Nach einem großen Labelumbruch und einem fehlgeschlagenen Umzug nach Berlin meldet sich Jugo Ürdens in frischer Manier mit neu-altem Künstlernamen und einem ganzen Album zurück.
Auf »Hund« reflektiert der Wiener seine Zeit in der deutschen Hauptstadt, erzählt von Exzess und destruktivem Konsum, dem Aufwachsen zwischen zwei Kulturen und dem Gefühl des Fremdseins. Getrieben vom Wunsch, wie ein Hund gänzlich ohne Verantwortung tun zu können, worauf man Lust hat, findet sich Jugo in vielfältigen Erzählungen und Soundwelten wieder.
Deren Hintergründen sind wir im ausführlichen Interview Track by Track auf die Spur gekommen.
1. Romelu
Jugo: »Romelu« ist am selben Tag entstanden wie »Benzin«. Zwei komplett unterschiedliche Tracks – das war mit Turnup Tun, der viel vom Album produziert hat. Wir haben die Songs in den Outskirts von Wien in so einem Container Studio von einem Kumpel aufgenommen. Das war wirklich einfach ein Baucontainer, in den er ein Studio reingebaut hat. Nach ein, zwei Stunden stand er schon, das ging sehr schnell. Wir haben währenddessen auch die ganze Zeit zwischen den beiden Songs hin und her geswitcht.
Der hat mir als erste „Comeback“ Single sehr gut gefallen. „Ich bin back so wie ein Frisbee, rappe wie Prime Shindy“ (Zitat aus »Romelu«), ist auf jeden Fall direkt hängengeblieben.
Jugo: Ja, auf die Line bin ich sehr stolz (lacht).
2. MW2
Jugo: Auch, wenn Modern Warfare 2 sehr schlecht war, habe ich das viel gezockt. Ich spiele generell gerne sehr, sehr viel Call of Duty, wenn ich die Zeit finde.
Der Song wurde auch von Turnup Tun produziert. Wir hatten davor einen Italo-Dance Song mit Tatort-Sample gemacht, haben dann aber gesagt, „das ist Bullshit“ und sind dann zusammen mit No.Ri, einem zweiten Produzenten, auf die Songidee gekommen. Ich habe jetzt eine längere Zeit in Berlin gewohnt und erzähle darauf von meiner Zeit dort.
Ist dieser Song dann auch in Wien entstanden?
Jugo: Ja, zu dem Zeitpunkt habe ich zwar noch in Berlin gelebt, war da aber gerade in Wien. Bis auf zwei, drei Songs ist eigentlich alles vom Album in Berlin recordet worden und entstanden.
3. Smog (feat. LilliPop)
Jugo: Das ist einer meiner Favourites vom Album. Ich liebe den. Ich finde, der braucht ein bisschen, aber ich höre den auch privat sehr gerne. Lilli hat mich plus-minus spontan gefragt, ob ich bei einer Session für einen Song von ihr mit einem anderen Producer Input geben und mitwriten kann. Als das durch war ist bennibeatz, der Producer von und glaub ich auch best Friends mit Lilli ist, ins NEUBAU Music Studio gekommen. Wir haben ihn ein bisschen dazu gezwungen. Zu dritt hat dann voll die schöne Symbiose stattgefunden, woraus letztendlich dieser Song entstanden ist.
4. Mein Sohn
Jugo: Entstanden ist der zusammen mit AVO. Der hat »Durstlöscher« für 01099 produziert und ganz viele Sachen mit Zuna und der KMN Gang gemacht.
Ich war auf einem polnischen Dance-Song von Duke102 drauf, den er zusammen mit Misc.Inc produziert hat (»Skóra«). Im Anschluss haben die beiden mich angeschrieben und gesagt, ich muss mal nach Dresden kommen. Wir haben dann zwei Tage Session gemacht, wobei dieser Song entstanden ist.
Warum trägst du ein’n Ohrring? Bist du schwul?
Mein Sohn
Ich fand die ersten Lines sehr lustig und wir haben darauf dann den ganzen Song aufgebaut.
Hast du den Kontrast zwischen diesem ernsteren Thema und einem 4-to-the-floor Beat, der nach vorne geht, bewusst gewählt?
Jugo: Ja, da schwingt eine gewisse Ironie mit, diese Thematik auf solch einem Type Beat einzufangen
5. Selfcare
Jugo: Die Ursprungsdemo ist Ende 2022 bei einem Festival irgendwo in Salzburg in einem kleinen Dorf entstanden. Die hatten da so Studios hingebaut.
Irgendwann dieses Jahr haben Robert (Wallner) und ich ein paar Demos durchgehört, den Song wiederentdeckt, das Sample rausgenommen und einen neuen Song draus gemacht. Die Hook ist aber seit der ersten Skizze gleich geblieben. Robert hat das ganze Album quasi executive produced und alles einmal in Reih und Glied gebracht.
Ich mag den Song extrem und finde das Sample und meine Parts unfassbar geil. Das Berlin-Bashing im zweiten Part sowieso.
Ich mochte den Vergleich vom ersten Part, der davon handelt, sich in Wien fremd zu fühlen, zum zweiten Part, in dem du dich als Wiener in Berlin fremd fühlst.
Jugo: Voll! Der Track behandelt dieses Heritage-Thema, was ich in mir trage und auch in meinem Künstlernamen drin ist. Der Vergleich zwischen dem Aufwachsen und wo man gerade steht. Das Gefühl, in zwei ganz verschiedenen Welten zwischen den Stühlen zu sitzen.
Ist es wirklich so, dass Wienern das Berliner Wasser nicht schmeckt? (siehe Line: „Sogar das Leitungswasser schmeckt hier nur nach Kalk”)
Jugo: Es sind Welten dazwischen. Das kann man nicht beschreiben. Das erste was man wirklich macht, wenn man nach Wien kommt, ist einmal den Wasserhahn aufdrehen und den Kopf drunter halten.
6. Seiten auf Calliou
Jugo: »Seiten auf Calliou« hat es durch eine unglückliche Fügung als letztes aufs Album geschafft, weil ein anderer Song mit Feature, der schon fertig war, leider doch nicht drauf konnte.
Tun hat aus diesem Sample wirklich einen geisteskranken Beat gemacht. Das kommt von einer Ex-Jugo Band, Plavi Orkestar (zu deutsch: Blaues Orchester), die ein Cover von »California Dreamin’« gemacht haben. Das Intro von ihrem Cover auf serbisch, »Ljubi se istok i zapad« haben wir dann gesampled.
Der ist auch einer meiner Favourites vom Album. Mir gefällt diese Leichtigkeit. Er ist unbeschwert und einfach straight up.
Laut meinem Arzt hab’ ich ein psychisches Problem. Ich hab’ ihm gesagt, er soll sich bitte ficken geh’n.
Seiten auf Calliou
Das ist meine Lieblings-Line vom Song.
7. Necessaire
Jugo: Ein Necessaire ist eine Art Beutel. Leute, die versuchen schlau zu sein, benutzen diesen Begriff (lacht). Das ist mitunter der traurigste und ehrlichste Song auf dem Album. Der ist mit Wenzel Beck, einem Wiener Produzent, zusammen in Wien entstanden und ich spreche darauf Online-Casino-Süchte und sämtliche andere Laster an.
Wir machen jetzt ein Remix-Album zu »Hund«. Die Idee kam ein bisschen spät, aber auf jeden Fall vor Charli XCX. Tun hat darauf aus »Necessaire« den ekelhaftesten Drum’n’Bass-Remix gemacht. Es ist so geil, der ballert unfassbar. Wir machen dazu auch eine Live-Show bei Radio Rudina.
8. Benzin (feat. Tiavo)
Jugo: Wie gesagt, der ist am selben Tag wie »Romelu« in diesem Container entstanden. Wir haben da gefühlt ein Alternativprogramm für unsere Köpfe gebraucht, damit wir den einen Loop nicht tot hören.
Die erste Strophe von mir, gab es 1:1 schon auf einer ewig alten Demo mit Tropikel Ltd. Ursprünglich sollte das also ein ganz dummer Disco-Song in deren Synth-Pop Stil werden. Es hat dann ewig gedauert, bis wir das passende Instrumental zu »Benzin« gefunden haben. Die Ursprungshook ging damals noch mit „Schenk mir nochmal nach“ los.
Tiavo und ich haben uns dann irgendwann in Berlin getroffen und gegenseitig Demos gezeigt. Ich war bei dem Song dann so: „Hey, hier fehlt noch eine Person drauf, ich glaub ihr könntet voll passen.“ Er hat beim Hören direkt die Augen aufgerissen: „Geil!“ Dann ist Zeit verstrichen und Anfang des Sommers ist er recht spontan aus Saarbrücken zu mir nach Luxemburg gekommen, um den Song fertig aufzunehmen. Dort haben wir dann auch aus „Schenk mir nochmal nach“ „Mir geht es wieder hässlich“ gemacht. Mal was anderes als sonst, aber ich liebe den Song sehr.
Zum Ende des Albums geht es ja generell mehr in die Indie-Richtung
Jugo: Voll, 100%. Ich liebe Künstler, die einen Film fahren und das konsequent machen können, ohne sich dabei zu langweilen. Ich schaffe das halt nicht, wodurch es eher zufällig zum Schluss hin diese Indie-Richtung angenommen hat.
9. Hund
Jugo: Der ist in Berlin entstanden, mit Mo.Nomad und Wings. Am Abend davor, war ich mit meiner Freundin unterwegs und wir haben ein bisschen rumgeblödelt. Ich meinte dann: „Ich möchte ‘nen Song machen, ich wünscht ich wäre ein Hund.“ Im Studio ist er dann einfach aus dieser Idee entstanden. Wings hat seinen Gitarren-Part eingespielt und Mo. hat ihn dann weiter produziert. Wir beide haben den Text auch zusammen geschrieben. Der Song ist so schön! Vielleicht teilweise zu pathetisch und kitschig, aber es waren halt echte Emotionen.
Wings hatte das Gitarren-Sample vorher schon mal Casper vorgespielt, der es dann aber abgelehnt hat. Ein paar Monate nach dem »Hund« entstanden ist, hat er mir dann aber geschrieben, dass Casper sich nun doch entschlossen hat, das Sample zu picken. Daraus hat er dann »verliebt in der stadt die es nicht gibt«, von seinem neuen Album gemacht.
Ich hab’ Casper dann geschrieben, ob er auf meinen Song draufhoppen möchte. Bzw. ging es mir in erster Linie darum, ob ich das Sample verwenden kann. Zu der Zeit, hat er mitten in den Vorbereitungen für seine Stadion-Show gesteckt und hatte dementsprechend keine Zeit. Er hat aber urlieb geantwortet, meinte er feiert den Song und ich kann das gerne benutzen.
Thematisch geht es einfach um das Gefühl nicht nachdenken zu müssen.
Wann kam für dich der Punkt, an dem du entschieden hast, das Album so zu nennen?
Jugo: Ich hab eh nach einem Titel gesucht und dann hat „Hund“ am meisten Sinn gemacht. Ich habe überlegt, wie man thematisch die Brücke schlägt und ein Hund geht wirklich immer der Nase nach, was sehr dem Album entspricht. Die Beats und Richtungen, die es einschlägt, sind oft sehr random und nach Lust und Laune.
10. Alle meine Freunde (feat. Stacks102)
Jugo: Diesen Song gab es ursprünglich in einer sehr sehr anderen Version, aber mit gleicher Hook. Ich hab ihn damals Stacks geschickt, der den Beat und die Produktion absolut gar nicht gefeiert hat.
Dann war ich mit Robert im Studio in Berlin, er hat dieses geile Riff gemacht und der Song war ziemlich schnell fertig. Ich hab ihn dann nochmal Stacks geschickt und diesmal hat er ihm gefallen. Wir haben seinen Part dann zusammen im Studio geschrieben und er hat nochmal über die Hook rübergeschrien. Ich dachte mir, wer könnte bei dem Song besser passen als Stacks von den 102 Boyz
11. Ich will nicht sein wie ich bin
Jugo: Der Song ist zusammen mit Mo.Nomad entstanden, der auch viel vom Album davor (»Das Album, das schon 2020 erscheinen sollte«) produziert hat. Es ist schon länger her, dass wir den Song gemacht haben und haben ihn mehr oder weniger so gelassen, wie die Ursprungsdemo war, weil wir der Meinung war, das man den nicht ausproduzieren oder nochmal drüber gehen darf. Das Ding steht so, wie es war.
Ich finde den thematisch sehr schön und ehrlich. Diese Wiederholungen haben fast schon einen Kinderlied-Vibe, was mir gut gefallen hat.
Klassischerweise packt man solch einen ruhigeren Song eher an die letzte Stelle. Warum hast du dich hierbei für die vorletzte entschieden?
Jugo: Eigentlich ist es sogar der letzte Song. »Sonntag im August« ist für mich mehr ein Bonus-Track. Ich wusste aber nicht, wo ich den sonst reintun soll, deshalb ist er am Ende gelandet.
12. Sonntag im August
Jugo: Die Idee zu dem Song ist in der gleichnamigen Bar in Berlin entstanden – wieder gemeinsam mit meiner Freundin. Wir waren dort etwas trinken, haben besoffen etwas Scheiße gelabert, bis ich auf diese Line „an einem Sonntag im August“ kam. Am Tag darauf habe ich mich drangesetzt, den generischsten Gitarren-Loop, den ich finden konnte, genommen und den Song eingesungen. Damit bin ich dann im tiefsten Winter auf ein Songwriting-Camp gefahren, wo wir den nochmal aufgerollt haben etc. und über ein Jahr später hat Robert ihn dann hübsch gemacht und finalisiert.
Ich finde den Song der Song macht Laune, er ist dumm. Eigentlich dachte ich, er passe nicht mit rein, aber thematisch passt er schon. Durch ihn entsteht eine Art Kreislauf. Auf den Exzess folgt der Kater, das Zur-Ruhe-Kommen und Hinterfragen und kurz darauf geht es wieder los.
Was hat dich eigentlich bewegt, nach Berlin zu ziehen?
Jugo: Ich dachte, es würde mir mit der Musik helfen. Ich wollte actually auch versuchen, für andere zu schreiben, habe das dann ein paar Mal gemacht und fand es überhaupt nicht geil.
Meine Freundin ist auch aus Wien und ist zu der Zeit so oder so nach Berlin gezogen, weil sie modelt. Mit dem Ende meiner Zeit bei DIVISION und allem drum herum musste ich einfach weg aus Wien und wollte es mal in Berlin versuchen. Andere haben das geschafft, aber ich komme mit der Infrastruktur und dem Aufbau der Stadt nicht zurecht. Obwohl da jeden Tag so viel los war und Action ist, hab’ ich mich irgendwann komplett isoliert und bin gar nicht mehr rausgegangen. Das ging total in die falsche Richtung.
Man kennt zwar viele, aber diese Core-Core-Leute hat es da nicht gegeben und solche Freundschaften kann man auch nicht in drei Monaten aufbauen. Das hat mir einfach komplett gefehlt. Ich bin sehr glücklich mit meiner Entscheidung, jetzt wieder hier in Wien zu leben.
Warum hast du deinen Namen wieder zurück zum ursprünglichen Jugo Ürdens geändert?
Jugo: Das YUGO-Ding sieht zwar optisch schön aus mit den vier Buchstaben, aber ich verbinde damit einfach eine unfassbare scheiß Zeit und sehr, sehr schlechte Sachen. Ich möchte nicht undankbar klingen, aber ich verbinde mit meinem Kapitel bei Division viel Negatives und wollte damit abschließen. Um ein bisschen die Ernsthaftigkeit rauszunehmen, bin ich wieder beim ursprünglichen Namen gelandet.
Du durftest vor kurzem im Wiener Tatort den fiktiven Rapper „Ted Candy“ spielen und für die Rolle auch einen Song aufnehmen. Wie war diese Erfahrung für dich?
Jugo: Crazy! Das war eine unfassbare Erfahrung. Ich durfte mich in das Ganze extrem involvieren, hab Namen von den anderen Charakteren geändert und die Songs geschrieben für die anderen Darsteller. Man schlüpft halt echt in eine Rolle. Ich hab mir die Haare ein bisschen wachsen lassen und gefärbt. Das ganze hat einfach mega Bock gemacht. Sollte irgendwo mal wieder eine Anfrage reintrudeln, dann nehme ich die sicher an.
Würdest du sagen, das hat dich musikalisch noch mal inspiriert, andere Perspektiven auf deinen Songs einzunehmen?
Jugo: Jein. Es hat mir wieder gezeigt, dass ich eigentlich ziemlich gut für andere schreiben könnte. Dass ich mich wirklich in eine andere Person reinversetzen kann, egal ob echt oder unecht.
Was hast du in naher Zukunft noch so geplant?
Jugo: Es gibt noch kein Release Date, aber das Remix-Album wird sehr geil. Das nächste Tape, was in Planung ist, wird „Dumm“ heißen. Das wird auch nur dumm sein. Es wird keine emotionalen und tiefen Einblicke in das Innenleben geben