei meinen eigenen Songs finde ich es wiederum schwer, mir einzugestehen, dass es okay ist, wenn nicht jede Line ein Hitter ist. Von daher hat sich die Art, wie ich mich ausdrücke, nicht wirklich verändert. Wenn, dann unterbewusst, aber dann habe ich noch nicht erkannt, dass sich da etwas in der Arbeitsweise verändert hat.
Ich glaube, bei dieser EP war das Texten viel bewusster, weil ich mich tatsächlich auch innerhalb der Phase viel mehr aufs Texten fokussieren musste, weil sie irgendwie nicht so geflowt sind. Ich musste mich echt wirklich zu jedem Song richtig hinsetzen und mir Zeit nehmen. Es ging nicht einfach so in der Session runter. Meistens ist das bei mir aber eh nicht der Fall. Dieses Mal war es sehr viel längere Arbeit, was das Texten angeht und deswegen auch weniger aktiver kreativer Input.
Ich habe schon viel kreativen Input gegeben, aber war jetzt nicht so krass am Start wie bei »10qm«, dass ich aktiv neben SOMA sitze und wir beide das Instrumental formen. Es war mehr so, dass ich meine Kommentare reingegeben hab und mich sonst weiter aufs Texten konzentriert habe. Man kann schon sagen, dass ich mir mehr Zeit für die Texte genommen habe.
Natürlich ist es toll, wenn jede Line durchdacht ist und tausend Ebenen hat. Trotzdem ist man, finde ich, überraschter bei Songs, die eher leichtere Zeilen haben, ein zwei tiefere zu finden.
Voll! Ich würde auch nicht sagen, dass ich versuche jede Line so zu schreiben, dass sie mehrere Ebenen hat, sondern einfach wirklich eher, dass ich mich damit wohlfühle, diese Line gerade zu sagen. Die kann komplett nichts bedeuten, aber dann muss die Phonetik stimmen und sich schön anhören. Das ist dann eher das, woran ich mich aufhalte.
Ich bin auch niemand, der jetzt sagt, ich muss das Aussehen einer Flasche auf fünf Ebenen beschreiben als Metapher für mein Wohlbefinden. Dafür war ich dann auch zu schlecht, was Interpretieren angeht. Aber, hier und da, wenn das mal vorkommt, ist cool.

Du hast schon recht, dass wenn man leichtere Texte schreibt und dann zwei drei Hitterlines hat, sie einfach viel mehr im Kopf hängen bleiben. Das war ein bisschen bei »Sad Songs/Winter« das Ding für mich. Dieser Song, also »Sad Songs« ohne »Winter« ist zu 90% von mir selber produziert. Uns war wichtig, dass wir einen Song drauf haben, der sehr viel DNA hat. Ich habe den sogar zu Hause produziert. Irgendwie hat es im Studio nicht funktioniert, dann konnte ich nicht pennen gehen, ohne dass ich irgendwas gemacht habe, was mir gefällt. Ich habe mich dann zu Hause hingesetzt und nochmal ein bisschen was gemacht.
Die Idee da war, dass ich einfach alle Gedanken runterschreibe. Der Song muss in sich keinen Sinn ergeben, sondern jeder Gedanke soll für sich stehen. Deswegen hat er auch keine Hook, sondern läuft einfach durch. Alles, was ich sage, ist irgendwie in meinem Kopf gewesen, hat mich genervt oder halt auch nicht. Ich schreibe einfach und da wird schon irgendwas Cooles bei rumkommen. Ich finde, das ist irgendwie auch gelungen (schmunzelt).
Stimmt, mir ist vor allem die Line „Was für zwei Minuten Songs, das sind maximal Teaser (keine schlechten Songs, aber halt maximal Teaser)“ im Kopf geblieben.
(schmunzelt verlegen). Ja, das war respektvoll gemeint, weißt du. Es war so: Ich will niemandem auf die Füße treten, aber irgendwie nervt es mich, weil man so viel mehr erzählen kann, wenn man längere Songs macht. Zum Glück haben wir auch längere Songs gemacht. Ansonsten wäre die Line ein bisschen kacke auf der EP, wenn ich eben auch nur zwei Minuten Songs drin hätte.
»Sad Songs« war auch mit einer der letzten Songs, die entstanden bzw. fertig gemacht wurden. Von daher bezieht sich die Line retrospektiv darauf, dass wir ganz viel Musik gemacht haben und darunter eben auch sehr lange und untypische Songs.
Die Line hat sich auf niemanden persönlich bezogen, sondern dient eher als Kritik an der momentanen Musikkultur – dass alles aktuell sehr kurz und schnelllebig ist und genauso auch von den Artists gefordert wird. Dementsprechend musste ich da einmal was rauslassen.
Ich bin auch ein Fan davon, eine Idee stehen zu lassen. Wenn es nicht weitererzählt werden muss, reicht es auch, wenn der Song anderthalb Minuten lang ist. Aber irgendwie vermisse ich auch lange Songs, wo viel passiert und wo viel erzählt wird. Vielleicht war es eher ein Wunsch an Leute, längere Songs zu machen. Wenn ihr’s nicht macht, dann mach ich es halt und bin happy damit.
Mit 5:30 min ist »Swimming Circles« der längste Song auf der EP und gleichzeitig eine offensichtliche Referenz an Mac Millers Alben »Swimming« und »Circles«, die wie dein Projekt ebenfalls zusammenhängen. Inwiefern hat dich seine Musik geprägt?
Viel, aber auch erst seit den letzten drei Jahren. Ich bin da irgendwie reingerutscht. Mac Miller kennt man natürlich, aber bis mir »Swimming« von SOMA herzlich empfohlen wurde, habe ich nie viel reingehört. Der erste Song, den ich dann gehört hatte, war »2009« – der hat mich komplett gecatcht und danach war ich hooked. SOMA hatte mir dann auch seine Interpretation dazu erzählt, da er sich viel mit den thematischen Abläufen beschäftigt hat. Bei »Swimming« beschreibt er z.B., dass er eigentlich noch nicht an einem guten Punkt ist und ihn viele Sachen abfucken. Bei »Circles« hört man dann auf jeden Fall eine Besserung, nur ist er leider kurz nach der Entstehung des Albums verstorben.
Ich habe Mac Miller vorher nicht als konzeptuellen Menschen eingeschätzt, was mich immer ein bisschen von seiner Musik ferngehalten hat. Mit dem Hintergrund bin ich reingegangen und habe es zwei Jahre lang durchgehört – immer noch. Es ist immer noch ein Album, für wenn ich lange Zeit unterwegs bin, dann höre ich das durch. Ich glaube musikalisch haben wir gar nicht so Riesenparallelen. Irgendwie hat es aber was mit mir gemacht.
Der Fakt, dass er als eigentlicher OG-Rapper aus Amerika den Switch gemacht hat hin zu nur noch das zu machen, worauf er Bock hat – zu singen, auch wenn er nicht der heftigste Sänger ist, ohne Autotune – einfach, weil es sich geil anhört und weil es Gefühle sind. Das hat mich irgendwie geholt. Damit hatte er mich.
Ich habe mich insgesamt viel mit dem gesamten Projekt von »Swimming« und »Circles« auseinandergesetzt und fand es deswegen eine witzige Anekdote, das auch in mein Projekt mit aufzunehmen, da hier die EPs ebenfalls zusammenhängen.
»Luft zum Atmen« deutet stellenweise größere Themen an, die über die vier Wände von »10qm« hinausgehen und damit das Gefühl verschafft, dass sich deine Perspektive (sowohl nach innen als auch nach außen) erweitert hat. Findet diese thematische Entwicklung bewusst statt?
Es gab schon das Konzept, den Fakt, dass es thematisch nicht mehr um meinen Kopf, 10qm Räume und alltägliche Probleme, sondern um ehrlichere Dinge geht, durch einen visuellen Kontrast auszudrücken.
»10qm« findet thematisch in einem WG-Zimmer statt, spielt sich visuell aber nur draußen in der Freiheit ab, quasi da, wo es Luft zum Atmen gibt. Vom Styling her war es ebenfalls sehr unkompliziert, sehr raw. So ziehe ich mich halt normalerweise auch an. Die visuelle Ästhetik ist dem Ziel gefolgt, dass es keinen roten Leitfaden gibt, sondern einfach schön auszusehen.
Bei »Luft zum Atmen« hat es sich wiederum angeboten, das Ganze brachialer zu machen, Wände zu ziehen und gewisse Räume und Abgrenzungen zu schaffen, um ein Gefühl der Einengung zu vermitteln. Das fand auch dadurch statt, dass ich schicker angezogen wurde und mehr Fokus auf dem Aussehen lag. Häufig fühlt man sich zwar geil, wenn man schick angezogen ist, aber man schlüpft, vor allem wenn man sich nicht regelmäßig so anzieht, in eine Art Figur.
Das war der Grund, weshalb wir dachten, dass es passt, mich durch Kleidung und die vielen Layers einzuengen, damit ich dadurch mehr Luft zum Atmen brauche. Das visuelle Konzept von »10qm«, würde, wenn es nur um den Titel geht, thematisch besser zu »Luft zum Atmen« passen. Inhaltlich und textlich macht es aber komplett Sinn, dass »Luft zum Atmen« erwachsener, bedenklicher und ehrlich ist und sich teilweise hinter der visuellen Ästhetik versteckt.
Wie geht es dir, wenn du an deine erste Tour im Mai denkst? Du hast drei Stops angekündigt, die waren direkt sold-out und dann nochmal zehn weitere im Winter.
Ja, es ist sehr wild. Es war krass, dass es schnell ausverkauft war. Es ist sehr bestätigend und schön, weil es das erste Mal ist, dass man überhaupt irgendwas richtig kaufen kann und die Leute auch bereit dazu sind. Ich bekomme jetzt auch das erste Mal so richtig mit, was für Erfahrungen die Leute mit meiner Musik haben und was sie mit was verbinden.
Ich finde Musik ist immer ein Faktor, den man mit Situationen verbindet – zumindest bei mir. Das Feedback kriegt man dann erst in persona, wenn das Publikum im Nachhinein etwas erzählt oder man es über DMs oder andere Wege erfährt. Darauf freue ich mich sehr. Auch darauf zu erfahren, worauf die Leute achten, wenn sie die Musik hören. Vielleicht machen wir auch irgendwas, dass man diese Erfahrungen sammeln, aufschreiben und irgendwo lesen kann. Würde mich auf jeden Fall sehr interessieren.
Andererseits sind es aber immer noch Zahlen, die sehr schwer greifbar sind. Wenn es im Mai dann so weit ist, wird es natürlich nochmal ein ganz anderes Gefühl. Aktuell wird man jeden Tag mit irgendwelchen Zahlen konfrontiert und eine Millionen Streams sind auch nicht mehr so viel wert, wie sie es vor fünf Jahren waren. Von daher hat es mich extrem gefreut und tut es auch immer noch. Richtig wird sich die Freude dann aber erst bei den Shows im Mai und denen im November, Dezember ausdrücken.
Apropos Shows. Das ist jetzt dieses Jahr das erste Jahr, wo du nicht mehr mit Paula Hartmann in deiner Rolle als Live-DJ unterwegs bist. Wirst du die großen Bühnen und die turbulenten Wochenenden vermissen?
Safe. Ich habe darüber lustigerweise vorgestern nachgedacht.
Irgendwie ist es schon cool, sich um nichts außer meine Aufgaben innerhalb der Band kümmern zu müssen und mit den ganzen Leuten zu sein. Gerade auch die großen Bühnen werde ich vermissen. Ich mag es, Platz zu haben auf der Bühne, und das ist bei meiner Größe als Künstler noch nicht so der Fall.
Andererseits freue ich mich aber auch darauf, darauf hinzuarbeiten und diesen Prozess irgendwann an meiner eigenen Person mitzuerleben. Darauf hinzufiebern, dass es irgendwann große Bühnen gibt und sich dann darüber zu freuen.
Das wird jetzt dieses Jahr das erste Mal sein, dass ich eine Paula Hartmann-Show von außen sehe, was ich sehr spannend finde. Mal schauen, wie ich das einordne. Ob mich Trauer, Freude etc. überkommt, weiß ich noch nicht. Man fühlt sich natürlich noch als Teil davon, obwohl man weiß, dass man es nicht mehr ist. Schon ein komisches Gefühl.
Vermissen tue ich es auf jeden Fall, aber trotzdem bin ich sehr froh, dass wir im positiven Sinne ein gutes Ende gefunden haben, mit dem alle zufrieden sind und sich auf neue Aufgaben konzentrieren und freuen können.

Ich habe noch eine letzte Frage zu einem anderen Thema. Es geht wieder um Lorde. Dieses Jahr kommt endlich ein neues Album. Was sind deine Gedanken dazu und was erhoffst du dir von dem Projekt?
Ich erhoffe mir sehr viel. Ich finde es geil, weil sie konsequent alle vier Jahre ein Album droppt. Das ist schon wieder so ein kleines Add-on, was mich glücklich macht. Außerdem finde ich es sehr cool, dass aus dem Nichts gefühlt die erste Single kommt. Nicht wie bei einem Playboi Carti, der drei Jahre etwas ankündigt und dann nichts macht.
Von dem Snippet, was ich gehört habe, spricht mich auch das Soundbild wieder sehr viel mehr an als beim letzten Album. »Solar Power« war auch super schön, aber irgendwie hatte ich mich auf was anderes eingestellt.
(Anm. d. Red.: Das genannte Snippet gehört zu dem, am 24. April 2025 veröffentlichten, Song »What Was That« von Lorde. Das Interview hat vor diesem Release stattgefunden)
Ich bin sehr gespannt, was es für Produktionen werden. Insgesamt kann ich mir ehrlich gesagt gut vorstellen, dass es iconic wird.