Soundcheck: Lil Uzi Vert - Pink Tape
Foto via Kenneth Cappello

Mit dem »Pink Tape« bringt Lil Uzi Vert sich selbst auf ein neues Level

Etwas weniger als drei Jahre ist es her, dass man Lil Uzi Vert das letzte Mal auf einem Langspieler gehört hat – damals noch zusammen mit Future als »Pluto x Baby Pluto«. Praktisch direkt danach wurde das »Pink Tape« in einer Instastory von Uzi angeteasert, seitdem jedoch mit jedem verstrichenen Monat und jedem neuen Teaser immer sagenumwobener. Die Übersingle »Just Wanna Rock« hat gewissermaßen die Jersey Club Beats in den Mainstreamrap gebracht und die Vorstufe zum Album, die »Red & White EP«, legte 2022 die Messlatte erneut ein Stückchen höher. Was würde das »Pink Tape« wohl alles auffahren, wenn es erstmal raus wäre?

Soundcheck: Lil Uzi Vert- Pink Tape
Cover via Warner Music Group

In jedem Fall sind die Erwartungen hoch gewesen, als Mitte Juni endlich klar wurde, dass Uzi das Tape wirklich zum Monatsende droppen würde. Neben Travis Scotts »Utopia« und A$AP Rockys »Don’t Be Dumb« ist es wohl das heiß ersehnteste Hip-Hop Album des Jahres gewesen und nicht wenige haben sich gar einen neuen Meilenstein für die Kultur durch den Drop erhofft. Ähnlich wie ein Playboi Carti oder ein Yeat es mit ihren Releases schaffen, den status quo zu durchbrechen, hat man auch Lil Uzi Vert immer wieder zugetraut, Pioniersarbeit zu leisten. Das »Pink Tape« mit all seinem aufgestauten Hype hat sich deshalb geradezu angeboten als dieses prägende Album dargestellt zu werden.

Das »Pink Tape« ist da!

Und nun ist es vergangenen Freitag, genau an dem Tag seines splash!-Headlinerauftrittes, erschienen. Mit einem cineastisch höchst aufwendigen Trailer wurde der Hype ein letztes Mal hochgetrieben, um schließlich 26 Tracks auf die Welt loszulassen. 26 Tracks oder auch 87 Minuten Spielzeit: das liest sich erstmal erstaunlich kolossal und kaum kohärent hörbar. Doch die Idee des Albums, so scheint es, ist es auch gar nicht, kohärent zu wirken. Stattdessen werden wie wild Ideen durch die Gegend geworfen, beinahe skizzenhaft experimentiert Uzi mit allem, was greifbar scheint und dem Artist irgendwie als Inspiration dienen könnte.

Uzis bunte Spielwiese beinhaltet deshalb auch folgerichtig sämtliche Musikrichtungen, die man sich so vorstellen kann. Da ist der classic Uzi Bubblegum-Trap auf »Days Come and Go« oder »Died and Came Back«, der auch hier wieder hervorragend funktioniert, das Rad jedoch nicht neu erfindet. Auch die Vorliebe für Alternative Rock, Punk oder straight up Metal ist kein Geheimnis. Der Philly-Artist hat in der Vergangenheit häufig genug betont, wie die musikalische Sozialisation ausgesehen hat und nach wie vor aussieht. Neu ist allerdings die Hinzunahme von Features aus genau dieser Ecke. Mit den englischen Deathcoremusikern von Bring Me The Horizon hat es erst Anfang Juni einen gemeinsamen Track gegeben, nun revanchiert sich die Gruppe um Frontmann Oli Sykes auf dem Song »Werewolf«. Das härtere Gewand steht Uzi dabei erstaunlich gut zu Gesicht. Auch beim eigentlichen Outrotrack mit BABYMETAL funktioniert die Kombination aus Uzis leichtfüßiger Herangehensweise an ein schwereres Soundbild auf Anhieb gut.

Die Rage-Influence

In weiteren Experimenten versucht sich Uzi an dem Ragesound, den Yeat oder das Opium Label um Carti, Destroy Lonely und Ken Carson momentan so erfolgreich auf die Bühnen der Welt bringen. Ganz besonders auf »Suicide Doors« ist die Yeat-Influence sowohl von Flow, als auch Adlibs und dem allgemeinen Soundbild deutlich erkennbar. Uzi rappt, singt, brüllt, quietscht, kreischt, macht andere kaum einordbare Geräusche und reitet sich selbst in eine Art deliranten Zustand. Genau an diesen Punkten wird das »Pink Tape« am interessantesten und man könnte meinen, dass bald dieses neue Level erreicht wird, das so greifbar schien.

Dann jedoch, aufgrund der schieren Menge an Songs, kommen auch die schwächeren Momente des Albums zum Vorschein. Etwa, wenn sich Uzi an Interpolationen von bereits existierenden Songs versucht und bspw. auf »Endless Fashion« versucht, der 21231. Mensch zu sein, der Eiffel 65‘s »Blue« aus seinem 90er Grab befreit. Auch die Neuauflage von System Of A Downs »Chop Suey« gerät unfreiwillig grotesk und ohne Uzi die Liebe für 2000er-Rock abzusprechen, so hätte der Song doch lieber auf der Festplatte bleiben sollen.

Uzi bringt nicht das Genre aber auf jeden Fall sich selber ein Level höher

Festzuhalten bleibt: Uzi versucht auf dieser irren Menge an Songs, Genres, Sounds und Experimenten vieles und vieles davon funktioniert auch super. Aber trotz allem ist kaum ein Moment dabei, der nicht bereits an anderer Stelle erlebt worden wäre. Viele der neuen Experimente klingt nach einem Track, der so schonmal woanders aufgenommen wurde aber nun ein (wirklich gutes) Lil Uzi Vert Feature erhalten hätte. Es ist nicht das genredefining Album, das sich Teile der Fans und Kritiker*innen erhofft haben aber es ist auch beileibe kein schlechtes Album. Es bleibt eher der Hut zu ziehen, wie man es auf 26 Songs schafft, so abwechslungsreich und kurzweilig zu bleiben.

Und was nicht ist, kann ja noch werden. Schon jetzt hat Uzi per Instabio einen Ausblick auf das nicht weniger heiß erwartete »Luv Is Rage 3« gegeben und mehr oder weniger angekündigt, dass es anstelle einer Deluxeversion zum »Pink Tape« schon bald ein ganzes neues Album geben würde. Und wer weiß, vielleicht sind dort dann ja die Momente enthalten, die einen Paradigmenwechsel zur Folge haben.

Tracklist: Lil Uzi Vert – Pink Tape

01. Flooded The Face
02. Suicide Doors
03. Aye (feat. Travis Scott)
04. Crush Em
05. Amped Up
06. x2
07. Died and Came Back
08. Spin Again
09. That Fiya
10. I Gotta
11. Endless Fashion (feat. Nicki Minaj)
12. Mama, I’m Sorry
13. All Alone
14. Nakamura
15. Just Wanna Rock
16. Fire Alarm
17. CS
18. Werewolf (feat. Bring Me The Horizon)
19. Pluto to Mars
20. Patience (feat. Don Toliver)
21. Days Come and Go
22. Rehab
23. The End (feat. BABYMETAL)
24. Zoom
25. Of Course
26. Shardai