Als beslik im Sommer die DIFFUS-„Hotline Bars” auf dem Splash! dominierte, ohne dabei, anders als die meisten seiner Rap-Kollegen, auch nur ein Wort des anspruchsvoll geflowten Freestyles vom Handy abzulesen, durfte man nicht wirklich überrascht sein. Schließlich ist der Düsseldorfer seit mehr als sieben Jahren Teil des Games und damit definitiv über den Newcomer-Status hinaus. Und doch fühlt es sich retrospektiv so an, als hätte dieser Moment den Beginn einer neuen Ära in besliks Karriere eingeläutet.
Ein neues Level
Selbstbewusst, ungeniert und rotzig kam der ehemalige Meister schon immer daher. Nur stand ihm diese Attitüde nie so gut wie in seinen jüngsten Veröffentlichungen, wo er sie auf die Spitze treibt und zugleich in Storytelling und Selbstreflexion einbettet. Die Art und Weise, mit der er seine toxischen Verhaltensmuster aufdeckt, dunkelste Gedanken entblößt und destruktive Dynamiken hinterfragt, ist getrieben von einer entwaffnenden Kompromisslosigkeit.
Der unmissverständliche Drang, ans Limit zu gehen, zieht sich als roter Faden durch die sechs Singles zu seinem neuen Album, dessen Titel »Lieder, die ich geschrieben habe anstatt aus dem Fenster zu springen« das Kernmotiv perfekt einfängt. Man hat das Gefühl, jeder Angriff, jedes Geständnis, jeder Anflug von Galgenhumor stammt aus einem Guss und hat seinen richtigen Platz gefunden.
Atlantic wollte sign’n, ich hab’ gedacht, jetzt werd’ ich reich, heh
Erste Hälfte Vorschuss hab’ ich reingekotzt in’ Rhein
Techno-Songs gemacht damit’s für die Masse stimmt
Leute sagen: „Er denkt Aggu“, ich mein’, hätt ja klappen könn’nbeslik – »Guten Morgen Deutschland«
Eine radikale Emotionaliät
Im Kern steht eine emotionale Ausweglosigkeit, die in zynischen Fatalismus übergeht – vermeintlich destruktiver Hass, der sich schließlich explosionsartig in kreativer Energie entlädt. Den sinnbildlichen Höhepunkt findet dieses Gefühl auf »BDEB« mit Tiavo in der schrittweisen Anleitung zum Bau eines Molotowcocktails und dem direkten Aufruf, wortwörtlich alles in die Luft zu jagen. Diese Idealisierung der kompletten Katastrophe ist nichts als die maximal konsequente Zuspitzung des „Ich hasse alles, ich fick’ jeden”-Mindsets, das in »Guten Morgen Deutschland« eingeleitet wird.
beslik gibt auf seinen neuen Songs einer eigentlich unerträglichen, universellen Hilflosigkeit Raum, bricht deren Schwere aber gekonnt mit ironischer Distanz und Übertreibung.
Ich würd’ noch Kippen rauchen mit Tuberkulose
beslik – »Geister«
Ein rundes Gesamtkonzept
Diese inhaltliche Qualität trifft auf stimmige Visualisierungen, sowohl im schlichten Coverkonzept als auch in den Musikvideos. Außerdem – und das kann gar nicht stark genug hervorgehoben werden – performt beslik durchweg auf fantastischen Produktionen, zumeist von Raw Flavour, aber auch von Hägi oder Dexter (der ja schon manchem Rapper zu gelungenen Stilbrüchen verholfen hat). Interessante Samples und Loops, eher niedrige BPM, statt stumpfem Techno schmiegen sich Boom-Bap-, Lo-Fi- und Jazz-Einflüsse organisch an die ausgebreiteten Gefühlswelten und ergeben einen wohltuend zeitlosen Sound, der beslik unfassbar gut steht.
Seit über zwei Monaten klingt beslik also so ungefiltert und entfesselt, erwachsen und stilsicher wie nie zuvor. Jeder neue Song wirkt wie ein weiteres Kapitel aus einem fesselnden Roman, für den er einen Ton gefunden hat, den er mit voller Authentizität zu verkörpern weiß. Dabei zuzuhören ist aufregend, schockierend, lustig und merkwürdig befriedigend zugleich.
Es ist einfach fucking beslik-Season und wir sind maximal gespannt, wie er die Erzählung auf seinem Album vollendet!




