Der Juni hat in diesem Jahr mehrere große Deutschrap-Alben hervorgebracht, von denen zwei sogar den ersten Platz der deutschen Charts erreichen konnten. Während Pashanim mit seinem Debütalbum »2000« nicht nur die begehrte Platzierung einholte, sondern sich auch mit deutlich mehr Kohärenz durch die ihm gut stehende Albumlänge präsentierte, ging der zweite Platz 1 an eine Gruppe, die knappe 15 Jahre länger als Pasha dabei sind: K.I.Z haben mit »Görlitzer Park« ihr siebtes Album veröffentlicht, auf dem sie eine Kehrtwende zu bisherigen Projekten fahren und deutlich ernstere Töne anschlagen.
K.I.Z – Görlitzer Park
Mit „Jetzt bin ich Mitte 30 und langsam wird es peinlich / Ist das noch Pubertät oder schon Midlifecrisis?“ schloss 2022 das sechste Album von K.I.Z und prophezeite so ein wenig, was sich auf »Görlitzer Park« nun endgültig ergeben sollte: Die Zeit der scheinstumpfen und x-fach gelayerten Fick-Deine-Mutter-Zeilen scheint vorbei, es dominieren mit einem Mal bittere Alltagsbeobachtungen und autobiographische Rückblenden auf das Aufwachsen in Berlin. Was sich auch schon bei Tareks Soloausflug »Golem« als äußerst gelungen herausgestellt hat, wird auf dem siebten K.I.Z-Album von allen drei Rappern übernommen und konsequent weiterentwickelt. Auch wenn die Berliner in ihren klassischen Texten schon immer geschickt Gesellschaftskritik in Provokation verpackt, so fällt »Görlitzer Park« doch noch eine ganze Spur bissiger und eben deutlich direkter aus. Nicht nur in den Visuals, auch in den Thematiken der 16 Tracks fällt ihr neuer Ansatz deutlich farbloser aus und hinterlässt eine düstere Wolke über allem.
Die Produktion des Albums ist erneut von den Drunken Masters übernommen, wobei fingerhutmäßig hier und da noch Elemente von anderen Producern eingestreut werden, wie Bazzazzian beim packenden »2001« oder Nico selber beim Outrosong »Gewinner«. Die Drunken Masters, sonst eher für Abrissbirnen und Instrumentals jenseits der 100 bpm bekannt, zeigen auf »Görlitzer Park« ein ganz anderes Gesicht und unterbauen die (be)drückenden Songs mit ungewohnt dunklen Produktionen.
So können Songs wie »Sommer meines Lebens« entstehen, die aus höchst unterschiedlichen Perspektiven von Einschüchterung berichten – gemein ist ihnen beiden die stumpfe Brachialität und Androhung davon, die zum einen von Seite des Oppressors und zur Anderen von Seiten des Opfers berichtet wird. Auf »Sensibel«, dem vielleicht bedrückendsten Song des ganzen Albums, erzählt Tarek wiederum so schonungslos von (Alltags)rassismus, das es beinahe im Hals stecken bleibt. Ein ganz anderer und doch zentraler Song von »Görlitzer Park« ist die zweite Singleauskopplung »Frieden«, die das in der Musikkultur viel gewidmeten titelgebende Sehnen nach Frieden thematisiert. Mit tiefzynischen Zeilen ohne einen Hauch von Humor stellen Maxim, Nico und Tarek die Schattenseiten eines vermeintlichen Friedens dar und verweisen auf all die Opfer, die dafür immer und immer wieder gemacht werden müssen. »Die Party ist vorbei« fasst ein wenig zusammen, was über dem ganzen Album schwebt: “Haust mir lachend auf die Schulter, redest von der wilden Zeit. Bruder, ich glaube, ich war nicht dabei” rappt Maxim und unterstreicht damit, was sich auf diesem Album geändert hat: Der Ton ist nicht unbedingt rauer geworden, nur sehr anders und sehr viel ernster dargestellt. Doppelte Böden fallen immer mehr ein und die Wahrnehmungen einer immer problematisch werdender Gesellschaft werden noch unverpackter abgebildet.
– Matthi Hilge